Lothar Matthäus: Sky Experte über Sabitzer, Bayern, Tuchel, Freund, Sommer
Tuchels Reaktion hat mich gewundert
25.07.2023 | 13:09 Uhr
Lothar Matthäus schätzt in seiner Kolumne den Wechsel von Marcel Sabitzer zum BVB ein, lobt Bayerns neuen Sportdirektor und zeigt sich überrascht von Thomas Tuchels Reaktion auf die Verpflichtung von Christoph Freund. Für Yann Sommer sieht er in München keine Zukunft.
Den Wechsel von Marcel Sabitzer halte ich für eine sinnvolle Lösung für den Spieler, den FC Bayern und für Borussia Dortmund. Der BVB hat Bellingham, Guerreiro und Dahoud verloren und fürs Mittelfeld bisher nur Felix Nmecha geholt, und sie haben dort sinnvoll nachlegen. Bei Marco Reus weiß man nicht, wie er die Saison durchstehen wird. Sabitzer ist der Eins-zu-eins-Ersatz für Bellingham, Bensebaini kam für Guerreiro.
Ich will nicht sagen, dass die Dortmunder mit Sabitzers Transfer den FC Bayern schwächen, aber sie holen einen Spieler, der auch in München bei weniger Konkurrenzkampf mehr Einsatzzeiten gehabt hätte. Er war in Leipzig und in Österreichs Nationalmannschaft eine Führungspersönlichkeit, er hat zuletzt in Manchester gezeigt, dass er auf hohem Niveau spielen kann und sich sein Selbstvertrauen zurückgeholt.
Leipzig ist für viele Talente eine Zwischenstation
Nach Sabitzer vor zwei Jahren hat Leipzig in Konrad Laimer wieder einen Mittelfeldspieler an den FC Bayern verloren. Christopher Nkunku und Dominik Szoboszlai sind bereits weg, und Leipzig weiß, dass man Josko Gvardiola nicht auf Dauer halten kann. Das wusste man auch bei Nkunku, weshalb sein Vertrag mit Ausstiegsklausel verlängert wurde. Auch für Szoboszlai stand der Schritt in die nächste Etage des europäischen Fußballs an.
Klubs wie Real, Chelsea, Liverpool oder Barcelona haben eine andere Strahlkraft als Leipzig oder Dortmund, kurz- und mittelfristig können RB und BVB mit diesen Vereinen nicht konkurrieren. Anders als Bayern München, das sich auch mal bei Topklubs bedient und finanziell einigermaßen mithalten kann.
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Leipzig hat in den letzten Jahren einen Transferüberschuss im dreistelligen Millionenbereich gemacht, RB ist für viele Talente eine Zwischenstation. Jetzt hat man wieder junge Spieler aus der französischen Liga und aus Salzburg geholt. Von dort aus haben schon Spieler wie Sadio Mane oder Erling Haaland ihre internationalen Karrieren gestartet.
Ich hätte etwas mehr Emotionalität von Tuchel erwartet
Christoph Freund hat den Schritt von Salzburg zum FC Bayern gemacht und wird dort ab dem 1. September als Sportdirektor arbeiten.
Die verhaltene Reaktion von Thomas Tuchel auf Freunds Verpflichtung hat mich etwas gewundert. Von der Emotionalität, die wir zu Tuchels Anfangszeit in München gesehen haben (Stichwort "schockverliebt"), war nicht viel zu spüren. Ich hätte schon ein bisschen mehr erwartet, denn Christoph Freund ist einer, der Leute wie Mane und Haaland geholt hat. Christoph hat damals in Salzburg angefangen, als ich dort als Co-Trainer unter Giovanni Trapattoni gearbeitet habe. Seine Entwicklung freut mich sehr.
Er war anfangs sehr schüchtern und zurückhaltend, hatte aber immer die Augen offen. Er war jemand für klare Worte und immer da, wenn du Hilfe gebraucht hast. Christoph ist im Verein groß geworden. Ich habe gedacht, er bleibt sein Leben lang in Salzburg.
Bayerns Reserve als Gegenstück zu Salzburgs Farmteam?
Christoph hat ein riesiges Netzwerk, er hat wichtige Transfers begleitet und später allein gestaltet. Vielleicht erhofft sich Bayern nicht nur durch dieses Netzwerk, auch wieder mal Spieler aus der eigenen Akademie, dem eigenen Nachwuchs zu entwickeln. Salzburg hat den FC Liefering als Farmteam, vielleicht wird Bayern II das Münchner Gegenstück zu Liefering. Die Bayern-Reserve muss aber den Anspruch haben, in der 3. Liga zu spielen. Es ist eigentlich ein No Go, dass die Mannschaft seit Jahren nur in der Regionalliga spielt.
