Kolumne "So sehe ich das"
27.02.2018 | 18:15 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt auf skysport.de. Dieses Mal nimmt er Bayern-Trainer Jupp Heynckes unter die Lupe.
An meinem Wunsch als Bayern-Fan, Jupp Heynckes auch nächste Saison noch auf der Bayern-Bank zu sehen und dann Jogi Löw als Nachfolger zu begrüßen, hat sich nichts geändert. Das wäre in meinen Augen eine fantastische Lösung.
Aber je mehr Wochen vergehen und je öfter sich Jupp Heynckes dazu äußert wie zuletzt in der Bild am Sonntag, desto mehr glaube ich, dass die Sehnsucht nach seiner Frau, seiner Familie und seinem Schäferhund stärker sind, als der Drang noch ein Jahr als Bayern-Trainer zu arbeiten.
Es war, so denke ich, ein Gefallen, den Jupp Uli Hoeneß und der Bayern-Familie tun wollte und dies hat er bisher mit absoluter Klasse und großem Erfolg gemeistert. Jupp wird jedem in der Bundesliga fehlen. Der Mannschaft, dem Klub, den Fans, ja sogar den Medien und Bayern-Gegnern.
Wie er das alles leitet, moderiert und entscheidet ist einfach einzigartig. Er nimmt selbst den Journalisten so charmant den Wind aus den Segeln, dass ihm keiner böse sein kann, wenn er kritischen Fragen oder Andeutungen zu seiner Zukunft so ausweicht, wie er zu seinen besten Zeiten den Gegner aussteigen ließ.
Auch das wird mit einem neuen Trainer sicherlich wieder anders werden. So ruhig und harmonisch wie die Journalisten momentan mit dem FC Bayern umgehen, dürfte es zumindest am Anfang mit einem neuen Mann an der Seitenlinie nicht werden. Jupps Abschied wird ein großer Verlust für die Liga sein.
Wenn mein alter Trainer am Ende der Saison geht, dann nicht, weil er keinen Spaß oder keine Kraft mehr hat. Er wird gehen, weil die Gründe auf der anderen Seite stärker wiegen. Er wird bald 73, will irgendwann dann auch wirklich seinen Lebensabend genießen. Ein Umzug mit seiner Frau und seinem Hund Cando, der auch nicht mehr der Jüngste ist, kommen natürlich nicht in Frage. Wären sie von Anfang an mit umgezogen, wäre das vielleicht etwas anderes gewesen, aber so nicht.
Abends nach getaner Arbeit in ein leeres Hotelzimmer zu kommen. Das kannte Jupp Heynckes vorher nicht und das will er mit Sicherheit nicht noch einmal ein ganzes Jahr erleben. Auch Finanzielle Gründe können Jupp nicht mehr reizen. Er hat stets solide gelebt und muss sich diesbezüglich keine Sorgen mehr machen.
Sorgen sollte sich auch Arjen Robben nicht machen, wenn er mal nicht spielt. Vor allem nicht in einem Achtelfinal-Hinspiel gegen einen Gegner, der nicht zur absoluten Top-Kategorie zählt wie Besiktas. Da muss er gelassener werden und Jupp vertrauen. Der weiß genau, wen er wie und wann einsetzt. Es kommt nicht von ungefähr, dass es seit Monaten kaum Verletzungen bei Bayern gibt.
Wenn es dann im Halbfinale gegen Real oder Barcelona geht und er draußen sitzt, ist der Ärger verständlich. Dass Jupp Heynckes auch das überragend moderiert hat, liegt nicht zuletzt an seiner Erfahrung auch als Spieler. Er war garantiert ebenfalls stocksauer, dass er im WM-Finale 1974 auf der Bank saß und deshalb versteht er es, wenn ein Spieler wie Arjen Robben so motiviert ist, dass er in jedem K.O.-Spiel 90 Minuten spielen will.
Robben und Ribéry sind so - und es wird sie wahrscheinlich keiner ändern können. Die beiden Flügelflitzer sind speziell in jeder Hinsicht. Das ist auch ein Grund, wieso jeder Bayern-Fan sie liebt. Aber manchmal muss man auch entspannter bleiben und sich die Kräfte und Nerven für die wirklich wichtigen Spiele aufheben.