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Markus Gisdol im exklusiven Sky Interview über seine Zeit bei Samsunspor

Retter Gisdol verlässt Samsunspor: "Meine Mission ist erfüllt"

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Markus Gisdol verlässt die Türkei. Über die Gründe für das Ende bei Samsunspor spricht der Ex-HSV-Coach im exklusiven Sky Interview.

Die Mission war anspruchsvoll. Einige hielten sie gar für aussichtslos. Markus Gisdol hat sich dennoch auf die Aufgabe eingelassen und nicht nur wertvolle Erfahrungen gesammelt, sondern auch einen beachtlichen Erfolg erzielt. Samsunspor hält souverän die Klasse. Der Ex-HSV-Coach verlässt die Türkei. Über die Gründe spricht der 54-Jährige im exklusiven Sky Interview.

Sky: Sie haben Samsunspor im Oktober mit einem Punkt auf dem letzten Platz übernommen. Inzwischen sind 42 Zähler dazugekommen und der souveräne Klassenerhalt ist gelungen. Wie haben Sie das gemacht?

Gisdol: Mit sehr harter Arbeit auf vielen Ebenen. Die Spieler haben mir sehr schnell vertraut. Anders ging es auch nicht. Wir haben angefangen und drei Tage später war das erste Spiel. Die zusätzliche Herausforderung bei dieser 20er-Liga ist, dass es vier direkte Absteiger gibt. Wenn man da vom letzten Platz startet, ist das schon anspruchsvoll. Vor allem in der Nachbetrachtung bin ich aber unheimlich froh und dankbar, dass ich diesen Schritt gemacht habe.

Sky: Wie ist es Ihnen gelungen, so schnell das Vertrauen in Ihren Weg herzustellen?

Gisdol: Der Schlüssel aus meiner Sicht ist, dass man Beziehungen herstellt, den Spielern ehrlich gegenübertritt und offen über den Weg redet, den man einschlagen will. Natürlich gibt es immer mehrere Möglichkeiten, aus schwierigen Situationen herauszufinden. In einer Situation wie der damaligen war es wichtig, sich für einen Weg zu entscheiden - das habe ich den Spielern gesagt. Wir haben geilen Angriffsfußball gespielt. Das hat richtig Spaß gemacht. Durch alle Höhen und Tiefen haben wir dann aber auch immer wieder ein Stück weit angepasst. Man darf nicht starr auf ein Konzept beharren, sondern muss immer wieder überprüfen, was am besten zur Lage passt.

Wir haben geilen Angriffs-Fußball gespielt. Das hat richtig Spaß gemacht.
Markus Gisdol

Sky: Mit welcher Grundhaltung haben Sie die Aufgabe in der fußballverrückten Türkei angepackt?

Gisdol: Sportlich habe ich versucht, die reichlich vorhandene Emotionalität mit ein bisschen mehr Sachlichkeit zu verbinden. Das hat gut geklappt. Meine grundsätzliche Herangehensweise, auch für mich persönlich, war: Wenn ich in ein fremdes Land gehe, muss ich mich auf die Kultur einlassen. Auf die Art des Fußballs und auf die Menschen. Dazu gehört, dass man auch sprachlich zumindest ein paar Grundlagen beherrscht und jemanden fragen kann, wie es ihm geht. Ich wollte klarmachen, dass ich die Leute ernst nehme. Die Türken sind unheimlich warmherzig und haben mich mit offenen Armen aufgenommen. Auf dieser Basis habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht.

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Sky: Die Herzen der Samsun-Fans haben Sie im Express-Tempo erobert.

Gisdol: Das war wirklich einmalig. Diese Wertschätzung, diese Liebe - das ist schon außergewöhnlich. Wenn das ganze Stadion den Namen des Trainers ruft, denkst du erst mal, du seist im falschen Film. Die Anerkennung für die harte Arbeit und den Respekt, den man sich gegenseitig gegeben hat, fühlt sich richtig gut an. Und ganz wichtig: Das hat uns sportlich sehr geholfen. Wir haben viele wichtige Punkte zu Hause geholt. Wenn da 30.000 fanatische Anhänger Dampf machen, hört sich das an wie 80.000 Fans in Deutschland. Als wir vor zwei Wochen das große Schwarzmeer-Duell gegen Trabzon gewonnen haben, ist das Stadion beinahe explodiert (lacht).

