Bayern-Wunsch auf Abstellgleis: Hudson-Odoi bei Leverkusen im Tief
09.03.2023 | 17:40 Uhr
Lange Zeit hat der FC Bayern Hudson-Odoi heiß umworben. Mit Blick auf seine aktuelle Entwicklung dürften die Verantwortlichen dem gescheiterten Deal wohl keine Träne hinterherweinen. Denn der Durchbruch will für den 22-Jährigen auch in Leverkusen einfach nicht gelingen.
Callum Hudson-Odoi entpuppt sich bei Bayer 04 Leverkusen bislang nicht als erhoffte Verstärkung. Der von Chelsea ausgeliehene Engländer steht seit seinem Wechsel zur Werkself im vergangenen Sommer in wettbewerbsübergreifend 20 Pflichtspielen bei einem mageren Treffer und einem Assist. Dabei hatte die Verpflichtung vor der Saison noch für mächtig Euphorie bei Bayer gesorgt.
Immerhin lernte der 22-Jährige sein Handwerk schon als Siebenjähriger in der Akademie des FC Chelsea, durchlief dort sämtliche Jugendauswahlen und wurde von vielen Experten auf der Insel als "Wunderkind" betitelt. Auch der FC Bayern hat lange um das einstige Ausnahme-Talent gebuhlt. 2019 sollen die Münchener 39 Millionen Euro für den damals 18-Jährigen auf den Tisch gelegt haben.
Doch die Blues aus London nahmen das Angebot nicht an. Wirklich traurig über den geplatzten Deal dürfte in München heute wohl allerdings auch niemand sein. Denn schon jetzt, ein halbes Jahr nach dem Leih-Coup, ist vom Hype um Hudson-Odoi auch in Leverkusen nichts mehr übrig.
Obwohl er in der Hinrunde in den sechs Gruppenspielen der Champions League noch jeweils von Beginn an auf den Platz geschickt wurde und auf insgesamt 61,4 Prozent der möglichen Einsatzminuten kommt, steht er mit 124 Spielminuten und einer Einsatzquote von gerade einmal 15,3 Prozent im neuen Kalenderjahr auf dem Abstellgleis.
In den vergangenen drei Pflichtspielen saß er jeweils 90 Minuten auf der Bank und spielte für Trainer Xabi Alonso selbst in einer kräftezehrenden englischen Woche keine Rolle. Andere Offensiv-Akteure wie Florian Wirtz, Moussa Diaby, Amine Adli oder Sardar Azmoun haben klar die Nase vorn.
Dabei verfügt der dreimalige englische A-Nationalspieler auf dem Papier durchaus über die nötige Qualität, selbst in einem guten Leverkusener Kader zu bestehen und eine Alternative für die erste Elf darzustellen. Der meist auf der halblinken Außenbahn eingesetzte Rechtsfuß bringt Tempo mit, ist kreativ, technisch versiert und hat große Qualitäten im Eins-gegen-eins. Er ist flexibel im offensiven Mittelfeld einsatzbar und mit einer Quote von 87,4 Prozent der zweitpräziseste Passgeber im Bayer-Kader hinter Innenverteidiger Jonathan Tah (89,8).
Doch all das bringt der verheißungsvolle Flügelflitzer im Dress von Bayer nicht auf den Platz. Ohne zwingende Momente vor dem Tor ist sein Einfluss auf das Offensiv-Spiel der Werkself schlichtweg nicht vorhanden. Er zieht keine Sprints im letzten Drittel an, schafft somit auch keinerlei Räume oder bindet Gegenspieler. Hudson-Odoi ist zu oft zu harmlos, wenn es darum geht, vor dem Tor für Gefahr zu sorgen. Er sucht zu selten den Abschluss und kann nicht den nötigen Unterschied in den Abwehr-Reihen des Gegners ausmachen. Auch deshalb gelang dem Engländer trotz 13 Einsätzen noch kein Treffer in der Liga.
Auch Leverkusens Geschäftsführer Simon Rolfes ist trotz aller vorhandenen Qualität überrascht von der Harmlosigkeit Hudson-Odois und fordert mehr Präsenz von seinem Schützling: "Er muss die Konsequenz an den Tag legen, in die gefährlichen Räume zu gehen und selbst torgefährlich zu werden. Da muss er viel mehr Präsenz zeigen. Da kann er deutlich mehr. Die technischen Qualitäten dazu hat er", so der 41-Jährige im kicker.
Ob Hudson-Odoi für Leverkusen noch einmal wichtig wird, darf stark angezweifelt werden. Immerhin sind bei Bayer mittlerweile auch wieder alle Offensivkräfte fit. Ganz anders als in der Hinrunde, als Wirtz, Adli, Patrik Schick, Karim Bellarabi oder Azmoun komplett oder länger fehlten.
Letzterer, der sich nach längerer Verletzungspause zurück in die Startelf kämpfen und auch beim jüngsten 4:1-Erfolg über Hertha BSC mit einem Treffer glänzen konnte, könnte aus Sicht von Rolfes ein Vorbild für den tief gefallenen Engländer sein: "Sardar ist ein Beispiel, wie du dich in eine andere Situation bringen kannst. Aber das muss von einem selbst kommen", so der ehemalige Fußballprofi, der den Biss Hudson-Odois oft vermisst: "Callum ist ein freundlicher Mensch, aber auf dem Platz muss er mehr die Ellenbogen ausfahren."
Dass der 22-Jährige im Sommer zurück nach England geht, ist unabhängig davon, ob Hudson-Odoi noch einmal aufdrehen wird, bereits verbrieft. Denn eine Kaufoption hat die Werkself nicht. Doch nicht nur wegen der ernüchternden Leistungen, sondern auch aus finanzieller Sicht wäre eine feste Verpflichtung schwer vorstellbar gewesen. Der Offensivakteur soll bei Chelsea zehn bis zwölf Millionen Euro Gehalt kassieren - Bayer übernimmt diese Summe während des Leihgeschäfts angeblich zur Hälfte.
Bei den Blues läuft Hudon-Odois Arbeitspapier noch bis 2024. Bei seiner Rückkehr nach London im Sommer droht ihm noch mehr als in Leverkusen der Bank- oder Tribünenplatz. Immerhin hat Chelsea im Winter mit acht Neuzugängen für weit über 300 Millionen Euro vor allem offensiv noch einmal ordentlich auf dem Markt zugeschlagen. Hudson-Odoi ist mit 22 Jahren noch immer jung und dass er angesichts dessen noch einmal richtig durchstartet, darf keineswegs ausgeschlossen werden. Doch bei den namhaften Blues dürfte er über den Sommer hinaus keine Perspektive haben.
Und so wartet das einst hoch gelobte Ausnahme-Talent noch immer auf seinen großen Durchbruch auf der Profi-Bühne. Auch das Kapitel Werkself scheint einen für alle Parteien eher unbefriedigenden Verlauf zu nehmen. Callum Hudson-Odoi muss über kurz oder lang zusehen, dass er nicht nur in Leverkusen als einstiges Wunderkind auf dem Abstellgleis in Erinnerung bleibt.
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