VfB Stuttgart News: VfB in der Bundesliga im Höhenflug
Stuttgarts Höhenflug: Der VfB im Paralleluniversum
20.12.2020 | 15:00 Uhr
Der VfB Stuttgart mischt als Aufsteiger im oberen Tabellendrittel der Bundesliga mit. Vorläufiger Höhepunkt: der 5:1-Sieg in Dortmund. Ist es der Beginn eines goldenen Zeitalters? Sky Reporter Alexander Bonengel erklärt den Erfolg und erinnert an weniger rosige Zeiten beim VfB.
Der VfB Stuttgart und seine Anhänger sind in diesen Tagen kaum wiederzuerkennen. Der Cannstatter Kosmos erscheint wie ein Paralleluniversum, wissenschaftliche Theorie, die des Öfteren in fantastischen Romanen und Filmen Niederschlag findet: Alles ist vertraut und doch ist irgendwie alles anders.
Realismus statt Träumereien
In der Tat erfüllen sich zur Zeit Dinge, nach denen sich die VfB-Fans seit Jahren gesehnt hatten. Während der stets von einer elitären Aura umgebene Ex-Präsident Wolfgang Dietrich zu seiner Zeit noch gerne mit der Champions League kokettierte, waren die VfB-Fans schon längst deutlich bescheidener: Sie sehnten sich nach einer jungen hungrigen Mannschaft, einer klaren Spielphilosophie, einem Trainer, der das alles hinkriegt und obendrein noch sympathisch daherkommt.
Realismus als Essenz unzähliger Leidenszeiten seit der Meisterschaft 2007 mit etlichen Personalwechseln, diversen Neuausrichtungen, internen Machtkämpfen, zerplatzten Träumen sowie zwei Abstiegen. Selbst die vielversprechende Neuausrichtung der Jahre 2016 und 2017 unter Jan Schindelmeiser und Hannes Wolf hat der Verein durch interne Grabenkämpfe und persönliche Eitelkeiten mit einem Schlag zunichte gemacht.
Aufstiegs-Drama gegen den HSV als Wendepunkt
Viel hätte nicht gefehlt und es wäre vielleicht auch 2020 so weitergegangen.
28. Mai, 2. Liga, Heimspiel gegen den HSV: Es war eng im Auftstiegsrennen, Hamburg direkter Konkurrent. Zuvor gab es beim VfB Niederlagen gegen die Kellerkinder Wehen Wiesbaden und Holstein Kiel. Trainer Matarazzo, Sportdirektor Mislintat, der gesamte Verein: Alle in der Kritik. Geradezu antizyklisch präsentierten die VfB-Verantwortlichen an diesem Tag die Vertragsverlängerung mit Trainer Pellegrino Matarazzo.
Was vorher falsch war, ist plötzlich richtig
Zur Pause führte der HSV mit 2:0 und sah wie der sichere Sieger aus, der VfB Richtung Abgrund taumelnd. Eine Niederlage und die Stuttgarter wären wahrscheinlich nicht nur nicht aufgestiegen, Matarazzo wäre sehr wahrscheinlich nicht mehr VfB-Trainer und Mislintat auch nicht mehr Sportdirektor. Doch ein paar wenige Momente haben den Lauf der Geschichte auf nicht zu erwartende Weise zum Positiven verändert: Der VfB gewann das Spiel am Ende mit 3:2.
Fußball ist ebenso einfach wie erbarmunglos: Zur Halbzeit des 28. Spieltages war Matarazzo zu unerfahren, genauso wie die gesamte sportliche Führung des VfB, die vorausgegangene Entlassung von Tim Walter aktionistisch, der Kader zu unausgewogen und darüber hinaus sowieso über zu wenig Mentalität verfügend. Doch geht so eine Sache am Ende gut aus, ist all das, was zuvor falsch war, plötzlich richtig.
Verträge von Leistungsträgern und von Mislintat verlängert
Blicken wir auf den VfB dieser Tage, sehen wir hochtalentierte junge Spieler wie Wamangituka und Coulibaly, die Dank des Mutes, der Weitsicht und der Überzeugung von Sven Mislintat aktuell kräftig die Liga aufmischen, wir sehen eine hungrige selbstbewusste und spielstarke Mannschaft, deren Spiel die eine klare Handschrift des Trainers trägt.
Mislintat hat derweil schon vorgesorgt, die Verträge mit vielen jungen Leistungsträgern verlängert. Er selbst hat übrigens gerade bis 2023 unterschrieben. Diese Mannschaft hat Spaß und macht Spaß, selbst eine Niederlage gegen Wolfsburg am Sonntag könnte daran nichts ändern.
Skepsis bleibt ein ständiger Begleiter
Der neue VfB? Beginn eines goldenen Zeitalters?
Die sportliche Situation mag sich geändert haben, die Strukturen im Hintergrund sind geblieben. Mut und Glück haben dem VfB die Chance ermöglicht, sich ein Stück weit neu zu erfinden. Eitelkeiten und Grabenkämpfe mögen in Zeiten des Erfolgs zwar in den Hintergrund geraten, aber sie sind keinesfalls weg. Durch die Erfahrungen seit 2007 ist die Skepsis weiterhin ständiger Begleiter der VfB-Fans.
Sie leben für den Moment, genießen das Hier und Jetzt. Irgendwann in ein paar Monaten im echten Büro als VfB-Fan nicht mehr mitleidig angeschaut werden - das wäre ein angemessener Zeithorizont und ein weiteres Zeichen dafür, dass der VfB Stuttgart auf dem richtigen Weg ist.