Lothar Matthäus: "Ich freue mich auf den Videoschiedsrichter"
Sinn und Unsinn des Regelwerks
14.05.2019 | 15:30 Uhr
Das Regelwerk wird immer wieder diskutiert. Abseits abschaffen? Nettospielzeit einführen? Lothar Matthäus hat klare Vorstellungen über Sinn und Unsinn – und gibt einige Denkanstöße.
Spielzeit
Führt die Nettospielzeit ein! Bei der einen Partie rollt der Ball 55 Minuten, bei der anderen 65. In zehn Minuten reiner Spielzeit kann eine Menge passieren. Zweimal 30 Minuten Nettospielzeit wären okay. Die Zuschauer hätten mehr vom Spiel, aber vor allem wäre es gerechter.
Torabstoß
Der Torwart spielt den Ball flach. Aber weil der Gegner gut attackiert, läuft der eigene Mann dem Ball entgegen und schnappt ihn sich, bevor der Ball den Strafraum verlassen hat. Der Ball ist also laut Regel noch nicht im Spiel, ein Fehler der Mannschaft in Ballbesitz. Und jetzt? Der Abstoß wird wiederholt. Das ist nicht in Ordnung. Vielleicht nur eine Kleinigkeit, die mir aber schon seit 10, 15 Jahren durch den Kopf geht. Weil das ungerecht ist. Bei einem falschen Einwurf bekommt der Gegner den Ball. So sollte es auch beim Abstoß sein. Wenn man einen Fehler macht, ist der Ball weg. Feierabend. Und die Mannschaft, die gut presst, wird mit einem indirekten Freistoß belohnt.
Torhüter im Fünfmeterraum
Der deutsche Sonderweg im Regelwerk, dass die Torhüter im Fünfmeterraum besonderen Schutz genießen, wurde schon vor ein paar Jahren abgeschafft. Aber die Schiedsrichter in der Bundesliga behüten den Torwart immer noch zu sehr. Liegt eine Berührung im und um den Fünfmeterraum vor, pfeifen die Schiedsrichter sofort und entscheiden immer für den Torwart. Dabei kommt es darauf an, wer den Kontakt sucht. Oft genug geht der Stürmer nur zum Kopfball, der Torhüter ist ungünstiger postiert und springt den Offensivspieler an. Der Schiedsrichter pfeift trotzdem für den Keeper. Da müssen die Unparteiischen genauer hinschauen. Der Schutz des Torwarts ist wichtig, doch pauschal bei jedem Körperkontakt gegen die angreifende Mannschaft zu entscheiden, geht zu weit. Da ist die Auslegung in England besser. Abseits abschaffen Finger weg von der Abseitsregel!
Wird die Abseitsregel abgeschafft, wie von Oliver Bierhoff oder Marco van Basten angedacht, verändert sich das Spiel grundlegend. Ein Test mit zwei Amateur-Teams, bei dem ich mitgespielt habe, ergab: Es werden sehr viele lange Bälle von hinten raus geschlagen, Marke „Kick and Rush". Das ist nicht schön. Der Fußball bekommt einen komplett anderen Charakter. Das würde die Raffinesse, die super Mittelfeldspieler, die Thiagos und Julian Weigls einfach aus dem Spiel nehmen. Abseits abschaffen - so ein Vorschlag kommt nie von einem Strategen aus dem Mittelfeld. Auf so eine Idee kommt eher jemand, der nicht so viel laufen will oder kann …
Handspiel
Die Grauzone bei der Auslegung Handspiel oder nicht ist unvermeidbar. Wann befindet sich der Arm in einer natürlichen Haltung, wann wird die Körperfläche vergrößert? Zwischen »der Arm ist 15 Zentimeter vom Körper entfernt, um die Balance zu halten« und »er ist auf Schulterhöhe im rechten Winkel zur Seite ausgestreckt« ist viel Platz für Interpretationen und der Schiedsrichter muss entscheiden. Mit Hilfe des Videoschiedsrichters. Diese Entscheidungen werden nicht immer eindeutig sein, es wird Diskussionen geben. Hoffentlich stets mit Verständnis für die Verteidiger. Sollen die im Strafraum nur noch mit hinter dem Rücken verschränkten Armen agieren?
Videoschiedsrichter
Super, dass der Videoschiedsrichter ab jetzt in der Bundesliga zum Einsatz kommt! Davon werden die Spieler, die Fans und nicht zuletzt die Schiedsrichter auf dem Platz profitieren. Andere Sportarten nutzen das schon länger. Judo etwa. Der ungarische Verbandspräsident berichtet von sehr guten Erfahrungen mit dem Videoschiri, der den Richter an der Matte korrigieren kann. Der Fußball macht doch auch gute Erfahrungen mit der Torlinientechnik und eine weitere technische Modernisierung ist überfällig. Das Spiel ist schneller geworden und es wird viel mehr »überwacht«. Jeder am TV-Schirm sieht und weiß mehr als der arme Schiedsrichter auf dem Feld. Und der muss entscheiden. Allein zu dessen Schutz ist der Videoschiedsrichter sehr gut. In dem Maße wie er eingesetzt werden wird, wird er auch keine negativen Auswirkungen auf den Spielfluss haben. Es werden nur Aktionen überprüft, die in direktem Zusammenhang mit einem Tor, einer Elfmeterszene und einer Roten Karte stehen. Außerdem greift er bei Spielerverwechslungen bei persönlichen Strafen ein.
Mehr ins Detail sollte er nicht gehen, damit das Spiel nicht zerstückelt wird. Das Spiel darf nicht vom Computerbildschirm aus gesteuert werden. Zur Beruhigung für alle Traditionalisten: Auch mit Videoschiri wird es weiter Emotionen und Diskussionen geben. Siehe Handspiel. Oder war die Berührung im Strafraum tatsächlich ein Foul? Vieles wird auch der Videoschiedsrichter nicht eindeutig klären können. Das führt dann aber zu Diskussionen, weil man diskutieren kann. Für die Fälle, in denen man nicht diskutieren kann, weil die ursprüngliche Entscheidung eindeutig falsch war, wird der Videoschiedsrichter ein Segen sein.
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Das Buch
Weltfußballer, deutscher Rekord-Nationalspieler, Weltmeister: Lothar Matthäus war einer der erfolgreichsten Fußballer Deutschlands. Dass er etwas von seinem Fach versteht, beweist der Erlanger auch als Experte bei Sky, wo er nicht nur das Topspiel der Bundesliga, sondern komplette Spieltage oder die UEFA Champions League analysiert.
Mit diesem Buch liefert Lothar Matthäus die optimale Vorbereitung auf die kommende Saison der Bundesliga, mit knallharten Analysen über alle 18 Mannschaften, ungewöhnlichen Einblicken, pikanten Fakten. Aber das Buch bietet noch mehr. Es ist ein Buch zum Mitmachen. Das Spieltagebuch mit Platz für eigene Kommentare und Analysen macht die Saison zu einem ganz persönlichen Erlebnis. QR-Codes verlinken direkt zu den neuesten Informationen über jede Mannschaft und über jeden Spieltag. Beim Tippspiel sind Spieltag für Spieltag 100.000 Euro zu gewinnen.
Der Autor
Lothar Matthäus ist einer der größten und erfolgreichsten Fußballer Deutschlands. Und dass ein Mann mit einem derartigen Hintergrund auch abseits des Platzes ein bisschen was vom Kickergewerbe versteht, beweist der Erlanger seit Sommer 2012 als Experte bei Sky.