Matthäus-Kolumne: "Denke bei Abgängen an Coutinho, Martinez, Hernandez und Tolisso"
Matthäus: Quartett nächste Saison nicht mehr im Bayern-Trikot
16.06.2020 | 12:01 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. Diesmal geht es um die strittigen Transferaussagen von Thomas Müller, die Streichliste des FC Bayern und den Showdown in der Bundesliga.
Das Thema rund um den Gehaltsverzicht und die Transfers beim FC Bayern hat für Gesprächsstoff gesorgt. Die Aussagen von Thomas Müller und der "Verdribbel"-Konter von Hasan Salihamidzic werden in der Öffentlichkeit diskutiert und das ist ganz normal. Es geht schließlich um die Bayern und da wird jede Aussage der Beteiligten auf die Goldwaage gelegt. Erst recht, wenn es um Geld geht.
Müller und Salihamidzic machen das Thema - nicht die Medien
Ich finde, man sollte das Thema nicht noch größer machen. Klar ist, dass diese Dinge in der Kabinen besprochen werden, weil es etwas ist, was Profis bewegt. Wer kommt, wer geht, wer verdient wie viel und wieso soll auf Geld verzichtet werden?
Thomas hat seine Aussage im Zusammenhang mit Transfers getätigt und deshalb ist die Interpretation der Öffentlichkeit auch in Ordnung. Nicht die Medien machen das Thema, sondern die Aussagen des Spielers und die verbale "Watschn" des Sportvorstands. Hasan hat Thomas auf die Kritik in Sachen Gehaltsverzicht mit der Fußball-Vokalbel "verdribbelt" geantwortet, und ihn so zur Vernunft aufgefordert. Nur deshalb ist es ein Thema geworden und nicht, weil die Medien etwas falsch interpretiert oder erfunden haben.
Ich bin aber relativ sicher, wenn Leroy Sane und oder Kai Havertz nach München wechseln sollten, dann wird sich auch der Thomas freuen, denn er will mit Sicherheit noch viele große Titel mit Bayern gewinnen und diese Spieler würden definitiv dabei helfen.
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Flick bestätigt Zu- und Abgänge
Eine wichtige Aussage hat Cheftrainer Hansi Flick geäußert, als er auf dieses Thema angesprochen wurde. Hansi hat klar und deutlich gesagt, dass es Transfers geben wird. Ich gehe davon aus, dass er einen rechten Außenverteidiger möchte, einen Flügelspieler, weil er mit Serge Gnabry, Kingsley Coman und Ivan Perisic nur drei hat und einen offensiven, zentralen Mittelfeldspieler. Das dürfte sein Wunschzettel sein. Ob und wie das dann umsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt.
Flick hat selbst bestätigt, dass es auch Abgänge geben wird. Ich denke da vor allem an Philippe Coutinho und Javi Martinez - aber auch an Corentin Tolisso und Lucas Hernandez. Die beiden letzteren sind Weltmeister und wollen selbstverständlich regelmäßig spielen und wichtig für ihre Mannschaft sein.
Ich möchte in Bezug auf diese beiden wirklich nicht über Fehleinkäufe sprechen, denn das sind sie nicht. Sie sind mit Sicherheit gute Fußballspieler, für die es in letzter Zeit sehr unglücklich gelaufen ist. Damit meine ich vor allen Dingen die langen und bitteren Verletzungen, die sie erlitten haben.
Hernandez-Start mit Handicap
Vor allem für Hernandez waren die letzten Monate nicht leicht. Er kam schon aus einer langen Verletzung zu den Bayern, was eine zusätzliche Bürde darstellt. Er wurde mit Sicherheit nicht für 80 Millionen als Linksverteidiger gekauft, obwohl er auf dieser Position mit Frankreich Weltmeister wurde und tolle Spiele abgeliefert hat.
Er kommt also mit einem Handicap zu einem der größten Klubs der Welt in eine fremde Stadt und muss sich ohnehin erst einmal eingewöhnen. Dann verletzt er sich, die Mannschaft spielt ohne ihn herausragend und obwohl Niklas Süle ausfällt, entpuppt sich das Duo Jerome Boateng/ David Alaba zu einem Weltklasse-Innenverteidiger-Pärchen. Damit konnte keiner rechnen.
Was Boateng aus eigener Motivation und mit Hilfe von Flick auf einmal wieder auf dem Platz zeigt, ist kaum zu erklären. Ein Spieler, der mit eineinhalb Beinen bereits den Verein gewechselt hatte, total unzufrieden war und auch vom Leistungs-Niveau seinen Höhepunkt gefühlt überschritten hatte, spielt wieder wie zu seinen besten Zeiten. Auch das war für Hernandez äußerst unglücklich. Hinzu kommt die kometenhafte Entwicklung von Alphonso Davies, der fast aus dem Stand überragend als Linksverteidiger agiert. Schnell, dribbelstark, in der Vorwärts- und Rückwärtsbewegung gleichermaßen gut.
Konkurrenz für Hernandez und Tolisso ist groß
Der Körper, die Top-Leistungen der Mitspieler, ein System, das nicht optimal für Hernandez ist und eher durchschnittliche Leistungen seinerseits, haben dazu geführt, dass er Stand jetzt nicht mehr wirklich glücklich in München wird. Flick wird entsprechend seinem Charakter offen und ehrlich mit ihm sprechen und ihm mitteilen, dass er in naher Zukunft, wenn alles so bleibt, nicht viel mehr Spielminuten bekommen kann.
