Wie Tuchel den Turnaround noch schaffen kann
13.02.2024 | 11:06 Uhr
Thomas Tuchel rückt beim FC Bayern immer mehr in den Fokus. An welchen Stellschrauben der Coach nun noch drehen kann, um die Saison zu retten.
Schon vor Anpfiff in Leverkusen rätselte Fußball-Deutschland: Welche Taktik verfolgt Thomas Tuchel? Der Bayern-Coach schickte im Topspiel eine Formation mit einer Dreier-/Fünferkette auf das Feld, die niemand erwartet hatte. Auf dem Papier keine schlechte Idee, in der Praxis am Ende aber womöglich ein bisschen viel der Veränderung.
Tuchel sei "all-in gegangen und hat sich verzockt", meinte Sky Experte Lothar Matthäus in seiner Kolumne. "Man hatte den Eindruck, dass er es allen zeigen wollte und es hat leider nicht funktioniert." (Pressestimmen: "Ein Angriff auf die Identität der Bayern")
Das priorisierte System der Münchner ist das 4-2-3-1, das einst von Louis van Gaal implementiert wurde. Auch Tuchel ließ in den allermeisten Partien seiner FCB-Amtszeit mit dieser Formation spielen - unter anderem auch beim 4:0 in Dortmund, dem mit Abstand überzeugendsten Auftritt des Rekordmeisters in dieser Saison.
Dazu gilt es nun in der entscheidenden Phase der Saison einen Kern aus elf bis 14 Spielern zu finden, auf die er sich verlassen kann und die in den kommenden Wochen ihr Selbstvertrauen wiederfinden. Rhythmus und Stabilität sind jetzt gefragt.
Wofür Tuchel nichts kann, ist die Verletzungsmisere, die sich seit Monaten durchzieht. Der 50-Jährige ist regelmäßig zum Improvisieren gezwungen. Nur ein einziges Mal hat er in diesem Kalenderjahr dieselbe Abwehrkette in zwei aufeinander folgenden Spielen aufgestellt.
Leroy Sane wartet seit Oktober auf einen Treffer, Jamal Musiala ist seit fünf Spielen ohne Torbeteiligung und auch Harry Kane kommt in diesem Jahr noch nicht an die Form aus der Hinserie ran. In Leverkusen hatte der Engländer lediglich 18 Ballkontakte.
Zwar haben die Bayern mit 59 Toren noch immer den besten Angriff der Bundesliga vorzuweisen, doch in der Rückrunde erzielten die Münchner bislang in vier Spielen nur sechs Treffer, ließen gegen Bremen (0:1) und nun in Leverkusen so ziemlich alles vermissen.
Das große Problem: Die Bayern agieren im letzten Drittel viel zu statisch, zu viel hängt von Einzelaktionen der hochbegabten Stars ab. Kein neues Problem, aber sobald die Offensiv-Künstler nicht mehr an ihre Topform herankommen, wird das noch einmal offensichtlicher.
"Die Leverkusener, die zocken einfach, die spielen Fußball, die suchen Lösungen. Wir spielen von A nach B, von B nach C, keiner hat die Freiheit, einfach zu zocken", brachte es Thomas Müller am Samstag bei Sky auf den Punkt. Heißt im Umkehrschluss: Das Problem der "Verkopftheit" im Spiel der Bayern muss Tuchel schnellstmöglich lösen.
Abhilfe leisten könnte dabei ein unkonventioneller Freigeist wie Müller allein aufgrund seiner Aura. Der Ur-Bayer hatte sich mit einer überzeugenden Leistung in der Woche vor dem Leverkusen-Spiel gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) für ein erneutes Startelf-Mandat empfohlen, doch Tuchel brachte den 34-Jährigen genau wie Joshua Kimmich erst nach einer Stunde ins Spiel.
Aktuell hat man im fragilen Münchner Gebilde das Gefühl, dass jeder mit sich selbst zu kämpfen hat und keiner so richtig vorangeht. Müller kann das - nicht nur in Interviews.
Nach solch einer deftigen Abreibung hagelt es Kritik von allen Ecken. Keineswegs ein neues Phänomen, sondern ein üblicher Reflex. Die Frage ist nun, wie Mannschaft und Trainer damit umgehen. In einer derartigen Phase besteht allemal die Möglichkeit, Wut und Enttäuschung in positive Energie umzuwandeln und eine "Jetzt erst recht"-Mentalität zu entwickeln.
In der Bundesliga ist der Serienmeister nicht mehr der heißeste Anwärter auf den Titel, in der Champions League zählt er nach den zuletzt gezeigten Leistungen auch nicht mehr zum engsten Favoritenkreis. Darin könnte aber auch eine Chance liegen. Doch ist das Bauen einer Wagenburg überhaupt noch möglich?
Das bleibt abzuwarten. Zu oft hatte Tuchel Spieler wie etwa Kimmich, Leon Goretzka oder auch Matthijs de Ligt in der Vergangenheit "demontiert", wie Sky Experte Didi Hamann bemängelte.
Schon am Mittwoch bei Lazio Rom (21 Uhr im Liveticker) könnte es erste Antworten darauf geben.
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