Ten Hag entfacht das Feuer: Die Renaissance der Red Devils
15.01.2023 | 20:12 Uhr
In einer turbulenten Schlussphase hat Manchester United die Cityzens im Derby mit 2:1 besiegt. Seit der Schmach im Hinspiel hat Erik ten Hag den Verein umgekrempelt. Und eindrucksvoll bewiesen: Die Red Devils sind wieder da. Der Niederländer hat das Feuer der Renaissance im Verein entfacht.
Mit 3:6 demütigte Manchester City ten Hag und United im vergangenen Oktober, doch der Niederländer hat seitdem viel verändert und an den richtigen Stellschrauben gedreht. Beim Derbysieg am letzten Samstag zeigte sich: Ten Hags Umstrukturierung und klare Linie funktioniert, die Stimmung im Verein hat sich um 180 Grad gewendet.
Einst war der United-Coach zusammen mit Pep Guardiola beim FC Bayern, Pep trainierte die Profis, ten Hag die zweite Mannschaft des Rekordmeisters. Proaktiv Fußball zu spielen sei das, was er von Guardiola gelernt habe, meinte ten Hag vor dem Duell mit Manchester City - genau das ist auch der neue Stil von Manchester United: Den Gegner dominieren und stets das Spiel kontrollieren zu wollen - ein Hauch von Pep. Direkt und klar soll die Spielweise sein, der Niederländer steht für modernen Fußball, für schnelles und direktes Kombinationsspiel, immer mit der Devise: Zielstrebig vors Tor.
Ten Hag hat aber auch seine eigene Handschrift, seinen eigenen, bemerkenswerten Stil. Er gibt seinen Spielern einen klaren Plan mit, coacht sein Team so intensiv wie fordernd durch das Spiel. Jede Unterbrechung wird für ein kurzes Coaching genutzt, der 52-Jährige gibt sich nie zufrieden. "Er hat eine Idee, er hat einen Stil", meinte Bruno Fernandes gegenüber The Athletic über seinen Trainer. "Man muss seine Regeln befolgen. Er ist da sehr streng. Und das gefällt mir."
Wer diese Disziplin, die ten Hag vehement einfordert, nicht liefert, fliegt rigoros aus dem Team. Das bewies der United-Coach in der Vergangenheit mehrmals: Die Mätzchen und Star-Allüren von Cristiano Ronaldo lies ten Hag dem fünffachen Weltfußballer nicht durchgehen - CR7 verlor den Machtkampf, schlussendlich löste der Verein den Vertrag mit dem portugiesischen Superstar auf.
Die Marschroute ist klar: "Wir wollen eine neue Zukunft für Manchester United und er wollte kein Teil davon sein", so ten Hag über das Ronaldo-Aus. Die neue, strenge Linie kommt bei den Spielern gut an, "die Leute können nicht machen, was sie wollen," meinte Linksverteidiger Luke Shaw. "Vielleicht war das in der Vergangenheit ein Teil des Problems."
Auch Derby-Siegtorschütze Marcus Rashford, der sich seit Wochen in Top-Form befindet, fand sich Ende Dezember kurzum auf der Bank wieder, als er ein Teammeeting verschlief. Doch im Gegensatz zu Ronaldo nahm er seine Strafe reumütig an und erzielte nach seiner Einwechslung das entscheidende 1:0-Siegtor gegen Wolverhampton. "Die Disziplin, die er in den Verein gebracht hat, hat die Mentalität des gesamten Vereins verändert, nicht nur die der Spieler", meinte Fernandes über seinen Coach.
Es gibt keine Ausnahmen für Top-Spieler mehr, keine Trainer-Lieblinge, die sich alles erlauben können. Unter ten Hag gilt eisern: Wer sich nicht an die Regeln hält und nicht liefert, spielt nicht. "Jeder muss unsere Standards und Regeln einhalten", so ten Hag. "Das erwarte ich auch auf dem Platz, sonst können wir keinen Erfolg haben."
Auch Harry Maguire musste die Erfahrung des neuen Leistungsprinzips machen, der einstige Rekordtransfer verlor gegen Lisandro Martinez und Raphael Varane seinen Stammplatz.
Die Klasse und das Talent in der Mannschaft ist seit Jahren vorhanden, ten Hag hat nun die Siegermentalität im Team entfacht. Unter ihm entwickelten sich auch jene zu Schlüsselspielern, die der Niederländer im Sommer in den Verein holte. Wie Casemiro, der im Mittelfeld der Red Devils als neuer Ankerpunkt in der Zentrale fungiert, als Sechser große Sicherheit bringt und auch spielerisch glänzen kann.
Christian Eriksen spielt unter ten Hag ebenfalls eine zentrale Rolle, auf der Sechser-, beziehungsweise Achter-Position sorgt er für einen klaren Spielaufbau, hat als Kreativspieler immer Lösungen parat und kann auch Bruno Fernandes mehr entlasten. Diese Mentalitätsspieler hat ten Hag durch seine Philosophie angesprochen, zudem macht er seine Spieler auch besser: Wie Rechtsverteidiger Aaron Wan-Bissaka, der sich in der 78. Spielminute gegen Manchester City aus der Mangel von drei Gegenspielern befreite, den Pass in die Tiefe spielte und so das 1:1 von Fernandes einleitete.
Doch nicht nur gegen Top-Klubs wie City kann United bestehen, das Team von ten Hag hat auch gegen tiefstehende Gegner Lösungen - neben der Siegermentalität ist auch das Selbstbewusstsein wieder da: "Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt keine Angst mehr haben, gegen jeden zu spielen", meinte Fernandes. "In der Vergangenheit konnte man das nicht sehen."
Der Sieg im Manchester-Derby war der neunte Pflichtspiel-Sieg in Folge für ten Hag, das letzte Mal gab es das 2016/2017 unter Jose Mourinho. Zehn Siege in Folge gab es zuletzt in der Ära von Sir Alex Ferguson, mit einem Sieg gegen Crystal Palace am kommenden Mittwoch (21:00 Uhr, live auf Sky) könnte ten Hag in diese Sphäre dringen. Schon jetzt knackte er einen Rekord: Noch nie erreichte ein United-Trainer 20 Siege so schnell wie der Niederländer.
Neun Punkte Rückstand haben die Red Devils aber noch auf den Tabellenersten Arsenal, die das Derby bei Tottenham beeindruckend für sich entschieden. Von einer Meisterschaft will ten Hag daher auch nichts hören, "die Fans können träumen, aber wir tun es nicht", sagte der 52-Jährige nach dem Derby-Sieg und fügte an: "Wir müssen am Boden bleiben, unser Spiel hat noch großes Verbesserungspotential."
Genau dieses Streben nach Höherem, die Mentalität, nie zufrieden zu sein, hat ten Hag neu implementiert. Er hat die Mannschaft zu einer Einheit, einem Team geformt, das ihm folgt.
Bis zur Meisterschaft ist es noch ein weiter Weg, doch die Richtung auf eine erfolgreiche Zukunft in den kommenden Jahren unter Erik ten Hag ist richtig gesetzt. Die Renaissance der Red Devils hat begonnen.