Matthäus nach Kahn-Disput: "Werde mich nicht verbiegen lassen"
04.04.2023 | 17:04 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne auf sein Wortgefecht mit Oliver Kahn am Rande des Klassikers. Dabei stellt er seine Sicht der Dinge dar und macht klar, dass er den FC Bayern auch in Zukunft kritisch begleiten wird.
Meine Diskussion mit Oliver Kahn hat hohe Wellen geschlagen. Ich möchte an dieser Stelle klarstellen: Wenn ich jemanden der Lüge bezichtigt hätte, dann würde ich auch dazu stehen. Habe ich aber nicht. Ich glaube, dass die Aussagen der Bayern-Bosse hinsichtlich der zeitlichen Abfolge bei der Trennung von Julian Nagelsmann und der Verpflichtung von Thomas Tuchel nicht ganz korrekt wiedergegeben wurden.
Es passt so für mich einfach nicht zusammen. Mich haben mehrere Menschen nach unserem Gespräch am Sky Tisch kontaktiert und mir gesagt, dass die Version von Oliver so nicht stimmen würde. Sie haben meines Wissens alles mit Tuchel unter Dach und Fach gebracht und erst dann den Weg zu Julian gesucht. Das ist auch völlig normal in diesem Geschäft. Ich kann einen Trainer nicht entlassen, bevor ich mir ganz sicher sein kann, dass ein neuer Coach bereit ist, für den Klub zu arbeiten.
Thomas Tuchel hat erklärt, dass er bis vor Kurzem davon ausgegangen ist, im Sommer im Ausland zu arbeiten. Nach meinen Informationen verhandelte er mit einem Spitzenklub der italienischen Liga und hat diesem dann signalisiert, dass er im Sommer nicht übernehmen wird, nachdem das Angebot der Bayern kam.
Es gibt immer wieder Reibereien zwischen mir und Bayern München. Ich versuche seit Jahren objektiv sowohl die Bayern als auch andere Vereine zu analysieren. So neutral wie möglich. Uli Hoeneß hat mich an meinem 60. Geburtstag geherzt, umarmt und mir glaubhaft versichert, dass er mich nie wieder so attackieren wird, wie er es vor 20 Jahren live im Fernsehen getan hat, als er alle Welt wissen ließ, dass ich nicht einmal Greenkeeper im neuen Stadion werden würde. Ich habe ihm das geglaubt und mich sehr über seine Worte gefreut.
Leider hat er sich nicht sehr lange an dieses Versprechen gehalten und mich vor ein paar Wochen wieder attackiert. Schon wieder hieß es: Ich würde vergessen, für wen ich einst gespielt habe und einen Job beim FC Bayern sieht er für mich in Zukunft nicht. Ich habe mich nie für einen Job bei Bayern München interessiert und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Oliver hat mich nun zum stillosen Chefankläger des deutschen Fußballs erklärt. Ich mache nur meinen Job und den so gut ich kann. Mit Herzblut und Leidenschaft. Genauso wie Oliver den als Bayern-Chef. Auch er gibt sein Bestes für den FC Bayern. Ich habe auch nie behauptet, dass ihm oder Hasan das Mia-san-mia im Herzen fehlen würde. Aber ich habe immer noch einen sehr guten und engen Draht zu vielen Menschen und Mitarbeitern rund um den FC Bayern. Dass der Klub das Mia-san-mia mit Füßen tritt, war vielleicht etwas zu harsch von mir formuliert. Aber ich höre seit längerer Zeit immer wieder, dass die Nestwärme früher mehr gelebt wurde. Nichts anderes wollte ich damit sagen.
Es ist mehr Geschäft als Gefühl. Das ist auch ganz normal, denn die Welt, der Fußball und die Arbeit in einem so großen Verein haben sich verändert. Wir haben früher Stand-Fußball gespielt und heute ist das High-Speed. Es gab Weihnachts- oder Firmenfeiern, bei denen alle beisammensaßen und heute ist das so nicht mehr möglich, weil dieser Verein ein globaler Konzern mit sehr vielen Mitarbeitern geworden ist.
Ich habe das alles nicht erfunden. Mir wird das von Menschen mitgeteilt, die über Jahrzehnte im Zentrum dieses Klubs standen und stehen. Oliver und ich sind grundverschiedene Typen. Was uns geeint hat, war die unbändige Gier nach Erfolg und so haben wir viele Triumphe zusammen gefeiert. Er war nie der gesprächige, gesellige Typ. Ich bin anders.
Dafür war er der beste Torwart der Welt und einer der besten aller Zeiten. Ich will nie den Menschen attackieren, verletzen oder bloßstellen. Ich kenne mich und meine Verfehlungen sehr gut und weiß, dass ich nicht perfekt bin, auch mal übers Ziel hinausschieße, impulsiv oder ungerecht sein kann. Das kann man mir aber persönlich sagen und nicht vor laufender Kamera.
Ich werde mich in meiner Art als Experte oder Kolumnist nicht verbiegen lassen. Wenn ich der Meinung bin, dass die Art und Weise der Entlassung von Julian Nagelsmann im Ablauf nicht korrekt war, dann sage ich das auch. Genauso wie man meine Arbeit oder Meinung zu bestimmten Dingen kritisieren darf.
Ich behaupte, dass ich die Bayern korrekt beurteile. Uli Hoeneß hat mir gegenüber selbst zugegeben, dass er die Aufgabe als Experte bei RTL für die Nationalmannschaft nicht so gut ausführen kann, weil er es nicht übers Herz bringt, Bayern-Spieler hart zu kritisieren. Ich könne das besser und würde dabei trotzdem fair bleiben. Sie beschweren sich jedoch immer nur, wenn ich kritisch bin.
Ich würde behaupten, dass ich einen guten Blick auf diesen Verein habe, ihn immer noch sehr gut kenne und mir mein Urteil erlauben darf. Egal in welche Richtung. Das ist mein Job. Meine Kritikpunkte am FCB wurden oft korrigiert im Nachhinein. Nicht weil ich es gesagt habe, sondern weil sie es selbst so wahrgenommen haben.
Oliver hat bei Sky90 erklärt, dass die Tür natürlich offen sei. Wir müssen uns nicht groß versöhnen oder in den Arm nehmen. Von meiner Seite aus ist alles in Ordnung und wenn ich ihn das nächste Mal sehe, gebe ich ihm respektvoll wie immer die Hand. Bei Hasan ist es ähnlich. Wir müssen keine Freunde sein oder werden, aber ein menschlich guter Umgang miteinander ist mir lieber als die ständigen Nebenkriegsschauplätze. Und trotzdem muss es erlaubt sein, die Arbeit des Klubs zu kritisieren und zu analysieren. Sowohl positiv als auch negativ.
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