Plan B? Mit Tel haben die Bayern einen Stürmer, der Tore macht
07.08.2023 | 17:43 Uhr
Lothar Matthäus kommentiert in seiner Kolumne das Verhalten des FC Bayern im Poker um Harry Kane, Yann Sommers Wechsel zu Inter Mailand und die Reaktion der Münchner auf die Vorwürfe des Beraters von Sadio Mane. Beim WM-Aus der Frauen sieht er Parallelen zu den Männern.
Der Wechsel von Yann Sommer zu Inter Mailand ist für mich eine logische Konsequenz aus der Entwicklung der vergangenen Monate. Sommer braucht einen Verein, bei dem er nicht nur im September und vielleicht noch im Dezember die Nummer eins ist, sondern vor allem auch nächstes Jahr im April. Inter hat einen neuen Torwart gesucht, sie haben Sommer gewollt.
Sommer braucht die regelmäßigen Einsätze, denn er will auch bei der EM im kommenden Jahr spielen. In Gregor Kobel hat er einen starken Konkurrenten, der in Dortmund als Nummer eins gesetzt ist und der bei Bayern München für die Zukunft als potenzieller Nachfolger von Manuel Neuer im Blickfeld steht.
Beim FC Bayern bleibt die große Frage: Was ist mit Manuel Neuer? Die Münchner müssen wahrscheinlich einen neuen Torwart finden. Man hat damals Sommer geholt, weil man Sven Ulreich nicht zugetraut hat, Neuer zu vertreten. Ulreich hat mich vergangene Woche beim Test gegen Liverpool in der zweiten Halbzeit überzeugt, er hatte eine ganz andere Ausstrahlung und Körpersprache als Sommer, der zuletzt resigniert wirkte, weil er einfach das Vertrauen nicht gespürt hatte. Nicht vom Trainer und nicht vom Verein.
Ulreichs Herangehensweise und Zielsetzung sind ganz andere. Er hat nicht die Hoffnung, nächstes Jahr bei der EM zu spielen und er weiß, dass er sich wieder hintenanstellen muss, wenn Neuer zurückkehrt. Er macht kein Theater, trainiert professionell und man hat sich immer auf ihn verlassen können, wenn er gebraucht wurde. Für den FC Bayern heißt das: Entweder man vertraut Ulreich, hat einen jungen Torhüter auf der Bank und weiß, dass Neuer zurückkommt.
Aber wenn hinter Neuer ein Fragezeichen steht, glaube ich, dass ein neuer Torwart dazustoßen sollte. Ich hatte schon einmal David de Gea, der nach seiner Zeit in Manchester momentan vertragslos ist, genannt. Man sollte sich um einen Torwart kümmern, der schon etwas Erfahrung hat und den Konkurrenzkampf mit Neuer annimmt, und sich, wenn Neuer in zwei oder drei Jahren aufhören sollte, nach einem Torhüter in der Kategorie eines Kobel umschauen.
Was Harry Kane angeht, machen die Bayern momentan im Prinzip alles richtig. Sie müssen jetzt abwarten, wie Tottenham sich entscheidet. Bayern hat sich für Kane mehrmals gestreckt, mehr können sie im Endeffekt nicht machen.
Der Lewandowski-Poker mit Barcelona hat sich auch hingezogen, aber am Schluss hat man eine Lösung gefunden. Bayern hat das bekommen, was auch Tottenham möchte, nämlich mehr Geld. Am Wochenende startet die Premier League. Ich hoffe, dass alles in dieser Woche über die Bühne geht, denn das wäre, glaube ich, im Sinn er aller Beteiligten.
Sollte es nicht klappen, hoffe ich, dass die Bayern für den Sturm noch eine B-Lösung haben, obwohl ich persönlich Mathys Tel viel zutraue. Wenn man ihm das Vertrauen schenkt und die Chance gibt. Thomas Tuchel hat vor ein paar Wochen noch darüber nachgedacht, Tel zu verleihen. So etwas höre ich als Spieler nicht gerne. Als Spieler möchte ich die Unterstützung des Trainers und des Vereins spüren.
Natürlich ist Tel nicht Kane oder Lewandowski, aber mit ihm haben die Bayern einen Stürmer, der Tore macht. Es kann sein, dass Tuchel einen anderen, einen erfahreneren Angreifer will, aber ich muss als Trainer auch meine Spieler stark machen. Tel hat von Tuchel etwas abbekommen, Sommer und Leon Goretzka haben etwas abbekommen. Die Äußerungen waren alle nicht so positiv, wie man sie als Spieler hören möchte.
