Matthäus zum Kovac-Deal: Ein Gespräch hat da nicht gereicht
Matthäus-Kolumne: "So sehe ich das"
16.04.2018 | 11:17 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner neuen Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt auf skysport.de. Dieses Mal dreht sich alles um Niko Kovac, den der FC Bayern als neuen Trainer ab der kommenden Saison verpflichtet hat - und den damit verbundenen Streit zwischen den Münchnern und Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic.
Zwischen den Bayern und Eintracht Frankfurt gibt es aktuell einige Meinungsverschiedenheiten nachdem bekannt wurde, dass Niko Kovac zum FC Bayern wechselt. Ich kann alle Parteien verstehen. Sowohl Fredi Bobic als auch die Bayern.
Aber ich verstehe auch die Journalisten, die diese Fragen jetzt stellen müssen. Auch an Uli Hoeneß. Auch wenn die Journalisten nicht die Staatsanwaltschaft sind. Es gibt nun mal viele Fragen zur aktuellen Situation und zur Entstehung der Einigung zwischen Niko Kovac und dem FC Bayern.
Es besteht leider auch die Gefahr, dass die Freundschaft zwischen Kovac und Bobic darunter leidet. Denn so wie die Beteiligten uns weismachen wollen, dass die Vertragsgespräche gelaufen sind, kann man das ehrlich gesagt nicht glauben.
Die Sache ist einfach nicht ganz klar. Verständlich, dass die Bayern ihren neuen Trainer schützen wollen. Aber die Erklärungsversuche der Bayern und von Kovac sind in meinen Augen nicht glaubhaft. Niko hat diesen Vertrag bei Eintracht Frankfurt, in dem er für einen Sockelbetrag von circa 2,5 Millionen Euro aussteigen konnte.
Hinzu können garantiert noch weitere Summen kommen, wenn er bei seinem neuen Arbeitgeber gewisse Erfolge erreicht. Der FC Bayern war der einzige deutsche Verein, für den die Chance bestand, diese Klausel zu ziehen. Die beiden anderen Klubs waren Real Madrid und der FC Barcelona.
Von dem her, haben die Bayern alles richtig gemacht und diese Klausel gezogen, als sie sich dazu entschlossen haben, Kovac zum neuen Chef-Trainer zu machen. Dies ist aber garantiert nicht in einem einzigen Gespräch am Donnerstag entschieden worden.
Situation wird wieder abkühlen
Es gab mit Sicherheit mehrere Vertragsgespräche in den letzten Wochen und Monaten zwischen dem FC Bayern und der Seite von Niko Kovac. Man kennt sich schon länger sehr gut. Ich bin sicher, dass sich die Situation in den nächsten Tagen beruhigen wird, aktuell ist es aber das Top-Thema. Auch die fragwürdigen Äußerungen haben dazu geführt, dass dies in den nächsten Tagen noch für Aufsehen sorgt und selbst das Halbfinalspiel zwischen Bayern und Real etwas in den Hintergrund geraten ist.
Fakt ist: Bayern München hat diese brisante Information nicht an die Presse weitergeben, Eintracht Frankfurt auch nicht. Die Bayern haben sich völlig korrekt verhalten. Sie haben den Wunsch akzeptiert, dass Niko Fredi als erstes informiert und ihm sagt, dass er nächstes Jahr bei Bayern arbeitet. Doch die Exklusivmeldung von Bild und Sportbild kam ihm eben zuvor. Wer auch immer der Informant war. Es waren am Ende einfach zu viele Menschen involviert und deshalb ist es jetzt offiziell.
Doch wieso ist es ausgerechnet jetzt herausgekommen? Es ist bekannt, dass Ausstiegsklauseln meistens terminiert sind. Sollte der 15. April festgehalten worden sein, würde das aktuell Sinn machen.
Stand jemand unter Druck?
