Doorsoun über Boom: "Was wir aufgebaut haben, hat Bestand"
08.03.2023 | 11:09 Uhr
Im Interview mit Sky Sport spricht Sara Doorsoun u.a. über die erfolgreiche EM 2022 als Fundament des Frauenfußball-Booms in Deutschland, die Anerkennung im Heimatland ihres Vaters und über ihre Ziele für die Weltmeisterschaft im Sommer.
Sky Sport: Viele sprechen von einem Frauenfußball-Boom, manche beschreiben es eher als eine gute Entwicklung. Wie siehst Du das?
Sara Doorsoun: Ich bin ja schon ein paar Jahre dabei. Ich habe mit 18 mein erstes Bundesligaspiel gemacht und sage immer zu den jüngeren Spielerinnen, jetzt gerade nach der Europameisterschaft: "Boah, ich wäre gerne drei, vier Jahre noch mal jünger." Denn das, was wir da im Sommer aufgebaut haben, hat Bestand. Ich habe das Gefühl, dass wir da wirklich ein richtig cooles Fundament aufgebaut haben. Ich würde gerne länger etwas von diesem Boom miterleben, aber aufgrund meines Alters weiß ich, dass ich leider nicht mehr so viele Jahre spiele. Aber es ist cool, dass wir da wirklich seit dem Sommer etwas richtig Großes geschaffen haben.
Sky Sport: Die Niederlage im EM-Finale gegen England war unglücklich. Aber das Team hat für die Leistungen und das Auftreten sehr viel Respekt geerntet. Inwieweit tröstet einen das?
Doorsoun: Ich habe 2010 die Europameisterschaft gespielt, wo wir leider auch unglücklich gegen Dänemark verloren haben, wo man dachte: Was passiert jetzt mit dem deutschen Frauenfußball? Im Sommer hat keiner mit uns gerechnet, obwohl wir immer noch die deutsche Nationalmannschaft sind. Wenn man aber so weit kommt, dann möchte man auch am Ende den Pokal in den Händen halten und hochstrecken. Aber wir saßen dann in der Kabine, es gab Bier und alles, die Musik lief und wir waren wirklich glücklich. Wer hätte uns vor dem Turnier jemand gesagt, dass wir am Ende Vize-Europameister sind? Das ist etwas richtig Schönes, auf das man so unfassbar stolz sein kann. Ich glaube, jeder von uns hätte das unterschrieben. Jetzt haben wir Blut geleckt. Das nächste Turnier steht vor der Tür. Mal schauen, wie weit die Reise für uns geht.
Sky Sport: Es gab viele Momente, wo man gesagt hat: Jetzt kann es etwas werden mit dem Frauenfußball. War es immer eine Sache der Ergebnisse, die nicht gestimmt haben? Oder gab es andere Dinge, die nicht gepasst haben, um wirklich was Nachhaltiges aufzubauen?
Doorsoun: Ich habe immer gesagt: "Wenn wir 2010 in den Niederlanden auch schon erfolgreich gewesen wären." Man sieht ja, was bei den Niederländerinnen seit 2010 passiert ist. Seit sie damals die EM gewonnen haben, hat sich dort wirklich etwas entwickelt. Gerade bei Länderspielen wären wir 2019 erfolgreicher gewesen. Ich weiß ja, dass auch viele zu Hause die Spiele geschaut haben. Da hätte man, glaube ich, schon so ein Schwung gehabt und auch die Menschen viel mehr erreichen können. Aber dadurch, dass der Erfolg ausblieb in den letzten Jahren, ist es ist natürlich auch schwer, Dinge irgendwie zu rechtfertigen oder zu sagen: "Wir wollen jetzt dies, wir wollen das, wir wollen mehr Aufmerksamkeit." Das war wirklich schwierig, weil wir zu dem Zeitpunkt keine Erfolge vorzuweisen hatten. Jetzt ist es ein bisschen anders. Wir haben, glaube ich, im Sommer viel Erfrischendes reingebracht, waren sehr authentisch, sehr nahbar und es war einfach echt. Und wir sind Vize-Europameisterinnen und haben uns ein Fundament erarbeitet, worauf man jetzt in den nächsten Jahren aufbauen muss und auch kann.
