Matthäus-Kolumne: "So sehe ich das"
08.10.2019 | 17:33 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. Diese Woche blickt er auf das Duell zwischen Borussia Dortmund gegen Tottenham Hotspur und den Meisterschaftskampf.
Morgen ertönt wieder die Champions-League-Hymne. Ich freue mich darauf, Borussia Dortmund gegen die Tottenham Hotspurs im Achtelfinal-Rückspiel der Königsklasse live bei Sky zu sehen (ab 19:30 Uhr auf Sky Sport 2 HD). Nach dem 0:3 im Hinspiel ist der BVB klarer Außenseiter. Das soll nicht heißen, dass ich den Dortmunder nicht zutraue, vor dem eigenen, phantastischen Publikum drei Tore zu schießen. Das haben sie bereits gegen Atletico Madrid bewiesen und das werden sie sich auch als Motivation in Erinnerung rufen.
Aber im Gegensatz zur Vorrunde, ist es nun ein K.o-Spiel. Atletico wusste von vornherein, dass es eine Niederlage verkraften kann. Nun muss der BVB ein Wunder vollbringen. Ich habe das Spiel der Dortmunder live in Wembley verfolgt. Sie haben zunächst mitgehalten, sind aber in der zweiten Hälfte untergegangen. Tottenham hält nicht umsonst seit Jahren mit den Spitzenteams der Premier League mit. Sie haben eine Körpersprache, eine Kompaktheit, eine Ausstrahlung und eine fußballerische Klasse, die sich sehen lassen kann.
Ihr zentraler Mittelfeldspieler Eriksen ist herausragend. Zudem ist Weltklasse-Stürmer Harry Kane wieder mit von der Partie. Die Dortmunder sollten dieses Spiel nutzen, um sich das verloren gegangene Selbstvertrauen für die Bundesliga wieder zurück zu holen und den negativen Moment wieder zu drehen. Wer weiß, vielleicht gehen sie in die Geschichte ein und schaffen das Unmögliche.
Die Spieler sollten sich auf jeden Fall, auch wenn die Chance aufs Weiterkommen gering ist, den Hintern aufreißen. Das haben sie in letzter Zeit nicht gemacht und die Leichtigkeit ist ihnen abhandengekommen. Vor allen Dingen aber die Konzentration. Wie so ein Spiel dann ausgeht, liegt auch noch an Kleinigkeiten. Pfosten oder drin, Abseits ja oder nein. Die Spiele gegen Hoffenheim, im Pokal gegen Bremen, bei Tottenham oder in Augsburg zeigen, dass der BVB wieder bis zur letzten Minute mehr aus sich rausholen muss. Auch der Sieg gegen Leverkusen war letztendlich glücklich.
Die Mannschaft ist nicht mehr in der Lage, den Gegner zu dominieren und damit meine ich, ihn bis zum Abpfiff zu beherrschen. Ich bin sicher, dass es einige gibt, die immer noch ganz zufrieden sind. Zehn Spieltage vor Schluss ist man, wenn auch hauchdünn, immer noch vor den Bayern. Aber man hat eine sehr große Chance verspielt. In den letzten sieben Spieltagen, haben die Bayern sieben Punkte aufgeholt, insgesamt jetzt neun. Da kann man noch nicht von einer herausragenden Saison sprechen.
Man ist im DFB-Pokal raus, in der Champions League ist höchstwahrscheinlich Schluss im Achtelfinale und die Bayern stehen, wenn es so weiter geht, sehr bald auf Platz 1. Dortmund hat die große Chance versäumt, die Bayern auf Abstand zu halten und das, obwohl der Rekordmeister eine Schwächephase hatte, und die schwächste Saison seit über sechs Jahren spielt. Dass man das Wort Meisterschaft selbst nach einem so großen Vorsprung nicht in den Mund genommen hat, war für einige Spieler ein Alibi. Man sollte so selbstbewusst sein, das große Ziel auszusprechen.
Die Bayern haben das sogar getan als es schlecht lief. Das vermisse ich bei Borussia Dortmund. Sie haben die Chance immer noch, nach der enttäuschenden letzten Saison und der jahrelangen Dominanz der Bayern, mal wieder Deutscher Meister zu werden. Aber sie müssen die Kurve kriegen. Junge Spieler müssen mit Erfolg umgehen können und ihn vergolden wenn's drauf ankommt.
Das Momentum spricht jetzt ganz klar für den FC Bayern München. Sie haben in Gladbach das beste Spiel der Saison abgeliefert und das, obwohl auf der Ersatzbank so gut wie kaum Alternativen waren, die Druck auf die erste Elf ausgeübt haben. Das Einzige was den Bayern noch in die Quere kommen kann, ist Unruhe. Spieler wie Robben, Ribery oder James müssen sich einordnen. Wenn Sie das für den Rest der Saison tun, dann ist der FC Bayern ab jetzt wieder der Titelfavorit.
Kovac, die Bosse und das Team haben die Krise meisterhaft überstanden und es sieht nicht so aus, als würden sie sich weitere Blößen geben. Im Pokal sehe ich als einzigen Stolperstein ein mögliches Halbfinale in Leipzig. Und sie haben sogar das Zeug zum Triple. Ich bleibe dabei, dass Liverpool für mich der Champions League Favorit ist. Aber wenn die Bayern das Team von Jürgen Klopp nächste Woche vor eigenem Publikum aus dem Wettbewerb werfen, gehören sie zu den Teams, die diesen Wettbewerb gewinnen können, wie ich bereits vor der Saison sagte.
Wer sich dann so eindrucksvoll aus einer schweren Phase herauskämpft, dem traue ich alles zu. National kann Bayern einfach am besten mit diesen Situationen umgehen. Mit Lob, Platz 1 in der Tabelle und Schulterklopfern kann das eben nicht jeder. Und deshalb sind sie jetzt für viele der Favorit in der Meisterschaft. Dortmund hat den Vorsprung verspielt, weil sich viele Gegner, auch sogenannte kleine, auf das BVB-System eingestellt haben und gegen sie punkten. Dem BVB ist die Konzentration abhanden gekommen und das kostet sie wahrscheinlich die Schale.