Kritik vs. unerwartetes Lob: Ist Bottas noch der Richtige für Mercedes?
22.06.2021 | 21:01 Uhr
Lewis Hamilton (Mercedes) und Max Verstappen (Red Bull) machen den WM-Titel in dieser Saison unter sich aus. Doch auch beim Rennen in Le Castellet wurde deutlich, dass im Kampf um die WM auch der zweite Fahrer bei den Top-Teams eine gewichtige Rolle spielt. Aus diesem Grund steht erneut Valtteri Bottas im Fokus.
Von Platz drei aus ging Bottas in das Rennen in Le Castellet, hinter Verstappen und seinem Teamkolllegen Lewis Hamilton und vor dem zweiten Red-Bull-Piloten Sergio Perez - keine schlechte Ausgangslage für Mercedes und den Finnen.
Auch der Start verlief vielversprechend für die Silberpfeile. Hamilton konnte nach einem Fehler von Verstappen die Führung übernehmen und Bottas hielt im Anschluss gut mit dem Führungsduo mit und baute seinen Vorsprung auf den viertplatzierten Perez aus.
Doch nach einigen Runden musste der Finne dann doch abreißen lassen, spielte im Kampf um den Sieg keine Rolle mehr und hatte vorrangig die Aufgabe, Hamilton nach dem zweiten Verstappen-Stopp den Rücken freizuhalten. Eine Aufgabe, an der er nach Meinung zahlreicher Experten allerdings grandios gescheitert ist.
"Ich persönlich würde ihn im Duell mit Verstappen sehr hart kritisieren. Viel konnte er zwar nicht machen, aber das hat er sehr schlecht gemacht und daher hat Max fast keine Zeit verloren. Bereits eine Sekunde hätte das Rennen entscheiden können", so Sky Experte Nico Rosberg.
In die gleiche Kerbe schlägt Sky Experte Ralf Schumacher (hier geht's zu seiner neusten Kolumne nach dem Frankreich-GP): "Als Max an Bottas vorbeigezogen ist, hat der sich ins Boxhorn jagen lassen. Valtteri ist innen reingefahren und das hätte er nicht machen müssen. Er hätte ihn noch ein paar Runden aufhalten können und wenn man gesehen hat, wie knapp das am Ende war, hätte das einen Unterschied machen können."
Bottas selbst hingegen sah keinen Fehler bei sich: "Ich weiß nicht, ob er mich ausgetrickst hat. Ich habe versucht, mich zu verteidigen und er hat eine gute Traktion aus Kurve neun gehabt." Der Finne suchte den Grund für das letztlich bescheidende Endergebnis eher beim Team. Bereits über den Boxenfunk kritisierte er die gewählte Strategie von Mercedes aufs Schärfste! Keiner habe vor dem Rennen auf ihn gehört, dass es ein Rennen mit zwei Stopps werde.
Mercedes wählte hingegen eine Ein-Stopp-Strategie bei beiden Fahrern und ging diesmal als strategischer Verlierer vom Asphalt. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wollte die harte Kritik seines Fahrers aber nicht zu hoch hängen - ganz im Gegenteil: "Ich finde es super, endlich kritisiert er mal. Valtteri lässt es raus. Es ist eine Freude, das anzuschauen."
Ob in dieser doch überraschenden Antwort ein Stück weit Ironie mitschwingt, weiß letztendlich nur Wolff selbst. Der Mercedes-Boss wollte - anders als im Rahmen des GP der Emilia Romagna - nach dem Rennen in Le Castellet aber nichts auf seinen Fahrer kommen lassen. "Das Rennen spricht für Bottas. Er ist sehr stark gefahren, hatte die ganze Zeit die Pace. Ich sehe da eine sehr gute Entwicklung. Was das für kommendes Jahr bedeutet, ist noch viel zu früh zu sagen. Sowohl für George (Russell, Anm. d. Red.) wie auch für Valtteri."
Für Rosberg hingegen steht die Entscheidung über Bottas' Zukunft bereits fest: "Während der Saison werden sie keinen Wechsel vornehmen, von der Pace ist Bottas ein starkes Rennen gefahren. Er wird die Saison durchfahren und ich sehe beste Chancen, dass er auch nächstes Jahr noch im Cockpit sitzt. Er ist einfach eine sichere Karte."
Anders hingegen sieht dies Schumacher, der neben dem Verhalten von Bottas im Zweikampf gegen Verstappen auch den Funkspruch des Finnen in Richtung Team kritisiert. "Es kann sein, dass Mercedes da die falsche Strategie gewählt hat. Man gewinnt zusammen und verliert zusammen und da finde ich, man kann damit so umgehen wie Hamilton. Ich wundere mich, dass er sich einen solchen Funkspruch traut, an seiner Stelle wäre ich derzeit ganz leise."
Und weiter: "Eines ist klar: Man braucht einen starken Teamkollegen, um Strategien zum Arbeiten zu kriegen. Das hat er heute teilweise geleistet, aber dann auch wieder nicht gut genug. Der Reifen hat schneller abgebaut als bei Lewis. Das sind alles Probleme, an denen er arbeiten muss, ansonsten wäre ein Wechsel realistisch. Mercedes hat derzeit auch andere Probleme. Aber auch dann brauche ich einen Fahrer, der mehr rausholt. George Russell ist mit Sicherheit ein Fahrer, der den Unterschied machen kann."
Es zeigt sich also: Es gibt sowohl Bottas-Befürworter als auch Bottas-Gegner, was dessen Zukunft bei Mercedes anbetrifft. Welcher Meinung bist Du?
Bis zum Doppel-Header in Spielberg (ab kommendem Wochenende LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport F1) wird in dieser Hinsicht wohl keine Entscheidung fallen. Doch die Performance von Bottas in den beiden Rennen könnte einen beträchtlichen Einfluss auf die Entscheidung seitens Mercedes haben ...