Sky Sport: Nimmst Du eine Popularitätssteigerung im Alltag wahr? Ist es so, wenn Sara Doorsoun durch Frankfurt läuft, dass vermehrt Leute kommen und Selfies machen wollen?
Doorsoun: Nein, ganz so ist es natürlich nicht. Wir laufen jetzt nicht durch die Stadt und es bildet sich eine Traube um uns. Was ich aber auch ganz angenehm finde, dass man trotz allem immer noch sehr privat sein kann. Aber es ist schon so, dass einen vermehrt die Leute erkennen. Ich war mit Freundinnen über Silvester in Amsterdam in einem Cafe, und dann kam ein Mädel zu mir und sagte: "Oh mein Gott, du bist Sara Doorsoun. Darf ich ein Bild mit dir machen?" Ich war so perplex, denn das war auch für mich neu, in Amsterdam in einem Cafe erkannt zu werden. Das war wirklich schön. Genugtuung ist das falsche Wort, aber man war stolz darauf, dass man erkannt wurde und auch ein Teil des Teams im Sommer war.
Sky Sport: Wenn Du an Deine Zeit als werdender Profi zurückdenkst: Was sind die größten Veränderungen, die seit damals im Frauenfußball stattgefunden haben?
Doorsoun: Es ist alles viel athletischer und schneller geworden. Als ich angefangen habe, waren alle vom Spielertyp sehr ähnlich. Ein bisschen robuster, ein bisschen kräftiger. Nicht so athletisch, wie wir es jetzt teilweise sind. Dass man so einen "Brecher" in der Mannschaft hat. Alexandra Popp ist auch ein "Brecher" und ein richtiges Kraftpaket, aber sehr athletisch, und dahin hat es sich entwickelt. Ich war immer eine relativ schnelle Spielerin. Ich wusste, wenn ich mir den Ball vorlege, auch in der ersten Bundesliga, da muss mich erst mal eine halten. Mittlerweile ist es schon der Wahnsinn, wenn 18-, 19- oder 20-Jährige gegen einen spielen, die mindestens genauso schnell sind wie ich. Es ist auch sehr filigran geworden. Alles sieht ein bisschen schöner aus.
Sky Sport: Die Highlights gehen nicht zu Ende, im Sommer steht die WM in Australien und Neuseeland auf dem Programm. Wie sieht Deine Perspektive aus?
Doorsoun: Ich habe nach der EM schon kurz darüber nachgedacht, wie es für mich weitergeht. Ich hatte meine ganz klare Rolle während des Turniers, die habe ich auch echt gerne angenommen. Ich habe aber auch gesagt: "Boah, das war so erfolgreich, das war so cool und es war so schön. Eigentlich wäre es jetzt ein perfekter Moment, um zu sagen okay, man hört auf in der Nationalmannschaft." Aber dann dachte ich auch: "Nee, nächstes Jahr steht die Weltmeisterschaft vor der Tür. Ich bin immer noch fit, ich fühle mich immer noch gut." Und auch das, was wir da (in England) erlebt haben, das möchte ich gerne noch einmal erleben. Also werde ich in jeder Woche, in jedem Spiel, bei jedem Lehrgang mit der Nationalmannschaft wirklich Gas geben, um wieder ein Teil des Teams zu sein.
Sky Sport: Ist die Erkenntnis, dass die deutsche Mannschaft gegen alle gewinnen kann, das Wichtigste, was man von der EM mitgenommen hat?
