Viele bei Bayern wissen nicht, worum es geht
01.04.2024 | 13:30 Uhr
Lothar Matthäus geht nach der Pleite im Klassiker hart mit dem FC Bayern ins Gericht und erklärt, warum die Bayern-Stars gegen Arsenal eigentlich keinen Trainer brauchen. Zudem nennt der Sky Experte Gründe für eine Nagelsmann-Rückkehr.
Muss man sich als Bayern-Fan Sorgen machen, dass die Mannschaft mit einer ähnlich schlechten Leistung wie gegen Borussia Dortmund gegen Arsenal aus der Champions League fliegt? Nein. Auch wenn man es nicht laut sagen darf, aber es ist ein wenig nachvollziehbar, dass die Bayern-Stars beim Spiel gegen Dortmund nach dem erneuten späten Sieg der Leverkusener ein wenig die Köpfe haben hängen lassen.
Die Meisterschaft und da sind wir uns, glaube ich alle einig, war auch mit zehn Punkten Rückstand quasi futsch (zur Bundesliga-Tabelle). Ich habe sogar ein kleines bisschen Verständnis, dass sich Thomas Tuchel nach dem Spiel hinstellt und dem Tabellenführer zur Meisterschaft gratuliert. Zugegeben, eigentlich darf ein Bayern-Trainer das nicht machen, denn normalerweise lautet die Wortwahl in solchen Fällen: Solange es rechnerisch noch möglich ist, werden wir alles tun. Aber sei's drum. Was man dem Coach und dem Team allerdings vorwerfen muss, ist die unterirdische Leistung auf dem Platz. Und sich danach über mögliche Elfmeter zu beschweren, hätte er sich nach so einer katastrophalen Vorstellung auch schenken können. Das macht man als Bayern München nicht.
Es geht gegen Borussia Dortmund, den größten Konkurrenten der letzten Jahre und die halbe Welt schaut zu. Da dürfen nicht nur alle Fans, die für viel Geld ins Stadion kommen, darauf vertrauen, dass ihre Helden sich für dieses Trikot zerreißen. Aber das haben sie ehrlich gesagt schon die halbe Saison nicht getan. Alle paar Wochen liefert die Mannschaft von Thomas Tuchel unerklärlich schlechte Leistungen ab. Was besprechen die eigentlich, wenn sie sich immer wieder mal zu einem Team-Abend treffen? Sie sollten dann nicht nur ihr Steak essen und ein Gläschen Wein trinken, sondern Tacheles reden. Es gibt in dieser Mannschaft zu viele Spieler und vielleicht auch Menschen drum herum, die weder wissen noch vorleben, was es heißt, für Bayern München zu arbeiten.
Gegen Dortmund hatte einzig Joshua Kimmich Normalform. Bei der peinlichen 0:2-Pleite war es nur er, der sich auf dem Platz zerrissen hat. Und nach dem Spiel hat er einen Satz gesagt, der mich hat aufhorchen lassen. Gegen den BVB brauchst du keinen, der an der Seitenlinie steht oder Mitspieler, die einen motivieren. Da muss man von selbst brennen, eigentlich schon einen Tag vorher, sagte Kimmich. Keinen, der an der Linie steht? Interessant.
Man kann das auch so deuten, dass diese Bayern-Mannschaft vor allem in wichtigen Spielen überhaupt niemanden braucht, der ihnen sagt, was sie zu tun hat. Man muss ja nur mal die Namen durchgehen, die auf dem Platz stehen. Wenn die wirklich gewollt hätten, hätte Dortmund wieder keine Chance gehabt. Und deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass sie gegen den FC Arsenal im Champions-League-Viertelfinale ganz anders auftreten werden. Nicht nur, weil Harry Kane dann noch ein bisschen fitter ist oder eventuell Manuel Neuer wieder zurückkehrt. Sondern weil es um was geht. Weil es um die letzte Möglichkeit geht, einen großen Titel zu gewinnen. Und ich glaube, dass es egal ist, ob dann Thomas Tuchel an der Linie steht oder sonst wer.
Das Missverständnis zwischen diesem Trainer und der Mannschaft wird zum Saisonende beendet und dann braucht es einen neuen. Wieso mein Favorit Julian Nagelsmann ist, werde ich gefragt? Weil er von allen gehandelten Kandidaten in meinen Augen am allerbesten passt. Er kennt den Verein, er hat sehr oft sehr attraktiven Fußball spielen lassen. Er wurde entlassen, als noch alle drei Titel möglich waren. Und als er gehen musste, war der Titelkampf noch spannend und man lag nicht peinliche 13 Punkte hinter dem Tabellenführer. Das ist wirklich nichts gegen Thomas Tuchel. Aber es gab viel zu viele schlechte Spiele und unerklärliche Niederlagen unter seiner Regie. Und richtig mitreißender und attraktiver Fußball wurde auch sehr selten gezeigt.
Die Rückkehr von Nagelsmann könnte unter den aktuellen Voraussetzungen richtig gut werden. Denn eines darf man nicht vergessen. Dieser junge Trainer, der damals noch jünger war, wurde sehr oft von der damaligen Vereinsführung allein gelassen und nicht unterstützt. Da gab es eine Jahreshauptversammlung, die aus dem Ruder lief und Stellung dazu musste der Trainer beziehen, der Mitte 30 war. Der soll die Mannschaft trainieren und nicht den Außenminister spielen.
Ich glaube, dass Max Eberl, Christoph Freund, Dreesen, Hainer, Hoeneß und Rummenigge dem Trainer Nagelsmann ein viel größeres Schutzschild bieten können, als er es damals gewohnt war. Dieser Verein muss endlich wieder an den Punkt kommen, an dem sich alle total mit dem Klub identifizieren, alles geben, was in ihnen ist und richtig Bock auf den Job haben. Zur neuen Saison muss endlich Schluss damit sein, im DFB-Pokal in der zweiten Runde auszuscheiden, sich alle paar Wochen in der Bundesliga zu blamieren und gegen kleine Klubs aus der Champions League auszuscheiden.
Was in München seit ein paar Jahren los ist, muss langsam ein Ende haben. Das ist bald nicht mehr der Verein, den ich kenne, vor allem wenn ich auf die Leistungen auf dem Platz schau. Und ich glaube, dass Julian dafür eine sehr, sehr gute Option wäre. Ich bin sicher, wir werden mit ihm eine gute Europameisterschaft spielen. Und wenn nicht, dann wäre er trotzdem ein toller Trainer für Bayern München.
Alle anderen Kandidaten können am Ende der Saison auch ihre Ziele verfehlt haben, in den Wettbewerben ausscheiden oder sich irgendwo blamieren. Die Diskussion bei Bayern München sind immer da und werden unabhängig von irgendeinem Abschneiden bei der EM geführt. Beim deutschen Rekordmeister muss es endlich mal wieder brennen und zwar vor Liebe und Leidenschaft gegenüber dem Klub.
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