Der Verdacht von Fredi Bobic mag vielleicht im ersten Augenblick - aus seiner Sicht - verständlich sein, aber er täuscht sich in diesem Punkt. Ich kann seine Enttäuschung verstehen, denn er verliert seinen tollen Trainer, erfährt es aus der Öffentlichkeit, die Erfolgsgeschichte bekommt erst mal einen Dämpfer und der Zeitpunkt ist für Frankfurt extrem ungünstig.
Für das Ligaspiel der Frankfurter in München sehe ich keine großen Probleme, das wird kein besonders heißes Spiel. Natürlich ist die Entwicklung jetzt an den Frankfurter Spielern nicht spurlos vorbeigegangen, aber so ist eben das Geschäft. Wir sprechen immer über Druck, Öffentlichkeit und Schlagzeilen. Das gehört zum Fußballer-Alltag. Ganz einfach.
Auch an Niko scheinen die letzten Tage nicht spurlos vorbeigegangen zu sein. Das habe ich vor allem an den Interviews gemerkt. Die waren nicht mehr so klar und deutlich sowie offen, ehrlich und direkt. Das Bild hat sich aktuell etwas verschoben. Er ist oft ausgewichen, wirkte unsicher und hat das eine oder andere wohl ein bisschen verheimlicht. Sowohl bei den Pressekonferenzen als auch vor und nach dem Spiel gegen Leverkusen.
Kovac mit ausreichender Erfahrung
Bezüglich der Fähigkeiten von Niko Kovac die Bayern zu trainieren, obwohl er als Coach noch keine Titel gewonnen hat, muss ich sagen: Er hat in den letzten zweieinhalb Jahren in der Bundesliga in jeder Hinsicht, sportlich und persönlich, überragende Leistungen geboten.
Ich habe ihn damals als Salzburg-Trainer verpflichtet, um einen verlängerten Arm auf dem Platz zu haben. Als Leader, Anführer, Platzhirsch. Man sollte nicht vergessen, wie viel Erfahrung er vor seiner Trainerkarriere gesammelt hat. Er hat schon als Spieler wie ein Trainer gedacht und war kein gewöhnlicher Profi. Er hat immer über den Tellerrand hinaus geschaut.
Viele Beobachter stellen sich oft die Frage, ob die Bayern-Spieler einem Trainer den nötigen Respekt und das Vertrauen entgegen bringen, der im Gegensatz zu ihnen, keine großen Titel gewonnen hat. Ja, das tun sie. Wichtig ist dabei, dass die Klubführung den Spielern auch vermittelt und vorlebt, dass sie den Trainer total unterstützt und von ihm überzeugt ist.
Die Bayern haben einen Trainer bekommen, der Bayern München und die Bundesliga kennt. Er hat eine tolle Ausstrahlung. Und ich muss ganz klar sagen, dass es eine größere Leistung ist, mit Frankfurt in das Pokalfinale einzuziehen und aus einem Abstiegskandidaten einen Champions-League-Anwärter zu machen als mit Bayern Meister zu werden. Kovac hat in Zusammenarbeit mit Bobic nicht 100 Prozent, sondern 120 Prozent herausgeholt. Und ich hoffe sehr, dass die aktuelle Situation nichts an der Freundschaft von Niko und Fredi ändert. Sie sollten sich jetzt zusammensetzen und alles ausräumen.
Ruhe und Klarheit in München
Rein von der sportlichen Planung her betrachtet, hat der FC Bayern an allen wichtigen Punkten - vor den Wochen der Wahrheit - für Ruhe und Klarheit gesorgt. Sie haben sowohl in der Trainer-Frage, als auch bei den Vertragsverhandlungen mit Robben und Ribery vor den K.o.- Spielen gegen Leverkusen und Real Madrid klare Verhältnisse geschaffen und müssen keine Störfaktoren diesbezüglich mehr fürchten. Die Fragen, die den Klub seit Monaten öffentlich begleiten, sind zum perfekten Zeitpunkt beantwortet worden.
Am Ende muss man sagen, dass im knallharten Bundesligageschäft jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Das ist nichts Neues, aber wenn der FC Bayern involviert ist, ist das Thema eben größer, als bei allen anderen Klubs.