Doorsoun: Absolut. Wir sind gut ins Turnier gestartet gegen Dänemark, und bis dahin hatte immer noch keiner an uns geglaubt. Ich damals zu Sophia Kleine, die auf der Bank neben mir saß, gesagt: "Wir werden Europameisterin!" Und sie sagt: "Ach! Was erzählst du denn da?" Und ich sage jedes Mal: "Ich sollte Lotto spielen gehen, weil ich ganz oft recht habe mit den Dingen, die ich sage. (lacht). Das ist mein drittes Turnier. Ich sehe die Stimmung in der Mannschaft. Ich sehe die Leistung, die wir bringen. Ich sehe die Art und Weise, wie wir Fußball spielen. Und wir haben ganz große Chancen auf den Titel." Dass es am Ende nicht gereicht hat, ist sehr schade.
Sky Sport: Du hast Deine Rolle im Team angesprochen. Wie würdest Du diese beschreiben? Wie hast Du Dich selbst gesehen oder was hat die Bundestrainerin Dir konkret gesagt?
Doorsoun: Es war schon so sehr klar auch für mich, dass mit Marina Hering und Kati Henrich wirklich zwei sehr starke Innenverteidiger auf dem Platz stehen. Ich würde lügen, wenn ich sage, ich hätte auch nicht gerne nicht öfter auf dem Platz gestanden. Dafür bin ich zu sehr Leistungssportlerin. Aber für das Turnier war das vollkommen in Ordnung. Ich habe versucht, die beiden zu pushen, habe gesagt, wenn was ist, ich bin da. Und ich habe ja jetzt auch schon ein paar Spiele in der Nationalmannschaft gemacht. Ich habe über 200 Bundesligaspiele. Ich war nicht aufgeregt. Ich kannte meine Rolle und ich wusste, wenn was passiert, ich bin da, ich bekomme das Vertrauen. Und auch das Trainerteam und auch die Mitspielerinnen wissen: Wenn ich auf den Platz komme, werde ich das mindestens genauso gut machen wie die beiden. Und das kann ich auch sehr selbstbewusst sagen. Ich weiß, die beiden und alle anderen haben so eine gute Arbeit auf dem Platz geleistet, dass es für mich einfach, ist, auf den Platz zu kommen, weil die Mannschaft mich mitnimmt. Und dann sage ich: "Jetzt kriegt ihr von mir auch nochmal 100 Prozent."
Sky Sport: Das klingt wie: Für dieses Turnier war das völlig okay, aber beim nächsten könnte es gerne etwas mehr sein.
Doorsoun: Nein, es ist einfach so und das wäre gelogen, wenn ich etwas anderes sage. Ich spiele auf höchstem Niveau Fußball. Ich möchte immer spielen. Ich weiß, was ich kann. Und ich weiß, was ich nicht kann. Und wenn ich diesen eigenen Antrieb nicht hätte und sagen würde: "Ach komm, ich setze mich freiwillig auf die Bank", dann würde mir persönlich dieser eigene Antrieb fehlen. Auch im Training will ich es den beiden so schwer wie möglich machen. Ich möchte, dass die beiden wissen: Ich kann kein Prozent weniger geben. Ich muss meine Leistung bringen. Aber natürlich immer mit einem gesunden Konkurrenzkampf. Weil da jemand wartet, um die Chance zu nutzen. Die beiden sind wirklich gut, zu 100 Prozent. Aber ich sage auch: Wenn etwas ist, ich bin da.
Sky Sport: Du bist als Sportlerin auch Vorbild, nicht nur hierzulande. Du hast durch Deine Eltern Wurzeln im Iran und der Türkei. Gerade im Iran ist es nicht so selbstverständlich, dass Mädchen überhaupt Fußball spielen können. Gab es für Dich - auch, wenn Du in Deutschland geboren wurdest - in irgendeiner Weise Probleme, Fußball ausüben zu dürfen?
