Können die Schiedsrichter nicht mehr ohne den VAR? Die 2. Runde im DFB-Pokal wurde von einigen Fehlentscheidungen überschattet.
31.10.2024 | 17:16 Uhr
"Mit dem VAR können wir nicht, ohne ihn aber auch nicht", sagt Babak Rafati im Gespräch mit skysport.de. Der 54-Jährige war viele Jahre als Schiedsrichter in der Bundesliga tätig. Insgesamt leitete Rafati, der heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager arbeitet, 84 Partien in Deutschlands höchster Spielklasse sowie zahlreiche internationale Duelle.
skysport.de: Herr Rafati, im Pokal kommt der VAR erst ab dem Achtelfinale zum Einsatz. Wieso nicht auch schon in der 2. Runde?
Babak Rafati: Am Ende scheitert es am Finanziellen. Man muss davon ausgehen, dass in der 2. Runde noch Amateurvereine dabei sind. Da gibt es nicht die selben Möglichkeiten wie bei einem Bundesligisten. In der heutigen Zeit dürfte das aber nicht mehr der Grund sein, denn es geht im Pokal schließlich auch um sehr viel Geld. Daher finde ich es nicht gut, dass man aus finanziellen Gründen auf den VAR verzichtet.
skysport.de: Hätte man auf den VAR aber nicht zumindest in den Stadien zurückgreifen können, wo es möglich gewesen wäre?
Rafati: Grundsätzlich wäre es sicherlich möglich, den VAR in den Stadien einzusetzen, wo es möglich ist. Die kleineren Vereine fänden das aber wahrscheinlich nicht so gut und das Geschrei wäre groß. Bevor das eintrifft, möchte man eher Gleichheit schaffen für alle Vereine. Auf das Einheitliche zu setzen ist in diesem Fall besser.
skysport.de: Die Schiedsrichter stehen nun massiv in der Kritik. Ex-Bayern-Trainer Niko Kovac hatte zuletzt bei Sky90 gefordert, dass es in der Bundesliga in Zukunft reine Profi-Schiedsrichter geben sollte. Wie finden Sie diese Idee?
Rafati: Man könnte das als Testphase mal ausprobieren. Ich bin ein Freund von Innovationen. Beim DFB ist dieser Begriff aber leider ein absolutes Fremdwort. Dort setzt man noch immer auf das Altbewährte. Ob die Schiedsrichter am Ende besser pfeifen würden, das weiß man aber ja nicht. Es gibt auch Stimmen, die sagen, dass ein beruflicher Ausgleich für die Schiedsrichter gut ist. Wichtig wäre aber schon, dass der DFB mehr auf Stimmen von außen eingeht, wie eben nun beispielsweise von Niko Kovac und sich nicht verschließt. Früher war ich genauso. Aber heute schaue ich da anders drauf.
skysport.de: Haben wir in Deutschland ein Schiedsrichter-Problem?
Rafati: Ja, aber das liegt vordergründig auch an der Verbandsspitze. Die Schiedsrichter, die wir haben, sind keinesfalls schlecht. Wir haben die Qualität der Schiedsrichter, sie ist aber in den letzten Jahren durch den VAR massiv eingebrochen. Die Schiedsrichter sind oftmals keine Persönlichkeiten mehr.
skysport.de: Der Grundgedanke hinter dem VAR ist gut. Aber machen wir bei der Umsetzung in Deutschland nicht etwas falsch?
Rafati: Der VAR ist eine hervorragende Idee. Die Umsetzung ist aber katastrophal, sie ist detektivisch. Die Schiedsrichter waren jahrelang der Chef auf dem Platz. Und nun gibt es einen Kollegen im Keller, der ihm auf dem Platz vorgibt, was er zu machen hat. Da geht es um die DNA des Schiedsrichters. Das nächste Problem ist, dass es auf dem Platz als Beispiel einen erfahrenen Schiedsrichter gibt, der mehr laufen lässt und im Keller einen Jüngeren, der eher kleinlicher pfeifen würde. Da stoßen zwei unterschiedliche Spielphilosophien aufeinander. Der nächste Punkt handelt vom Konkurrenzdenken. Es gibt so viele Dinge, die die Hauptaufgabe des VAR in den Schatten stellen. In den vergangenen Jahren wurde es versäumt, die Schiedsrichter in der DNA zu verändern. In den Köpfen der Schiedsrichter ist noch nicht angekommen, dass der VAR hervorragend ist. Er dient als eine Art Airbag. Es fehlt an der Spitze beim DFB an Fachkompetenz und an Qualität, sodass die Schiedsrichter richtig geschult werden.
skysport.de: Was müsste Ihrer Meinung nach passieren?
Rafati: Die DFL müsste viel mehr in den Hintergrund des Schiedsrichterwesens beim DFB blicken, um zu sehen, was da Sache ist. Persönliche Eitelkeiten müssen ausgeräumt werden. Zu wenige Leute schauen auf das große Ganze. Viele schauen nur auf sich selbst. Mir fehlen auch die Typen, die mal klare Kante zeigen - auch öffentlich, und den Finger in die Wende legen. Reinen Wein einzuschenken würde allen Beteiligten helfen. Es braucht mehr Offenheit und Transparenz. Ich würde mich freuen, und es wäre förderlich für den Fußball, wenn es mal einen DFB-Präsidenten geben würde, der selbst Fußballprofi war und die Mechanismen kennt.
skysport.de: An wen denken Sie?
Rafati: Philipp Lahm zum Beispiel. Er könnte etwas bewegen.
Das Interview führte Fabian Schreiner.
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