Matthäus-Kolumne zu möglichen Havertz-Transfer zum FC Bayern, die Münchener Triple-Chancen sowie Sane und Alaba
Matthäus: So könnte Havertz doch noch zu Bayern wechseln
07.07.2020 | 11:03 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. Diesmal geht es um einen möglichen Transfer von Kai Havertz, die in der Schwebe stehende Vertragsverlängerungen von Thiago und Alaba, sowie zu den Chancen von Robert Lewandowski bei der Wahl zum Weltfußballer.
Herzlichen Glückwunsch an den FC Bayern. Sie haben wie bereits im letzten Jahr das Double geholt. Das alleine ist Beleg genug, dass Hansi Flick und seine Mannschaft eine fantastische Saison gespielt haben. Auch der DFB-Pokal geht total verdient nach München. Gegen Leverkusen hat der Rekordmeister erneut gezeigt, mit wie viel Spielfreude, Qualität und Siegeswille dieses Team seit Monaten zu Werke geht.
Es passt beim FCB aktuell einfach alles zusammen. Gegen die Mannschaft von Peter Bosz hätte Bayern bereits in der ersten Hälfte noch viel höher führen können, wenn die Torchancen ein bisschen besser genutzt worden wären. Das lag wie so oft an der unglaublichen Qualität auf der einen Seite, aber auch an der personellen und taktischen Aufstellung von Leverkusen. Sie hatten zwar zu Beginn mit Diaby, Havertz und Bailey drei schnelle Spieler in der Offensive, die müssen aber auch von jemandem in Szene gesetzt werden. Da Kai Havertz von Bosz zunächst ganz vorne eingesetzt wurde, fehlte der Passgeber aus dem Mittelfeld.
Mit Thiago & Coutinho kam die Kontrolle zurück
Ebenso hatte Bayer nicht die Erfahrung und Klasse auf dem Feld, die nötig gewesen wäre, um Bayern wirklich Paroli zu bieten. Eine richtige Nummer 9 hätte mit Sicherheit auch nicht geschadet. So ganz war die Marschroute der Leverkusener für mich nicht verständlich. Und so kam es, wie es kommen musste und der Pokal ging wie so oft an die Säbener Straße.
Allerdings habe ich in der zweiten Hälfte festgestellt, dass die letzten Wochen auch am FC Bayern nicht spurlos vorbeigegangen sind. Die nicht einfache Vorbereitung auf den Neustart nach Corona, die intensive Zeit der letzten Wochen, das Hochhalten der Konzentration bis die Meisterschaft beeindruckend eingefahren wurde, hat auch bei dieser Spitzen-Mannschaft in der zweiten Halbzeit zu einem Konzentrations- und Tempoverlust geführt.
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Leverkusen kam dann auch zu einigen guten Chancen und hätte das Finale durchaus nochmal spannend machen können. Sie sind mit ihren Möglichkeiten aber nicht konsequent umgegangen und mit der Hereinnahme der frischen Spieler wie Thiago und Coutinho hatte Bayern dann wieder die absolute Kontrolle.
Chelsea ist zu 99,9 Prozent ausgeschaltet
Die Bayern haben jetzt als erstes Spitzenteam in Europa circa einen Monat Pause, bis es für sie in diesem sogenannten Champions-League-Turnier um das Triple geht. Ich war zunächst der Meinung, dass diese spielfreie Zeit ein Nachteil für Lewandowski und Co ist, habe meine Meinung diesbezüglich aber geändert. Ich vergleiche diese Wochen nun ein wenig mit der Bundesliga-Pause vor der Corona-Unterbrechung. Kein Team ist so gut aus diesem Zwangs-Stopp gekommen, wie Bayern München. Sie haben seitdem alle Spiele eindrucksvoll gewonnen.
Hansi Flick und sein Trainer-Team haben die Mannschaft in diesen Wochen körperlich und mental offensichtlich so gut eingestellt, wie es kaum besser ging. Die Spieler sind mit einem Hunger und einer Motivation in den Startblöcken gewesen, wie man sie selten erlebt hat. Nun kommt noch hinzu, dass die Bayern beide nationale Titel bereits errungen haben und die Stimmung nicht besser sein könnte. Die nächsten Tage dürfen nun zur Regeneration mit der Familie genutzt werden. Danach sind die Akkus komplett und mit positiver Energie aufgeladen für das noch größere Ziel.
Und selbst der oft zitierte fehlende Wettbewerbs-Modus für die Bayern ist kein wirkliches Argument. Denn sie dürfen ja zunächst das Rückspiel gegen den FC Chelsea absolvieren. Eine Partie gegen einen richtig guten Gegner, dem man aber nach dem 3:0 in London bereits zu 99,9 Prozent ausgeschaltet hat. Und spätestens dann, ist man bereit für den ganz großen Wurf. Die meisten anderen Mannschaften, die noch dabei sind, kämpfen bis kurz vor Beginn der Champions League um die nationale Meisterschaft und dürften körperlich in keiner besseren Verfassung als die Münchner sein, wenn man aufeinander trifft. Paris hat eine unglaublich lange Pause. Real und Barca fighten noch hart um die spanische Meisterschaft. Ich sehe auch in der Champions League viele positive Faktoren zu Gunsten der Bayern.