Doorsoun: Zum Glück gar nicht. Mein Papa ist aus dem Iran. Meine Mama ist Türkin. Und es gab nie irgendwie einen Konflikt, dass ich nicht zum Training darf. Ich habe schon mit vier Jahren angefangen, Fußball zu spielen. Zwar nicht im Verein, aber man hat mich, seitdem ich klein bin, nie ohne Ball gesehen und das war nie ein Problem. Auch im Kindergarten und in der Grundschule war es immer so, dass von den anderen Eltern gesagt wurde: "Die muss in den Fußballverein." Ich hatte bei mir in der Nachbarschaft ein Zwillingspaar, dessen Papa Trainer war, und die gehörten zu meinen Freunden und haben dann gesagt: "Komm, unser Papa soll dich mal mit zum Training nehmen." Das habe ich dann zu Hause erzählt und das war zum Glück wirklich nie ein Problem. Und es ist so schön zu sehen, wie viel Rückhalt ich immer von zu Hause bekommen habe, was meinen Sport angeht, und wie stolz man auch auf mich ist. Vor allem mein Papa.
Sky Sport: Das klingt auch nicht so, als müsse er irgendwie über seinen Schatten springen.
Doorsoun: Gar nicht. Das Einzige, was ihm schwer gefallen ist, war, als ich mit 16 von zu Hause ausgezogen bin, als jüngste von drei Kindern. Ich bin nach Wattenscheid ins Sport-Internat, was nur eine Stunde von unserem Elternhaus entfernt war. Aber das ist ihm am Anfang schon schwer gefallen. Meine Mama hat gesagt, dass sie im Hintergrund schon ein paar Gespräche mit ihm führen musste, weil er Bedenken hatte, was ich als 16-jähriges Mädchen allein irgendwo mache. Aber ich war ja im Internat und es wurde für mich gekocht. Denn das war, glaube ich, seine größte Sorge, dass ich nichts mehr zu essen bekomme. Er ist der Koch zu Hause. Es war dann immer so, dass er einmal in der Woche nach Wattenscheid gefahren ist mit einem Großeinkauf, weil er auch dachte, das schaffe ich nicht allein.
Sky Sport: Er hat also gleich mal den Kühlschrank gefüllt?
Doorsoun: Genau. Ich habe dann gesagt, was ich gerne hätte. Er ist in den Supermarkt gefahren und danach eine Stunde zu mir nach Wattenscheid. Wir haben die Sachen ausgeladen und dann ist er wieder eine Stunde zurückgefahren. Und wenn mir irgendetwas gefehlt hat, dann sagte er: "Ja, dann mache ich wieder einen Großeinkauf für dich."
Sky Sport: Da haben andere im Internat bestimmt immer neidisch auf Dich geguckt?
Doorsoun: Die wussten, bei mir gibt's immer etwas. Das war echt ganz cool.
Sky Sport: Hast Du im Laufe deiner Karriere gemerkt, dass Deine Geschichte, Deine Entwicklung zum Fußballprofi, in der Heimat Deines Vaters in irgendeiner Weise ein Thema war? Gibt es Mädchen, die vielleicht gesagt haben: "Ich finde das super, was Du machst. Ich würde das auch gerne, aber es geht nicht. Ich darf das nicht." Hast Du Rückmeldung bekommen?
