Warum zockt Bayern nicht?
12.02.2024 | 13:12 Uhr
Lothar Matthäus blickt in seiner neuen Kolumne auf das Topspiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem FC Bayern München. Der Sky Experte zeigt sich überrascht von Tuchels Aufstellung, kritisiert die stete Unruhe im Klub und ist sich sicher, dass Leverkusen Deutscher Meister wird.
Leverkusen 3! Bayern 0! Drei zu null verliert der FC Bayern München im wichtigsten Spiel der Saison, in dem es um die Deutsche Meisterschaft ging. Verdient und absolut chancenlos. Das geht mir nur schwer über die Lippen. Bayern national ohne Chance, wenn es um alles geht. Das gab es schon lange nicht.
Aber es ist die Wahrheit. Ich war sehr überrascht, dass die Bayern im Spiel der Spiele ausgerechnet auf die Stars mit Bayern-DNA verzichtet haben. Ich an Tuchels Stelle hätte vor allem in Leverkusen auf de Ligt, Kimmich und Müller gesetzt.
Aber nein, Bayern spielt seit einem Jahr mit Viererkette und wenn die Mannschaft die Sicherheit am nötigsten hat, wird auf Dreierkette umgestellt. Zu allem Überfluss mit einem Boey, der ausschließlich als Rechtsverteidiger gekauft wurde und am Samstag als linker Schienenspieler zaubern sollte.
Gegen Leverkusen ließ Thomas Tuchel drei Innenverteidiger hinten auf einer Linie ran. Es spielten: Eric Dier, bis zum Winter Ersatz bei Tottenham Hotspur. Kim, der eben erst vom Asien-Cup zurückkehrt war. Und Dayot Upamecano, der nach einem Muskelfaserriss nur drei Tage vor dem Spiel das Training wieder aufgenommen hatte. De Ligt saß 90 Minuten auf der Bank. Der teuerste und für viele beste Innenverteidiger, der vergangene Woche noch ein Tor gemacht hat.
Müller war ebenso top gegen Gladbach, aber beide saßen draußen. Auch Kimmich hätte spielen sollen. Pavlovic ist ein großartiges Talent und hat wirklich klasse gespielt in den vergangenen Wochen. Aber es wäre für ihn kein Problem gewesen, nicht gleich auch im Spiel der Spiele von Anfang an ran zu dürfen. Unterm Strich alles falsche Entscheidungen im Nachhinein.
Tuchel ist All-in gegangen und hat sich verzockt. Man hatte den Eindruck, dass er es allen zeigen wollte und es hat leider nicht funktioniert. Ein bisschen wie Carlo Ancelotti damals in Paris. Ich bin sicher, Leverkusen wird jetzt Deutscher Meister und wenn sie so weiterspielen, mehr als verdient. Diese Begeisterung, Leichtigkeit und der wunderbare Teamgeist führen wohl zu diesem tollen Triumph und vielleicht zu mehreren Titeln.
Die nackten Zahlen der Bayern sind so schlecht nicht in der Liga unter Tuchel. Aber von den eben aufgezählten Eigenschaften der Alonso-Mannschaft hat Bayern nichts. Ob Tuchel jetzt wackelt? Ein Wunder wäre es nicht. Intern wird bestimmt diskutiert. Muss es sogar. Alles andere wäre nicht Bayern-like.
Dass einige unzufriedene Spieler in der Kabine sitzen, ist nicht erst seit gestern klar. Und solche Experimente, bei denen der 70-Millionen-Abwehrmann draußen bleiben muss, obwohl er topfit ist, weil ein Neuzugang, der Ergänzung sein sollte, den Vortritt bekommt, sorgen für miese Stimmung.
Ein Trainer kann die Anführer der Kabine reizen, ignorieren, links liegen lassen oder demontieren, aber dann muss er gewinnen, und zwar überzeugend. Beides ist Tuchel nicht gelungen. Ganz im Gegenteil. Ruhiger wird es in den kommenden Tagen nicht bei Bayern. Es ist generell seit viel zu langer Zeit alles viel zu unruhig in diesem Verein. Und das Ergebnis sieht man auf dem Platz. Und zwar regelmäßig seit vielen, vielen Monaten...
Wir zocken nicht, sagte Thomas Müller schonungslos offen am Sky Mikro nach dem Spiel. Ich frage mich: Warum? Sane ist ein Zocker, Musiala erst recht, Müller auch und einige andere dazu. Bekommen die Spieler zu viele Informationen an die Hand und sind somit nicht frei im Ausleben ihrer Kreativität? Wundern würde es einen nicht. Und auch das wäre kein gutes Zeichen zwischen dem Trainer und der Mannschaft.
Mehr zum Autor Lothar Matthäus
Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.