Miroslav Klose steht kurz davor, beim FC Bayern München vom U17-Trainer zum Assistenten von Chef-Coach Hansi Flick aufzusteigen. Eine Entwicklung - die bei einem Blick auf den Menschen Klose - nicht überraschend kommt.
15. April 2000, Samstagnachmittag kurz nach 17 Uhr: Es läuft die 76. Spielminute in der Partie zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Frankfurt. Die Pfälzer führen unter Coach Otto Rehhagel mit 1:0 - gleichzeitig auch der Endstand der Begegnung.
Rückblickend war allerdings nicht das Resultat der wichtigste und die folgenden Fußball-Jahre prägende Aspekt, sondern die Einwechslung, die König Otto vorgenommen hat. Für den damaligen Stamm-Stürmer Jörgen Pettersson kam der 20-jährige Miroslav Klose ins Spiel und feierte damit sein Profi-Debüt in der Bundesliga - ohne Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum eines großen Klubs, sondern lediglich mit Regionalliga-Erfahrung (FC Homburg und Kaiserslautern II) und einer langjährigen Vergangenheit beim kleinen Bezirksliga-Verein SG Blaubach-Diedelkopf.
Klose: "Habe dem Fußball früh alles untergeordnet"
Der unscheinbare, introvertierte Angreifer sollte im Folgenden eine Bilderbuch-Karriere als Fußball-Profi hinlegen, die jedoch nicht zufällig zustande kam. Jeden Karriereschritt, den Klose ging, erarbeitete sich der im polnischen Opole geborene Stürmer selbst - mit für ihn typischen und für die glamouröse Fußball-Welt eher untypischen Eigenschaften, die ihn auch noch heute - als Trainer - auszeichnen: Wille, Fleiß und Empathie.
"Fünfzig-Fünfzig, würde ich sagen", antwortete Klose im vergangenen Winter bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, ob bei ihm Talent oder Wille überwogen habe. "Schnelligkeit und Sprungkraft habe ich von meinen Eltern vererbt bekommen. Das andere war die Einstellung, die Bereitschaft. Ich habe dem Fußball früh alles untergeordnet, bin nicht in die Disco gegangen, sondern habe jedem gesagt: Ich will Fußballprofi werden. Einige haben mich dafür belächelt. Wenn ich jetzt noch mal 17 wäre, dann gehe ich davon aus, dass ich es wieder schaffen würde. Weil ich diese Einstellung habe, diesen unbändigen Willen, das ist irgendwie in mir drin", so Klose weiter.
Klose startet erfolgreiche Karriere - mit Höhepunkt Brasilien
Sein Verzicht auf das typische Leben im Teenager-Alter hat sich rückblickend ausgezahlt. Denn nach drei Jahren bei seiner ersten Profi-Station 1. FC Kaiserslautern führte sein Weg über den SV Werder Bremen bis hin zum deutschen Rekordmeister FC Bayern München, mit dem er zweimal das Double gewann. Von 2011 bis 2016 sammelte Klose bei Lazio Rom zudem noch reichlich Auslandserfahrung und entwickelte sich so nochmals als Mensch weiter. Beispielhaft sei eine bestimmte Aktion angeführt, als Klose einen Treffer mit der Hand erzielte, dies jedoch umgehend beim Schiedsrichter anmerkte und daraufhin von einer ganzen Nation als ehrlicher und empathischer Mensch gefeiert wurde.
Mit dem deutschen Nationalteam bejubelte Klose den Weltmeister-Titel 2014 in Brasilien - unter anderem gemeinsam mit dem heutigen Bayern-Cheftrainer Hansi Flick, der seinerzeit Assistent von Bundestrainer Joachim Löw war - und avancierte am Zuckerhut gleichzeitig zum Rekordtorschützen bei Weltmeisterschaften. Insgesamt traf Klose bei interkontinentalen Turnieren stolze 16-Mal.
Kloses Vorgänger: Ehemalige Superstars, die heute Trainer sind
Lernbegieriger Klose geht bei Löw in die Lehre
Trotz aller Erfolge blieb Klose immer bescheiden, fleißig und lernbegierig. "Ja, das ist eine Charaktereigenschaft von mir, dass ich immer dazu lernen möchte, und dass ich mir Dinge selbst beibringen konnte. Das war früher schon beim Klavierspielen meiner Schwester so. Ich stand daneben, habe ihr auf die Finger geschaut, und danach konnte ich schon ein bisschen selbst spielen. So war das auch beim Tennis oder beim Golf. Mich hat das immer fasziniert, Dinge von anderen abzuschauen", gewährt der ehemalige Weltklasse-Stürmer einen tiefen Einblick in seine Person.