Doorsoun: Berührungspunkte hatte ich das erste Mal 2019, während der Weltmeisterschaft und auch danach. Auf einmal hatte ich so viele neue Instagram Follower, dass ich erst mal dachte, dass mein Konto gehackt wurde. Und es waren alles iranische Staatsbürger. Mein Papa mir gesagt, dass es einen Bericht im Iran über mich ausgestrahlt wurde, dass ich halb Iranerin bin. Und ab da fing das an. Ich habe ganz viele Nachrichten bekommen, aber ich spreche leider kein Farsi (Persisch, Anm. d. R.), also ich kann es auch nicht lesen. Ich habe zu Hause immer gesagt: "Was steht da, was schreiben mir die Leute?? Es ging eigentlich immer darum, wie unfassbar stolz man auf mich im Iran ist. Was mir vorher nie so bewusst war, weil ich immer sage, ich bin in Köln geboren. Ich habe zwar meine Eltern, habe einen Migrationshintergrund, aber ich bin Deutsche. Deswegen hatte ich nie diese Berührungspunkte. 2019 habe ich als Trainerin bei einem Mädchenfußball-Camp einer Freundin teilgenommen. Dort ging es auch um Kinder mit Migrationshintergrund. Die Kinder kamen nicht aus dem Iran, sondern auch aus Syrien, aus unterschiedlichsten Ländern. Die meinten alle: "Das ist so cool, Du bist eine von uns und wir sehen Dich im Fernsehen." Das hat mein Herz wirklich total berührt. Und auch jetzt, wenn ich mit der Freundin spreche, sagt sie: "Die Mädels, wenn sie dich im Fernsehen sehen oder im Stadion, die sind so stolz auf dich." Sie hatte mir vor zwei, drei Wochen auch eine Anfrage geschickt, ob ich mir vorstellen kann, als Botschafterin der Mädels zu fungieren. Da habe ich nicht überlegt, sondern habe sofort gesagt: "Ich bin so stolz, dass Du mich fragst, denn es ist ja Dein Baby, es ist Dein Projekt. Ich weiß, wie viel Arbeit Du investiert hast, damit dieses Projekt da steht, wo es ist und dass ich Botschafterin davon sein darf." Das finde ich eine sehr, sehr schöne Sache.
Sky Sport: Wie viel mehr Sinn gibt es noch dem Ganzen, Fußballprofi zu sein, wenn man merkt, dass es auch solche Konsequenzen haben kann?
Doorsoun: Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mich das erst in den letzten Monaten und Jahren ein bisschen mehr beschäftigt. Als ich jünger war, wollte ich einfach nur Fußball spielen. Ich war mir meiner Rolle nie bewusst, auch was die Außendarstellung angeht. Aber je älter ich werde, desto mehr möchte ich auch so eine Funktion übernehmen und so eine Rolle übernehmen. Mir noch bewusster machen. Es gibt wirklich viele Kinder oder auch Menschen da draußen, für die ich als Vorbild gelte und zähle. Und da möchte ich jetzt auch noch viel aktiver etwas machen.
Sky Sport: Wir haben ja schon mehrfach den kulturellen Hintergrund thematisiert. In der Doku, die rund um die EM zu sehen war, gab es einen Moment, in dem es darum ging, dass Du Deine Partnerin in der Öffentlichkeit gezeigt hast, es aber Deinem Papa nicht so direkt gesagt hättest. Auch mit dem Hintergrund der Kultur, aus der er kommt. Wie war das genau? War es am Ende so unkompliziert wie Fußball zu spielen?
Doorsoun: Ich habe in der Doku gesagt, dass ich ganz viel Respekt davor habe, dass ich jede Reaktion verstehen kann, auch aufgrund seines kulturellen Hintergrundes. Dass ich mir für die Zukunft wünschen würde, dass er mich weiter so sieht, wie ich bin. Während des Gesprächs oder während des Interviews war mir gar nicht bewusst, was ich da eigentlich auslöse. Auch da habe ich so unfassbar viele positive Nachrichten bekommen, dass viele in einer ähnlichen Situation sind wie ich und ich wieder ein Vorbild bin. Ich habe dann im Nachhinein so viele Nachrichten bekommen. "Ja, was ist denn jetzt? Wie hat Dein Papa reagiert? Hat er das gesehen? Hat er es nicht gesehen?" Bis heute weiß ich es nicht. Ich habe ihn auch nicht aktiv gefragt, ob er es gesehen hat und habe auch dann meine mittlerweile Ex-Partnerin auch weiterhin nach Hause mitgebracht, weil für mich klar war: Sie gehört dazu. Ich war gespannt, wie er reagiert. Er hat mich aber ganz normal weiterhin so behandelt wie immer, wo ich dann dachte, vielleicht hat er es gesehen. Wir sprechen nicht darüber. Wir werden wahrscheinlich auch nie darüber sprechen. Aber es ist okay so, wie es ist, weil tief im Inneren glaube ich schon, dass er es gesehen hat. Da bin ich mir schon relativ sicher. Aber solange er mich weiterhin so behandelt wie vorher und nichts zwischen uns steht, was das Thema angeht, habe ich nicht ganz so viel falsch gemacht mit dem Interview.