Sky: Wie wirkt sich die Wertschätzung im Alltag aus? Beim Einkaufen zum Beispiel.

Gisdol: Am Anfang lief das ein bisschen ruhiger ab. Irgendwann hat sich das verändert und es war eigentlich nicht mehr möglich, zehn Meter zu schlendern, ohne auf einen Chai-Tee eingeladen zu werden - pure Emotionalität und eine Form der Zuneigung, die mich stark beeindruckt hat.

Diese Wertschätzung, diese Liebe - das ist schon außergewöhnlich.
Markus Gisdol über die Fans von Samsunspor

Sky: Warum haben Sie nur bis zum Saisonende unterschrieben?

Gisdol: In solchen Situationen halte ich Einjahres-Verträge immer für sinnvoll. In einem anderen Land zu arbeiten bei einem Klub, den ich nicht gut kenne - da ist es wichtig und fair, erst mal zu schauen, wie gut es für alle Seiten passt. Es ist etwas anderes, wenn man in eine gefestigte Struktur reinkommt, dann können langfristige Verträge sinnvoll sein. Hier war es so, dass ich es als eine Art Rettungsmission empfunden habe. Als der Präsident mich angerufen hat, war ich in den USA im Urlaub. Er hat gesagt: Du musst sofort herkommen. Den vermeintlichen Absteiger über den Strich zu wuchten, wird eine unglaublich herausfordernde Aufgabe - das war mir von Anfang an klar.

Sky: Sie verlängern den Vertrag trotz der beachtlichen Erfolgsgeschichte nicht. Warum?

Gisdol: Ich bin sehr dankbar dafür, dass sie mich damals ausgewählt haben, hier ist auch auf der menschlichen Ebene vieles entstanden. Aber beruflich gesehen war dies eine Mission. Die haben wir erfüllt. Ich gehe mit einem sehr guten Gefühl und werde die Menschen in Samsun immer im Herzen tragen.

Aber beruflich gesehen war dies eine Mission. Die haben wir erfüllt.
Marcus Gisdol über die Gründe seines Abschieds

Sky: Hat die Erfahrung Sie als Trainer weitergebracht - vielleicht auch als Mensch?

Gisdol: Ich habe sehr viel gelernt. Die Führung einer Mannschaft in Deutschland ist eine Herausforderung - in der Türkei ist das noch mal etwas ganz anderes. Hier muss man auch mal Dinge tolerieren, die aus der Emotionalität heraus passieren. Am nächsten Tag liegt man sich dann wieder in den Armen. Ich liebe ja auch die deutsche Disziplin, aber hier in der Türkei braucht es einen anderen Maßstab bei Grenzüberschreitungen. Bei taktischen Maßnahmen gibt es keine Kompromisse, aber beim Umgang miteinander ist ein wenig mehr Toleranz erforderlich (schmunzelt). In der Hinsicht offener werden zu müssen, hat mir geholfen, mich als Trainer weiterzuentwickeln. Für mich war es zudem wichtig, diese Sicherheit zu gewinnen, auch auf Englisch alle Inhalte transportieren zu können. Einzelgespräche, Spielansprachen, Matchplan-Meetings - das gehört bei mir jetzt zum Standard-Repertoire.

Sky: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Gisdol: Ich habe dem Präsidenten immer versprochen, dass ich mich komplett auf Samsun konzentriere, bis wir das hier zu einem erfolgreichen Ende geführt haben. Das habe ich eingehalten und dementsprechend nicht mit anderen Klubs gesprochen. Heißt: Ich weiß überhaupt noch nicht, was als Nächstes kommt. Nach dem Abschluss dieser kräftezehrenden Zeit muss ich mich auch einfach mal ausruhen.

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Sky: Ist ein baldiges Comeback in Deutschland denkbar?

Gisdol: Im Moment bin ich im Kopf zu 100 Prozent auf Samsun fokussiert. Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, was danach passiert. Natürlich fühle ich mich als Kind der Bundesliga und schaue die Spiele sehr konzentriert. Das gilt aber auch für die Premier League und die anderen großen Ligen. Es muss einfach passen, das Bauchgefühl muss stimmen - in Deutschland oder anderswo.

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