Will mir Alaba in keinem anderen Trikot vorstellen
Wenn ich momentan in der Haut von Thiago oder David Alaba stecken würde, gäbe es auch eine Menge positiver Faktoren zu Gunsten des FC Bayern. Ich sehe sportlich und wirtschaftlich und in der nicht nur, aber vor allem in der heutigen Zeit keinen Verein, bei dem man es besser haben könnte. Der Trainerposten ist mit Hansi Flick überragend besetzt. Und auf der Chefebene ist aktuell mit Karl-Heinz Rummenigge und in Kürze mit Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic auch alles in wirklich guten Händen.
Aber natürlich ist es auch so, dass Spieler irgendwann nochmal Lust auf eine neue Liga, eine neue Herausforderung und einen neuen Klub haben können. Bei Thiago bin ich mir ziemlich sicher, dass die Zeichen auf Abschied stehen. Welchen Grund hätte er sonst, dass Angebot der Bayern noch nicht angenommen zu haben? Liverpool steht offensichtlich hoch im Kurs bei ihm und er würde absolut in den Fußball und die Mannschaft von Jürgen Klopp passen.
Er hat sich in München zu einem noch besseren und kompletteren zentralen Mittelfeldspieler entwickelt. Er ist vor allem unter Hansi zu einem aggressiveren und taktisch überragenden Profi geworden. Bei Alaba ist es ehrlich gesagt einfach so, dass ich ihn mir nicht in einem anderen Trikot vorstellen kann und will. Er ist zu einer Bayern-Institution geworden. Er hat sich nochmal neu erfunden auf der Position des Innenverteidigers. Was er dort seit Monaten abliefert, ist einfach nur unglaublich. Deshalb hoffe ich für den Klub, die Fans, die Mannschaft und den Trainer das David bleibt. Es gäbe niemanden, den das nicht freuen würde.
Sane bringt Tempo, Dribbling, Vorlagen und Torgefahr
Ich denke, auch Leroy Sané hätte nichts dagegen, mit Alaba in einer Mannschaft zu spielen. Mit Leroy bekommt Bayern die nächste fußballerische Top-Attraktion. Seine lange Verletzung und die Corona-Zeit haben es ermöglicht, ihn zu einem fairen Preis von Manchester City zu bekommen und die Bayern haben nun neben den anderen tollen Flügel-Flitzern Coman, Gnabry und Perisic eine weitere Top-Personalie. Jetzt müssen keine Verlegenheits-Lösungen mehr auf den Außen eingesetzt werden wie Thomas Müller oder Leon Goretzka.
Flick bekommt mit Leroy Tempo, Dribbling, Vorlagen und Torgefahr von allerhöchster Qualität. Und wie schon oft erwähnt, würde auch Kai Havertz der Mannschaft nochmal einen drauf setzen. Karl-Heinz Rummenigge hat jedoch erwähnt, dass auch für Bayern München ein solcher Transfer in diesem Sommer mit allen bekannten wirtschaftlichen Umständen aktuell nicht zu stemmen sei - und das kaufe ich ihm zu hundert Prozent ab.
Das ist kein Taktieren oder Pokern. Die Bayern sind und waren immer ein Verein, der intelligent mit Blick in die Zukunft investiert und niemand der sich etwas kauft, was er sich nicht leisten kann. Wenn ein noch größerer Klub als Leverkusen das Geld auf den Tisch legt, dass sich Rudi Völler und die Leverkusener für Havertz wünschen, dann steht ein Wechsel in diesem Sommer für mich fest, denn der Junge möchte verständlicherweise den nächsten Schritt machen.
Weltfußballer: Drücke Lewandowski die Daumen
Da Rummenigge und Völler ein langes und gutes Verhältnis haben, weiß Kalle ganz genau, was das für ein finanzielles Paket wäre und das geht nach dem Sané-Transfer eben jetzt nicht. Außer Thiago und Alaba würden den Klub in den nächsten Wochen verlassen und die Bayern bekommen auf der einen Seite gute Ablösesummen und sparen sich die hohen Gehälter der beiden. Dann könnte es vielleicht doch für den Erwerb des Mega-Talents aus Leverkusen reichen.
Ob es für Lewandowski zum Weltfußballer-Titel reicht, werden wir sehen. Aber er hätte es nach dieser überragenden Saison total verdient. Er ist in jedem Wettbewerb der beste Torschütze. In der Bundesliga, im Pokal und in der Champions League gibt es aktuell niemand erfolgreicheren vor dem Tor. Er hat das Double geholt und sollten die Bayern in der Königsklasse auch noch ins Finale kommen, gibt es für mich keine Alternative zum Weltfußballer Robert Lewandowski. Es wäre für ihn, die Bayern und die Bundesliga ein großartiges Zeichen. Ich drücke ihm die Daumen.