Nicht Yamal oder Williams: Das ist Spaniens wichtigster Spieler
01.07.2024 | 17:37 Uhr
Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne auf das Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien. Der Sky Experte sieht Parallelen zwischen beiden Teams und erklärt, warum Joshua Kimmich und David Raum keine Angst vor Spaniens Flügelzange haben müssen.
Die Ergebnisse stimmen, die Stimmung in der Mannschaft und im Land ist gut, aber die Leistung muss noch etwas besser werden, denn die Gegner werden nicht schwächer. Im Gegenteil.
Mit Spanien und Deutschland treffen am Freitag die beiden bisher punktbesten Mannschaften dieser Europameisterschaft aufeinander, beide haben attraktiven Fußball mit großem Unterhaltungswert gezeigt, beide haben gestandene Spieler und herausragende Talente in ihren Reihen.
Es ist ein Viertelfinale, das wie ein Endspiel aussieht. Du kannst im direkten Duell einen der großen Konkurrenten aus dem Turnier werfen.
Die Spanier sind bisher vielleicht etwas dominanter aufgetreten als die deutsche Mannschaft, aber man kann ihr Achtelfinale, bei allem Respekt vor den Georgiern, die uns begeistert haben, nicht mit Deutschlands Spiel gegen Dänemark vergleichen.
Dennoch kann man gewisse Parallelen zwischen Spanien und Deutschland ziehen. Beide haben ähnliche Stärken in der Offensive, aber auch Schwächen, vor allem nach Ballverlust. Die Restverteidigung ihrer Mannschaften kann Spaniens Trainer Luis de la Fuente und auch Julian Nagelsmann nicht gefallen.
Die Georgier hatten durch schnelles Umschalten nach Ballverlusten der Spanier einige Konterchancen und hätten sogar 2:0 führen können. Die Schweizer hatten nach deutschen Ballverlusten viele - zu viele - Umschaltmomente. Beide Teams hatten ihre Probleme, was aber in der Natur der Sache liegt. Wenn du nach vorne ausgerichtet bist, kannst du nicht hinten mit zehn Mann verteidigen.
Für mich ist es keine Frage, dass Jonathan Tah nach seiner Gelbsperre in die Abwehr zurückkehrt. Nico Schlotterbeck hat gegen Dänemark einen guten Job gemacht, aber Tah hat vorher alles richtig gemacht und eine herausragende Saison in Leverkusen gespielt. Darum glaube ich an eine Innenverteidigung mit Tah und Antonio Rüdiger.
Leroy Sane hat mich gegen Dänemark nicht enttäuscht, aber er kann mehr. Er ist noch nicht richtig im Turnier angekommen. 80 Millionen Bundestrainer im Land diskutieren, ob Sane wieder auf die Bank soll und ob Wirtz wieder beginnen soll, wer in die Startelf gehört und wer nicht.
Ich persönlich bin froh, dass wir in Deutschland so viele Alternativen haben und überhaupt zu dieser Diskussion kommen. Jeder Spieler hat seine individuellen Qualitäten, der Trainer kann je nach System entscheiden. Wir diskutieren auf höchstem Niveau, und das ist das Schöne.
Maximilian Mittelstädt hat in Stuttgart eine hervorragende Saison gespielt, aber David Raum ist für mich der robustere und dynamischere Spielertyp, der sich im Abwehrverhalten enorm verbessert hat, der bessere Flanken schlägt und nach meinem Empfinden einen besseren Eindruck hinterlässt - gerade gegen die Geschwindigkeit, die die Spanier auf dem Flügel haben.
Joshua Kimmich ist ein Führungsspieler, der dazu beigetragen hat, dass der FC Bayern 2020 die Champions League gewonnen hat. Um ihn herum sind in den vergangenen Jahren viele Dinge passiert. Die Impfgeschichte, die Diskussion um die Position in der Mannschaft, die Thomas Tuchel noch befeuert hat. Jetzt hat Kimmich seinen Platz gefunden.
Ich habe schon gesagt, dass er Rechtsverteidiger auf Weltklasseniveau spielen kann, und er hat gegen Dänemark wieder gezeigt, dass man sich auf ihn verlassen kann. Warum sollte Kimmich also Sorge oder Angst vor Nico Williams haben? Er hat schon einige Male gegen Kylian Mbappe gespielt und den Franzosen nicht zur Entfaltung kommen lassen, unter anderem in einem Champions-League-Endspiel.
Über die Flügelzange der Spanier wird viel gesprochen, ihr wichtigster Spieler ist aber ein anderer. Bei uns ist es Toni Kroos, bei Spanien ist es Rodri. In der Offensive ist er noch etwas aktiver, wie man bei seinem Tor gegen Georgien wieder gesehen hat. Rodri und Kroos sind die Köpfe ihrer Mannschaften und die wichtigsten Spieler ihrer Trainer, auch wenn beide nicht die Kapitäne sind.
Die deutschen Spieler bejubeln nicht nur Tore, sondern auch gewonnene Abwehraktionen, so wie Rüdiger in den Schlussminuten gegen Dänemark. Das zeigt, dass alle mit Herz dabei sind und das ist gut für die Atmosphäre in der Mannschaft. Um Spiele zu gewinnen, brauchst du aber Emotionen und einen kühlen Kopf. Wenn alles zusammen funktioniert, erzielst du die gewünschten Ergebnisse.
Am Freitag begegnen sich zwei Mannschaften auf Augenhöhe. Deutschland muss sich vor Spanien nicht verstecken. Am Ende werden Nuancen entscheiden. Ich tippe auf eine Entscheidung im Elfmeterschießen und als Patriot sage ich, Deutschland kommt weiter.
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