Kretzschmar spricht Klartext: "Ein menschliches No-Go"
18.02.2020 | 09:44 Uhr
Prokop ist weg - eine Entscheidung, die so nicht gefallen wäre, wenn Alfred Gislason nicht kurzfristig auf dem Markt verfügbar gewesen wäre. Stefan Kretzschmar stört derzeit aber etwas anderes: Personen, die öffentlich das unmenschliche Verhalten des DHB gegenüber Prokop kritisieren.
"Christian Prokop hat den Kampf gegen die Windmühlen verloren" - eine Aussage, die Stefan Kretzschmar sehr traurig stimmt. Für den Sky Experten kam der Trainerwechsel beim DHB am Donnerstag völlig unerwartet. "Ich bin natürlich wahnsinnig traurig und enttäuscht für Christian, weil ich mit ihm befreundet bin. Wir haben eine persönliche Verbindung."
Die Verkündung des Trainerwechsels war in seinen Augen "eine sehr unglückliche Aktion. Der Deutsche Handballbund (DHB) hat da kein gutes Bild abgegeben. Es war sicherlich nicht die feine englische Art", so der 46-Jährige. Aber Kretzschmar ist sich sicher: "Wenn Alfred Gislason nicht zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt gewesen wäre, wäre Prokop heute noch Trainer." Es musste also schnellstmöglich gehandelt werden - trotz öffentlicher Treueschwüre während der Europameisterschaft vor zwei Wochen.
Doch nicht nur das Verhalten des Verbandes ist für den Ex-Nationalspieler fragwürdig, auch die aufkommende Menschlichkeitsdebatte von "einigen Leuten in der Öffentlichkeit" ist in seinen Augen lächerlich. "Wo war denn die Menschlichkeit in den letzten drei Jahren gegenüber Prokop? Ich höre während eines Turniers: Das ist der falsche Trainer, das ist der falsche Mann. Ist das menschlich?"
Laut dem Leipziger könne jeder seine eigene Meinung haben, "aber im Nachhinein an die Menschlichkeit zu appellieren, wenn man es selber nicht gerade vorbildlich vorlebt während der Amtsperiode und jede Chance nutzt, um zu sagen, dass er nicht der richtige Trainer ist, sogar während eines Turniers - das ist meiner Meinung nach ein menschliches No-Go."
Für den DHB ist der aktuelle, selbst verschuldete Imageschaden gravierend. Der Ex-Nationalspieler sieht darin aber auch etwas Positives: "Natürlich reden wir von einem großen Imageschaden, für mich ist das aber immer gleichbedeutend mit einer großen Aufmerksamkeit. Wir sehen anhand der Reaktionen in der Öffentlichkeit, dass Handball eine Sportart ist, die vor allem jetzt im Januar im Fokus stand. Jeder will mitreden, ist also auch interessiert daran. Das ist auf der einen Seite gut, wenn das Thema nicht so negativ wäre."
Die Glaubwürdigkeit des Verbandes ist laut Kretzschmar dadurch verloren gegangen, "aber mit dem Lehrgang im März ist das Thema dann wieder erledigt." Für den Nachfolger Gislason sicherlich eine willkommene Vorstellung.