Druck vor BVB-Duell: RB droht früh (fast) alle Saisonziele zu verpassen
06.11.2021 | 17:49 Uhr
RB Leipzig ist wie in jedem Jahr mit großen Ambitionen in die neue Saison gestartet - mit einigen neuen Spielern und einem neuen Trainer. Doch bereits früh in der Saison droht Leipzig (fast) alle seine Ziele aus den Augen zu verlieren. Der Druck vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund ist enorm.
"Ziel ist, den Gegner total zu kontrollieren." Mit diesen markigen und anspruchsvollen Worten ist Jesse Marsch im Juli in seine neue Aufgabe bei RB Leipzig gestartet. Der sympatische US-Amerikaner kam als Nachfolger des zu Bayern München abgewanderten Julian Nagelsmann nach Sachsen.
Marsch, der bereits zuvor als Cheftrainer in New York und in Salzburg die RB-Philosophie vollkommen verinnerlicht hat, schien die logische und beste Wahl für den deutschen Vizemeister zu sein. Immerhin kommt der 47-Jährige vom gleichen Konzern und weist auch aufgrund seiner Co-Trainer-Tätigkeit unter Ralf Rangnick bei RB Leipzig den obligatorischen Stallgeruch auf.
Vor Monaten schien die Kombination Jesse Marsch und RB Leipzig somit das perfekte Match zu sein. Doch die ersten Wochen dieser Verbindung verliefen nicht nach den Wünschen aller Beteiligten. Bereits im November droht Leipzig fast alle seine Saisonziele aus zu Augen zu verlieren bzw. hat diese bereits verpasst.
So zum Beispiel in der Champions League. Nach dem 2:2 gegen die Star-Truppe von Paris Saint-Germain steht fest: RB wird nicht in der Königsklasse überwintern. Ein Szenario das vor der Saison sicherlich nicht unbedingt eingeplant wurde. Klar darf nicht darüber hinweg gesehen werden, dass die Roten Bullen mit PSG und Manchester City zwei absolute Schwergewichte in der Gruppe haben, doch auch gegen den vermeintlichen Underdog FC Brügge setzte es für RB eine 1:2-Heim-Niederlage.
Vor zwei Jahren stand RB noch im Halbfinale beim Finalturnier in Lissabon. Auch in der vergangenen Saison reichte es trotz einer ähnlich schweren Gruppe (PSG, Manchester United, Basaksehir) zumindest für das Achtelfinale, wo dann gegen den FC Liverpool Schluss war.
In diesem Jahr muss RB aufgrund der bisher mageren Punktausbeute von nur einem Zähler sogar um den Einzug in die Europa League und damit um das internationale Überwintern zittern. Somit ist selbst das internationale Mindestziel mächtig in Gefahr.
Doch auch in der Bundesliga spielt Leipzig bislang nicht die Rolle, die man sich selbst im sechsten Jahr im deutschen Oberhaus zutraut. Nach zuletzt sehr erfolgreichen Spielzeiten unter Ralf Rangnick (3. Platz) und Julian Nagelsmann (3. und 2. Platz) hinkt RB derzeit der Konkurrenz hinterher. Nach zehn Spieltagen stehen lediglich vier Siege zu Buche - heißt derzeit: Platz acht.
Doch woran hakt es bei den Sachsen? Klar musste RB mit Marcel Sabitzer, Dayot Upamecano (beide FC Bayern München) und Ibrahima Konate (FC Liverpool) drei Leistungsträger ersetzen, doch im Sommer kamen auch Akteure wie Top-Torjäger Andre Silva (Eintracht Frankfurt), die Abwehrspieler Josko Gvardiol (Dinamo Zagreb) und Mohamed Simakan (Racing Straßburg) sowie Barcelona-Talent Ilaix Moriba. Insgesamt steckte Leipzig über 100 Millionen Euro in neue Spieler, um die Abgänge zu kompensieren und den Kader weiter zu verstärken.
Geht es nach Marsch, ist der RB-Kader in der Breite sogar besser als der des deutschen Rekordmeisters FC Bayern München. Doch während Bayern die Bundesliga mit 25 Zählern anführt und bereits das Achtelfinale in der Champions League erreicht hat, befindet sich Leipzig nach wie vor in der Findungsphase.