Ähnlich ist es bei Tolisso. Ihn hat der Kreuzbandriss wie jeden Profi, lange zurückgeworfen. Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld spielen Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Thiago und Thomas Müller seit Monaten wie von einem anderen Stern. Auch er wird von Hansi Flick ähnliche Worte hören wie Hernandez.
Martinez und Coutinho nicht mehr im Bayern-Trikot
Wen soll Flick hier aus dem Team nehmen? Sogar Thiago hat es momentan schwerer als sonst. Flick setzt ohne Wenn und Aber auf Kimmich auf der Sechs. An ihm kommt niemand vorbei. Goretzka ist aus wie eine Maschine aus der Corona-Krise zurückgekommen und Müller spielt immer. Nochmal: Hernandez und Tolisso sind keine Fehleinkäufe, aber die Zeichen stehen ganz klar gegen sie.
Und auch Martinez und Coutinho sehe ich nächstes Jahr nicht mehr im Bayern-Trikot. Und somit werden finanzielle Kapazitäten frei, die wiederum in Transfers und Gehälter investiert werden können. Hansi weiß, dass die höchsten Ansprüche an ihn gestellt werden und dementsprechend wünscht er sich auch eine Top-Truppe. Im Übrigen ist er auch der perfekte Trainer, um langsam aber sicher junge, große Talente aus der Akademie hochzuziehen und neue Stars zu entwickeln.
Es bleibt wie immer äußerst spannend rund um den FC Bayern und das ist auch gut so.
Bremen wird sich retten, Düsseldorf steigt ab
Extrem spannend geht es auch noch in vielen Regionen der Bundesliga-Tabelle zu. Fortuna Düsseldorf, Mainz 05 und Werder Bremen machen den Abstieg unter sich aus. Nach dem Sieg der Augsburger in Mainz werden diese drei Teams am Ende Platz 15, 16 und 17 belegen.
Der nächste Spieltag sieht danach aus, als ob keiner dieser Klubs punkten könnte. Sie spielen gegen RB Leipzig, Borussia Dortmund und den FC Bayern. Aber danach kommt es am 33. Spieltag zum Showdown zwischen Mainz und Bremen, sowie dem Duell der Düsseldorfer gegen die wohl geretteten Augsburger. Am letzten Spieltag der Saison empfängt Bremen den 1. FC Köln, Düsseldorf muss zu Union Berlin und Mainz darf nach Leverkusen.
Es ist wirklich schwer vorherzusehen, wie dieses fußballerische Drama ausgehen wird. Aber ich glaube, dass sich Bremen rettet und die Fortuna direkt absteigt. Die Düsseldorfer haben sich zu oft verdribbelt und viel zu viele Punkte nach Führungen verschenkt. Das rächt sich oft im Fußball und könnte auch jetzt der Fall sein. Klar ist nur eins: Es bleibt spannend bis zum letzten Pfiff und wie immer wird es viele Tränen geben. Die der Freude und solche der Verzweiflung. Allerdings steht nach 34 Spieltagen immer derjenige auch dort, wo er es verdient hat. So hart das dann für einige ist.
Qualifiziert sich Freiburg für Europa?
Eine Menge Spannung herrscht auch noch im Kampf um die europäischen Plätze. Leverkusen und Gladbach trennt nur ein Punkt um Platz vier. Der ist für diese Vereine so wichtig, wie für die Bayern der Titel. Gladbach hat in den letzten Wochen total unnötig Punkte verschenkt. Punkte die sie absolut verdient hätten, sogar in München. Nun müssen Rose und sein Team noch gegen Wolfsburg, in Paderborn und gegen die Hertha ran. Die Mannschaft rund um Kai Havertz empfängt Köln, reist nach Berlin und empfängt Mainz. Auch hier dürfte alles am letzten Spieltag gegen 17:15 Uhr entschieden werden.
Nicht anders ist es im Werben um die Plätze sechs und sieben. Hier trennen Hoffenheim (43) und die Sensation aus Freiburg (42) nur ein einziges Pünktchen. Wolfsburg ist mit 46 Zählern Sechster und selbst die Schalke können mit aktuell 39 Punkten und Platz neun noch von Europa träumen.
Man hätte denken können, dass Christian Streich und die Seinen irgendwann ein wenig einbrechen und nicht so weiter machen wie zu Beginn der Saison. Aber weit gefehlt. Was dieser Mann mit diesen finanziellen Möglichkeiten in diesem Umfeld seit vielen Jahren fußballerisch leistet, ist unglaublich. Meinen allergrößten Respekt.
Ich drücke allen Mannschaften die Daumen und freue mich für uns Fans, dass unsere tolle Liga attraktiv und spannend bleibt. Und vor allem freue ich mich darüber, dass es ganz danach aussieht, dass wir es wirklich schaffen, unter diesen extrem erschwerten Bedingungen unseren Vorzeige-Wettbewerb gesund und erfolgreich zu Ende zu bringen. Das ist ein tolles Zeichen und zeigt, dass es doch immer einen Weg gibt, egal wie aussichtslos es anfangs erscheinen mag.