In der Abwehr bleibt die Frage, ob Kyle Walker kommt. Im Community Shield gegen Arsenal war er Kapitän von Manchester City, ein Zeichen der Wertschätzung von Pep Guardiola, aber die Bayern wissen nicht, was los ist. Sie haben Pavard als Backup für die rechte Seite und mit dem Franzosen insgesamt vier Innenverteidiger. Min-jae Kim und Mathijs De Ligt sind für mich gesetzt, für Upamecano sieht es - auch aufgrund seiner Leistungen am Ende der vergangenen Saison unter Tuchel - so aus, dass er nicht als Stammspieler in die Saison startet.
Frans Krätzig hat mit seinem Traumtor gegen Liverpool auf der linken Abwehrseite auf sich aufmerksam gemacht. Das sollte man nach einem guten Spiel nicht überbewerten. Auch bei Pep Guardiola gab es Talente wie Gianluca Gaudino oder Lucas Scholl, die in der Vorbereitung nicht abgefallen sind, aber am Ende doch nicht mehr im Kader dabei waren.
Wenn man Talente zu den Profis nach oben ziehen will, muss man diesen jungen Spielern die Chance zu geben, sich auf höherem Niveau zu beweisen, als es in der zweiten Mannschaft des FC Bayern möglich ist.
Die FCB-Reserve spielt nur in der Regionalliga, das ist aus meiner Sicht eine Liga zu tief. In den vergangenen Jahren hat es aber kaum einen interessiert, was mit der zweiten Mannschaft los ist. Das haben Vereine wie Freiburg oder Dortmund besser gemacht.
Ich sehe die Situation bei einem Frans Krätzig so ähnlich wie bei Philipp Lahm vor 20 Jahren, der damals nach Stuttgart gegangen ist und dort die nächsten Schritte gemacht hat. Ein Verein wie der VfB oder ein spielstarker Zweitligist mit Aufstiegsambitionen könnten gute Abnehmer für ihn sein.
Nach dem Weggang von Sadio Mane hat dessen Berater gegen den FC Bayern nachgetreten. Seine Aussagen waren an den Haaren herbeigezogen. Ich kann dem FC Bayern nur dazu gratulieren, wie sie diese Vorwürfe kommentiert haben: klar, professionell und distanziert.
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Noch ein paar Worte zum Aus der deutschen Frauen-Nationalmannschaft bei der WM in Australien und Neuseeland: Ich sehe gewisse Parallelen zu den Männern.
Beide Nationalmannschaften sind auf ähnliche Art und Weise aus dem Turnier geflogen. Deutschland ist verdient ausgeschieden, auch wenn die Mannschaft gegen Südkorea optisch überlegen war. Aber sie hat aus ihren Chancen nicht die nötigen Tore gemacht, genauso wie die Männer in Katar. Und dann war auch noch das Ergebnis im Parallelspiel nicht das, was man gebraucht hätte.
Das WM-Quartier in Wyong war ähnlich weit weg vom Schuss wie die Quartiere der Männer in Russland und in Katar. Ich denke, es wird bei den nächsten Turnieren nicht mehr so sein, dass man irgendwo abgeschottet in der Prärie ist. Auch bei einer WM willst du mal raus aus deinem Hotel. Man muss nicht alle Wünsche der Mannschaft erfüllen, aber man will als Spieler nicht irgendwo sein, wo man wochenlang nur aufeinander herumhängt, sondern man will auch mal vor die Tür gehen und zum Beispiel einen Kaffee trinken.
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Auch bei den Reiseplanungen ist viel falsch gelaufen und unterm Strich war es eine sehr enttäuschende WM. Vielleicht hat man sich vom klaren Auftaktsieg etwas blenden lassen. Die Fehler müssen nun analysiert werden. Im Gegensatz zu den Männern hat man bei den Frauen zumindest gemerkt, dass Deutschland und auch die Medien hinter ihnen standen. Die Frauen konnten sich auf das Sportliche konzentrieren. Für die Männer war es schwieriger, weil sie schon vor, aber auch während und nach der WM mit anderen Dingen konfrontiert waren.
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