Kolumne: Matthäus über Thomas Müller, Thomas Tuchel, FC Bayern & den DFB-Pokal
Matthäus: Das macht Müller nicht mit
01.05.2023 | 20:42 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne auf die Reservistenrolle von Thomas Müller unter Thomas Tuchel und hält einen Abgang der Bayern-Ikone im Sommer für denkbar. Außerdem gibt der deutsche Rekordnationalspieler seine Einschätzungen zu den DFB-Pokal-Halbfinalspielen ab.
Seit Jamal Musiala in der Mannschaft fast unverzichtbar geworden ist, ist es für Thomas Müller noch schwieriger geworden. Musiala hat Müller ersetzbarer gemacht. Es ist keine einfache Zeit für den "Mister FC Bayern". Keiner in der aktuellen Mannschaft repräsentiert diesen Klub auch nur annähernd so sehr wie Müller, aber Thomas Tuchel sieht in diesem Kader wohl nicht die ideale Position für ihn.
Er braucht einen Trainer, der ein System spielen lässt, in das Müller passt, so wie es bei Flick der Fall war. Sowohl Niko Kovac als auch Pep Guardiola waren Trainer, die das nicht so gesehen haben. Wenn man in einem 4-2-3-1 spielt, mit einem klaren 6er, einem 8er und einem 10er, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass Müller kein Spieler ist, der einer dieser Positionen eindeutig zugeschrieben werden kann. Er ist eine Neuneinhalb, der ideal um einen Zielspieler wie Robert Lewandowski herumschwirrt.
Keine Position für Müller
Der klarere Spielmacher ist Musiala und die eindeutigeren Flügelstürmer sind Leroy Sane, Serge Gnabry und Kingsley Coman. Wenn man also einen defensiven zentralen Mittelfeldspieler - in diesem Fall Leon Goretzka - draußen lassen würde, müsste Musiala die offensive Acht spielen. Tatsache ist, dass ich mich nach den Aussagen von Tuchel frage, was denn das ideale Spiel und der Gegner für Müller wären. Die wichtigen Spiele gegen Manchester City waren es beide nicht und ein Spiel gegen den Tabellenletzten ebenso wenig.
Wenn man nach der Saison eine Analyse macht und der Trainer sowohl der Mannschaft als auch den Verantwortlichen erklärt, was er sich für die kommende Saison wünscht und vorstellt, dann würde es mich überraschen, wenn Müller plötzlich wieder zum Stammspieler wird. Und dann ist wohl der Punkt erreicht, an dem er sich den Transfermarkt mindestens ganz genau anschaut, um nicht zu sagen geht. Denn das macht er nicht mit. Den Fans wird es nicht schmecken, denn er ist die Identifikationsfigur schlechthin des FC Bayern.
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Müller ist der FCB-Anführer
Man muss sich nur einmal daran erinnern, wie laut die Fans seinen Namen beim Rückspiel gegen Manchester City gerufen haben, als er eingewechselt wurde. Das war lauter als bei allen Einwechselspielern zusammen. Ich verstehe Tuchel, wenn er positionsgetreu aufstellt, das würde mir möglicherweise auch so gehen. Müller ist eben von allem etwas in der Offensive. Geht man vom rein Fußballerischen weg, ist er aber vor allem von seiner Persönlichkeit, Erfahrung, seinem Willen und seiner Ausstrahlung der Anführer Nummer eins dieser Mannschaft.
Matthijs de Ligt in der Verteidigung und Joshua Kimmich in der Zentrale können in diesem Atemzug noch genannt werden. In dieser schwierigen Phase würde ich eher auf die Anführer-Qualitäten setzen, als mich an meinem Positionsplan zu halten. Deshalb würde für mich aktuell kein Weg an Müller vorbeiführen, erst recht nicht gegen so einen schwachen Gegner wie Hertha BSC und in einer Phase, in der es unbedingt darum geht, wenigstens Deutscher Meister zu werden.
Tuchel sucht einen Wandspieler
In der eben angesprochenen Analyse für die neue Saison wird mit ziemlich großer Sicherheit ein neuer Mittelstürmer gekauft werden. Ich nehme an, die Bayern wollen einen großen Namen verpflichten, der garantiert 25, 30 Tore schießt. Ich glaube nicht, dass das Randal Kolo Muani sein wird, auch wenn er sicherlich ein Bayern-Spieler wäre und dieser Mannschaft helfen könnte. Aber ich glaube, dass Tuchel ein anderes Profil sucht.
Einen Wandspieler, einen wuchtigeren, kräftigeren zentraleren Mittelstürmer. Einer, der gar nicht auf die Flügel ausweichen will, sondern gefüttert wird und jede zweite Chance verwertet. Und der Stürmer, der nun gekauft wird, muss funktionieren. Das ist sowohl sportlich wichtig als auch für das Standing der Verantwortlichen. Günstig wird es nicht. Aber das ist ohnehin klar.
Glasner-Thema beschäftigt SGE
Noch nicht ganz klar ist, wer ins DFB-Pokalfinale einzieht. Der VfB Stuttgart trifft im Halbfinale auf Eintracht Frankfurt und der SC Freiburg auf RB Leipzig. Ich sehe die beiden Heimmannschaften mit einem leichten Vorteil und tippe auf ein Finale zwischen dem VfB und Freiburg. Das Momentum spricht für Stuttgart und gegen Frankfurt. Die haben ihre Leichtigkeit verloren, es gibt Unruhen im Klub, auch weil nicht klar ist, ob Trainer Oliver Glasner verlängert. Das spiegelt sich in den vielen nicht gewonnen Spielen in Folge wieder. Es ist fast immer gleich. Wo Ruhe herrscht, ist Erfolg.
Trainer, Mannschaft und Klub passen eigentlich richtig gut zusammen. Nicht umsonst haben sie die Europa League gewonnen und uns alle begeistert. Aber sobald ein Trainer möglicherweise geht, die Spieler im Unklaren sind, wer sie demnächst coacht und dazu noch etwas Verletzungspech kommt, wackelt ein solches Gebilde schnell. Der Trainer möchte Planungssicherheit in Bezug auf seine wichtigsten Stars, die Spieler merken, dass der Anführer vielleicht mit den Gedanken manchmal woanders ist und schon geht's bergab.
Hoeneß für den VfB ein Volltreffer
Stuttgart hat mit Sebastian Hoeneß einen super Treffer gelandet. Sie gewinnen ihre Spiele, haben einen guten Lauf und die Fans tragen sie erst recht in ihren Heimspielen. Es werden knappe Halbfinals und jeder kann es schaffen, weil es keinen großen Favoriten gibt. Trotzdem tippe ich auf das eben genannte Finale.
Leipzig und Freiburg führen auch in der Liga einen harten Kampf um Platz vier und treffen bereits am kommenden Wochenende wieder aufeinander. Ich denke, beide würden lieber die Champions-League-Qualifikation schaffen, als den DFB-Pokal zu gewinnen, weil die Königsklasse schlichtweg lukrativer ist.
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