Dies liegt vor allem an der Spielweise von Coach Marsch. Denn während Vorgänger Nagelsmann mit diesem Kader den RB-Fußball um die Komponente Ballbesitz erweitert hat, geht der Spielstil von Marsch wieder zurück in alte Rangnick-Zeiten. Intensität, Laufbereitschaft und Dauerpressing stehen hier an oberster Stelle. Genau darin liegt für Sky Experte Dietmar Hamann auch das derzeitige Problem von RB.
Faktisch schlagen sich die von Hamann angesprochenen Defizite und Probleme vor allem bei den Gegentoren und damit bei einem insgesamt instabilen Defensivverhalten durch das hohe Pressing nieder. Dies ist besonders gegen offensive, technisch versierte Gegner der Fall. Alleine in den vier Partien gegen Bayern München, Manchester City und Paris Saint-Germain (2x) kassierte die Marsch-Truppe 15 Gegentore.
Gegen defensiver ausgerichtete Mannschaft hingegen schafft es RB nicht, offensiv zu überzeugen und mit Toren den Sack zuzumachen. So ließ man in der Bundesliga unter anderem gegen Frankfurt, Freiburg (beide 1:1) und Mainz (0:1) wichtige Punkte in der Meisterschaft liegen. Es zeigt sich also, dass Leipzig in bestimmten Spielen entweder vorne oder hinten Probleme hat und so nicht das von Marsch gewünschte Spiel aufziehen kann. Von der eingangs erwähnten totalen Kontrolle ist RB noch meilenweit entfernt.
"Ich finde es problematisch, dass kein System erkennbar ist - wann, wer und warum von Beginn an aufgestellt wird. Und das führt dazu, dass die Leistungsträger zu wenig Selbstbewusstsein haben und nicht so abliefern, wie sie eigentlich könnten. Die einzige Konstante ist Nkunku. Im Sturm spielt mal Forsberg, dann wieder Silva. Manchmal spielt Poulsen, dann wieder nicht. Wo ist die Stamm-Elf, die wahre Idee des Trainers für das Team?", fragt sich Matthäus.
Und weiter: "Marsch hat es bis jetzt verpasst, dreizehn, vierzehn Stammspieler auszumachen. Ich habe den Eindruck, dass Marsch auch nach zehn Spieltagen noch nicht so ganz in Leipzig angekommen ist und es Trainer gibt, die in der Bundesliga sicher fester im Satteln sitzen als er. Bei der Qualität dieses Kaders und den Erfolgen der letzten Jahre ist das bisher schon enttäuschend."
Zwar stärkt RB-Chef Oliver Mintzlaff seinem Coach nach wie vor den Rücken, doch es dürfte auch jedem klar sein, dass die Luft für Marsch in Leipzig immer dünner wird, sollten die instabilen Leistungen nicht bald in dauerhaft erfolgreiche Ergebnisse umgewandelt werden.
Marsch muss nun möglichst schnell einen Weg finden, die sicherlich vorhandene Qualität seines Kaders voll auszuschöpfen, ob dies nun mit einer Änderung der taktischen Ausrichtung oder eher über die personelle Komponente in Form einer sich klar herauskristallisierenden erweiterten Stammelf passiert.
Am besten Marsch findet die Lösung bereits bis Samstag, denn dann steht das Topspiel gegen Borussia Dortmund (ab 17:30 Uhr LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport Bundesliga 1) an. Sollte jedoch auch dieses Duell gegen ein Spitzenteam auf die bislang übliche Art und Weise verloren gehen, droht es für Marsch ungemütlicher zu werden.
RB Leipzig hätte bei einer Niederlage bereits zwölf Zähler Rückstand auf den direkten Konkurrenten aus dem Ruhrpott und wäre damit aus dem erweiterten Rennen um die Meisterschaft bereits im November raus. Auch in der Bundesliga bliebe somit nur noch das Minimalziel Champions-League-Qualifikation. Doch selbst dieses scheint in der derzeitigen Verfassung Leipzigs alles andere als sicher ...
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