Sky Sport: Man merkt sehr, dass Du eine Frau bist, die gerne auch etwas bewirken will. Und da ist natürlich auch die Frage, wo die Reise nach dem Fußballspielen hingeht? Bist Du eher der Privatmensch, der sagt: Ich will mich jetzt einfach mal zurückziehen, ich will jetzt auch mal einfach für mich sein? Oder bist du die Macherin, die sagt: Jetzt geht Fußball nicht mehr, aber ich will im Bereich Fußball auf andere Art und Weise die Welt verändern? Gibt es schon Zukunftspläne, Karrierepläne?
Doorsoun: Ja, mir war wichtig, nach dem Abitur sofort eine Ausbildung abzuschließen. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen, mit dem Gedanken, dass ich nach meiner Karriere immer etwas Festes in der Hand habe Ich habe hier und da an einem Seminar teilgenommen, Zertifikate abgeschlossen. Ich möchte nicht verblöden, ich möchte links und rechts auch gucken, was um mich herum passiert. Ich habe jetzt für Mai ein Stipendium bekommen, das heißt Women's Sports Leadership. Das geht dann neun Monate, wo ich auch Richtung Marketing und Management etwas machen kann und am Ende dieser neun Monate eine Prüfung ablegen muss und wieder ein Zertifikat bekomme. Ich habe schon gerne eine gewisse Sicherheit und plane auch Dinge. Aber ich kann nicht alles planen, weil das Leben nicht planbar ist. Deswegen versuche ich, mir viele Eindrücke zu verschaffen, Weiterbildungen zu machen, Fortbildungen zu machen und dann schauen wir, wo die Reise hingeht. Ob es jetzt im Sport bleibt, weiß ich nicht. Mein Berater sagte schon damals, als ich den Vertrag unterschrieben habe, dass er unbedingt möchte, dass ich das an seiner Seite mit ihm fortführe, wenn ich aufhöre, Fußball zu spielen. Das kann ich mir vorstellen.
Sky Sport: Aber Sportdirektorin wäre durchaus möglich?
Doorsoun: Das wäre möglich. Was ich auf jeden Fall ausschließen kann, ist: Ich werde sehr wahrscheinlich keine Trainerin werden.
Sky Sport: Warum nicht?
Doorsoun: Ich mag dieses Autoritäre einfach nicht, bzw. ich kann mir nicht vorstellen vor einer Gruppe zu stehen und zu sagen: "Du machst das so, du machst es so und du machst es so!" Ich spreche gerne von Menschen, damit habe ich gar kein Problem. Ich habe auch gerne einen Plan, der umgesetzt wird. Aber immer zu sagen, was zu tun ist, mag ich nicht. Und ich schimpfe ja jetzt schon als Spielerin immer darüber im Winter, wie kalt mir ist und als Trainerin da immer an der Seitenlinie zu stehen (lacht). Stand jetzt kann ich es mir nicht vorstellen.
Sky Sport: Aber auch nicht komplett ausschließen?
Doorsoun: Das kann man nie komplett. Fußball ist so temporär. Ich treffe heute eine Entscheidung. Ich sag heute etwas, was vielleicht in einer Woche gar nicht mehr zählt. Man kann die Dinge nicht planen. Man hat zwar immer eine Vorstellung, wie was sein könnte, aber was am Ende davon eintrifft, weiß man nicht.
Sky Sport: Man weiß auch nicht, ob Deutschland Weltmeister wird.
Doorsoun: Das weiß man auch nicht. Wir werden alles geben, um am Ende Weltmeisterinnen zu sein.
Das Interview führte Alexander Bonengel.