Und genau dies tat er auch nach seiner aktiven Fußballer-Karriere, die er 2016 beendete. Klose wusste sofort, wohin sein weiterer Weg führen soll - nämlich an die Seitenlinie auf die Trainerbank. Als Lehrling absolvierte er ein Praktikum beim DFB und erlernte so den Trainer-Job von der Pike auf - und das bei keinem Geringeren als bei Weltmeister-Trainer Löw.
"Als Miro von 2016 bis 2018 unser Trainerteam der Nationalmannschaft unterstützte, merkte man ihm das Interesse, die Leidenschaft und Expertise für den Trainerberuf an", erklärte DFB-Direktor Oliver Bierhoff im Rückblick auf diese Zeit.
Klose mit erfolgreicher Zeit bei Bayerns U17
2018 folgte Kloses nächster Schritt, der gleichzeitig auch ein Schritt zurück an eine alte Wirkungsstätte war. Fortan führte er die Geschicke der U17 des FC Bayern München - und das als verantwortlicher Cheftrainer. In seiner ersten Saison erreichte er auf Anhieb das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft und auch in der aktuellen Spielzeit, die derzeit wegen der Corona-Krise unterbrochen ist, steht sein Team auf Platz drei der Bundesliga Süd gut da.
Insgesamt kommt Klose bei der Münchner U17 auf 49 Spiele als Cheftrainer und holte dabei im Schnitt 2,22 Punkte. Kein Wunder also, dass Sportdirektor Hasan Salihamidzic ihn im zurückliegenden Sommer zur U19 befördern wollte. Doch Klose zeigte erneut seine Charaktereigenschaft und boxte seinen starken Willen durch. Klar wollte er den nächsten Schritt machen, aber nicht in diesem Tempo. Er wollte weiter als U17-Cheftrainer lernen und seinen klaren Plan verfolgen.
Flick: "Miro wäre eine Bereicherung für das Trainerteam"
Nun führt in dieser mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - und etwas Verzögerung - direkt in die Profi-Mannschaft des erfolgreichsten Fußballvereins Deutschlands. Flick will seinen früheren Weggefährten von der Nationalmannschaft unbedingt neben sich und bei der täglichen Arbeit mit der Mannschaft haben, denn "Miro wäre eine Bereicherung für das Trainerteam", schwärmt der Bayern-Cheftrainer.
Auch Sky Reporter Torben Hoffmann hält eine zukünftige Zusammenarbeit der beiden für durchaus sinnvoll, gerade weil Flick Kloses Loyalität und Sozialkompetenz zu schätzen weiß. "Es muss ein Vertrauen in die gemeinsamen Handlungen da sein. Beide schätzen sich, das hat Hansi Flick auch schon mal betont. Es passt einfach."
Doch nicht nur Flick ist von Klose überzeugt, auch sein ehemaliger Spieler Joshua Zirkzee, der mittlerweile regelmäßig im Kader der Profis steht und dort täglich mittrainiert, würde sich über den "Neuzugang" freuen. "Das wäre ein Traum. Ich kenne ihn schon aus der Jugend und hatte auch schon Stürmertraining mit ihm, da lernt man so viel", sagte der 18-Jährige in einem Interview der niederländischen Fernsehsendung VTBL.
Hoffmann: Klose kommt bei den Spielern gut an
Neben dem sportlichen Aspekt bringt Klose - ähnlich wie Flick - eine menschliche Komponente mit. "Er ist ein sehr sympathischer Typ", weiß Hoffmann. "Er war noch nie der große Lautsprecher und kam früher auch deshalb sehr gut bei seinen Teamkollegen an, so wie jetzt auch bei seinen Spielern."
Um sein Trainerprofil noch weiter zu schärfen, absolviert Klose 2020 zudem den Fußball-Lehrer-Lehrgang. "Wer mich kennt, der weiß, dass ich in meinem Leben immer die bestmögliche Ausbildung erreichen möchte. Deswegen freue ich mich schon sehr darauf, den nächsten wichtigen Schritt in meiner Trainerausbildung machen zu können."
Kloses Ziel: Bundesliga-Trainer
Es zeigt sich also, dass der Trainer Klose genauso wie der Spieler Klose tickt: nämlich mit Fleiß und Akribie zum Erfolg - und dieser kann in seiner Funktion als Coach nur Profi-Fußball heißen. Die Beförderung zu Flicks Assistenten wäre somit der nächste Schritt zu seinem kontinuierlich verfolgten "Ziel", wie er vor einigen Monaten gegenüber der dpa verriet.
Und wer weiß: Vielleicht schlüpft Klose dann auch irgendwann einmal in die Fußstapfen seines früheren Trainers Rehhagel und gibt der Karriere eines Fußballers mit einer Einwechslung in der Bundesliga den entscheidenden Startschuss - genau wie bei ihm vor 20 Jahren ...