In Salzburg werden junge Spieler über den FC Liefering vorsichtig an die erste Mannschaft von Red Bull herangeführt, gehen dann weiter zu einem größeren Verein und die nächsten Spieler aus Liefering kommen nach. Dafür braucht man auch ein sehr gutes Scouting, Kontakte, Beziehungen und viel Vertrauen in die Manager.
Das heißt nicht, dass der FC Bayern in Zukunft nur mit Talenten arbeiten wird, aber man kann sich aus zwei Richtungen bedienen: Mal einen Knaller wie Harry Kane verpflichten und dann wieder ein junges Talent holen, das wie Haaland in Salzburg aufgebaut wird.
Diese Dinge kann Freund in München einbringen
Ich weiß nicht, welche Aufgaben Christoph Freund beim FC Bayern genau übernehmen wird, aber ich glaube, dass er auch am Verhandlungstisch seine Qualitäten hat - auf seine Art und Weise. Er ist sicher nicht der emotionalste Typ, kein lauter Polterer, sondern ein ruhigerer Zeitgenosse, der aber genau weiß, was er will.
Er ist keiner, der Druck ausübt oder einen über den Tisch zieht, sondern einer, der vernünftige Gespräche führt und seinen Gegenüber mit Respekt behandelt. Das sind Dinge, die er zusätzlich beim FC Bayern einbringen kann: sachlich und normal zu argumentieren, um die Leute zu überzeugen.
Bayern braucht aktuell keinen Sportvorstand
Die Frage, ob der FC Bayern neben einem Sportdirektor auch wieder einen Sportvorstand braucht, wurde zuletzt häufiger gestellt. Ich glaube nicht, dass man ihn jetzt unbedingt braucht, aber auf Dauer wirst du diese Position wahrscheinlich wieder besetzen müssen.
Max Eberl wäre sicher ein möglicher Kandidat, aber man hat jetzt erst einmal den Druck rausgenommen und mit Christoph Freund jemanden gefunden, der eine ähnliche Position besetzt, wie es Hasan Salihamidzic in den ersten zwei Jahren auch getan hat. Das Wichtigste ist, dass man in dieser neuen Konstellation und mit dieser neuen Aufgabenverteilung zusammenwächst. Neben Uli Hoeneß und Kalle Rummenigge gibt es ja noch Marco Neppe - und nicht zu vergessen Thomas Tuchel.
Mich hat es auch gewundert, dass Tuchel nicht in die Sportdirektorensuche eingeweiht war. Das ist aber Sache der Vereinsführung. Der Verein steht über dem Trainer, über den Spieler, über allem. Ein Trainer kann seine Wünsche äußern, das hat Tuchel auch gemacht.
Laimer schürt Konkurrenzkampf im Mittelfeld
Tuchel wollte neben einem Neuner immer einen neuen Sechser haben. Laimer war nicht sein Spieler, mit Goretzka ist er unzufrieden und Kimmich hat er auch kritisiert - aber das ist auch ein Kitzeln. Die Spieler sind ehrgeizig und haben die Qualität, auf einem ganz hohen Niveau erfolgreich zu spielen. Das hat ein Kimmich gezeigt, und das hat auch ein Goretzka gezeigt. Mit Laimer ist einer dazugekommen, der den Konkurrenzkampf schürt.
Neben Kimmich, Goretzka, Laimer und Gravenberch hat man noch Raphael Guerreiro für das Mittelfeld und hinten links. Dass Guerreiro jetzt verletzt fehlt, ist schade, denn er sollte Alphonso Davies etwas Druck machen.
Leon Goretzka muss sich fragen, ob ihm vor der Europameisterschaft im eigenen Land die Ersatzbank reicht oder ob er mehr Spielzeit haben will? Will er sich bei Bayern behaupten? Will er zu einem anderen Verein und sich vor der EM auf ein Abenteuer einlassen? Diese Dinge muss jeder Spieler für sich selbst entscheiden.
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Ich sehe keine Zukunft für Sommer beim FC Bayern
Manuel Neuer macht die Asienreise nicht mit und verpasst den Saisonstart. Wie es ihm genau geht, darüber können wir nur spekulieren. Soweit ich es mitbekommen habe, vertraut der FC Bayern nicht auf Neuers Genesung nach zwei oder drei Spieltagen. Wann Neuer ins Tor zurückkehren wird, ist wahrscheinlich eine Frage, die sich der FC Bayern selbst noch nicht beantworten kann.
Für Yann Sommer sehe ich keine Zukunft beim FC Bayern. Ich kenne nicht die Vertragsinhalte und weiß nicht, ob Sommer selbst entscheiden kann oder ob er die Freigabe der Bayern braucht, wenn sie wissen, was mit Neuer los ist. Natürlich kann Sommer nicht bis September oder Oktober warten, darauf wird er sich nicht einlassen. Er will als Nummer eins in die Saison gehen. In München ist er nicht als Nummer eins gesetzt, deswegen glaube ich, dass Sommer den FC Bayern noch vor Saisonbeginn verlässt.
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