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Psotta-Kolumne: Der Marktwerte-Quatsch!

Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta*

Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta
Image: Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta  © Sky

In der dritten Folge seiner Kolumne beschäftigt sich Kai Psotta mit der Marktwertanalyse von Transfermarkt.de. Dabei hinterfragt er vor allem den aktuellen Marktwert von Toni Kroos.

Vor kurzem sorgte eine Schlagzeile für Wellen: "Kroos zweitwertvollster Mittelfeldspieler weltweit", lautete die Überschrift über einem Update von Transfermarkt.de. Wonach die Erklärung folgte: "Transfermarkt hat die Marktwerte der spanischen Primera Divisíon einem umfangreichen Update unterzogen. Eine erneute Aufwertung erfuhr Toni Kroos, dessen Marktwert seit seinem Wechsel von den Bayern zu Real von 42 auf jetzt 70 Millionen Euro stieg." 70 Millionen also ist Toni Kroos, der dreimal die Champions League gewann, wert. Aber warum eigentlich? Weil Transfermarkt.de es sagt?

Marktwerte sind reine Kaffeesatzleserei

Zugegeben, ich nutze diese umfangreiche und liebevoll gepflegte Seite oft und ziehe mir Informationen. Es ist einer der wertvollsten Datensätze im Internet und hilft Journalisten bei der Recherche. Über die Marktwerte schüttle ich aber schon immer den Kopf. Weil diese Zahlen reine Kaffeesatzleserei sind. Wer kann schon den Wert eines Spielers beziffern?

Bei Transfermarkt wird auf das Wissen der User gesetzt. Registrierte Mitglieder erörtern in Diskussionen den Marktwert von Spielern. Aber können die den wirklich bestimmen? Toni Kroos weiß, wie man eine Mannschaft in entscheidenden Spielen lenkt. Er ist mit 27 Jahren im besten Fußballeralter, hat noch viele Titel vor sich. Kein Wunder, dass sich Real Madrid seine Dienste bis 2022 gesichert hat. Warum nun, soll dieser Mann nur 70 Millionen wert sein?

Kai Psotta wundert sich über den Marktwert von Toni Kroos.
Image: Kai Psotta wundert sich über den Marktwert von Toni Kroos.  © Getty

Kroos und Neuer unverkäuflich

Ich wette, dass Florentino Pérez und José Angel Sánchez, die beiden Macher von Madrid, vor Lachen vom Stuhl rutschen, wenn ein Verein 70 Millionen für Kroos bietet. Ich sage sogar: Spieler wie er und Manuel Neuer von Bayern sind unverkäuflich! Egal, welche Summen geboten werden.

In Zeiten, in denen Bayern 41,5 Millionen Euro für Corentin Tolisso bezahlt, der nur 116 Spiele für Olympique Lyon vorzuweisen hat, sowie ein Länderspiel für Frankreich, kann ein Kroos nicht nur spöttische 28,5 Millionen teurer sein.

Im schweizerischen Neuchâtel gibt es das Sportinstitut CIES Football Observatory. Deren "Forscher" (so schrieb das Handelsblatt) haben den Wert von Kroos auf 79,3 Millionen Euro beziffert.

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Woher kommen diese 9,3 Millionen Unterschied? Warum nur 9,3 Millionen mehr? Außerdem: Spielerwerte lassen sich doch nicht nach objektiven Kriterien beurteilen. Fußballer sind eine emotionale Ware. Verlieben sich in demselben Transfersommer mehrere Klubbosse in einen Spieler, können abstruse Dinge passieren.

Dann kann es geschehen, dass sie sich gegenseitig zu einem irrwitzigen Wettbieten aufstacheln. Dass Vereinsbosse beweisen wollen: ich bin der Manager mit den dickeren Eiern. Am Ende wechseln Fußballer für Summen, die bestimmt nichts mit ihrem Marktwert zu tun haben.

Laut Transfermarkt.de liegt der Marktwert von Romelu Lukaku bei 50 Millionen Euro (Stand 10. Juli). Nun ist er für angeblich 100 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt. Hat sich Transfermarkt mit seiner Schätzung nun so vertan? Oder sind die Engländer so blöd? Ist Lukaku wirklich so viel wert?

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Wie kann es sein, dass Lukakus Mitspieler bei Manchester Paul Pogba nur noch 75 Millionen wert sein soll, obwohl ihn sich die Engländer vor einem Jahr haben 105 Millionen Euro kosten lassen?

Es gibt inzwischen so viele unlogische Transfers im Fußball. Wo Verpflichtungen ohne wirtschaftlichen Background gemacht werden. Wo Menschen das Sagen haben, die sich ganze Etagen im Hotel mieten, obwohl sie nur in einem Zimmer wohnen können. Die so stinkreich sind, dass sie sich sagen: "Ich habe hundert Autos. Und ich weiß immer noch nicht wohin mit meiner Kohle. Ach, verpflichte ich mal Zlatan Ibrahimovic. Den wollte ich schon immer als Spielzeug."

Fußballer werden zu Gemälden

In solchen Momenten werden Fußballer zu Gemälden. Denn auch dort ist der Wert nur schwer nachvollziehbar. Dass Pablo Picassos berühmtes Ölgemälde "Les femmes d'Alger" im Auktionshaus Christie's für 179,4 Millionen Dollar versteigert wurde, ist rational nicht zu erklären. Es ist auch völlig unklar, für welche Summe es irgendwann weiterverkauft wird.

Ist sein Besitzer plötzlich bankrott und braucht dringend Geld, kann es für deutlich weniger verscherbelt werden. Will jemand einfach nur protzen und mit dem Besitz angeben, kann es demnächst auch bestimmt für 300 Millionen "wechseln".

All diese weichen Faktoren können weder die Transfermarkt-Experten noch die Schweizer von CIES Football Observatory wissen. Sie spekulieren. Die Marktwerte sind manchmal eine grobe Orientierungshilfe, manchmal eine nette Spielerei und manchmal auch nur grober Unfug.

*Diskutieren Sie mit Kai Psotta unter Twitter: @KPsotta und #reingegraetscht oder schreiben Sie an kai.psotta@sky.de.
Kai Psotta arbeitet seit Januar 2017 bei Sky. Zuvor berichtete er sieben Jahre bei BILD über den FC Bayern. Psotta veröffentlichte sieben Bücher, unter anderem „Die Paten der Liga", ein Insiderbuch über die Geschäfte von Spielerberatern. Zuletzt war er mit der Autobiographie von Mesut Özil („Die Magie des Spiels) wochenlang in der Spiegel-Bestseller-Liste. Am 1. Juni erschien sein neuestes Werk „Mythos Real Madrid" (Plassen Verlag)

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