Bayerns Kampf um Kane: Wie läuft so ein Transfer ab?

"Wie auf dem Jahrmarkt": So läuft ein Transfer in der Bundesliga ab

Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß besprechen hier womöglich die Transferplanungen der Bayern.
Image: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß besprechen hier womöglich die Transferplanungen der Bayern.  © DPA pa

Das Ringen um Harry Kane wird zur Odyssee. Aber wie geht ein solcher Transfer vonstatten? Im exklusiven Sky Interview haben der langjährige Bundesliga-Manager und Direktor einer Berateragentur Michael Reschke sowie der Bundesliga-Manager eines Top-Vereins, der namentlich nicht genannt werden will, die Abläufe erklärt.

Wenn die Tage heißer werden und die Handys der Transfer-Experten zu glühen beginnen, weiß man, die fünfte Jahreszeit im Weltfußball ist angebrochen: Das Sommertransferfenster. Es wird verhandelt, geschachert und gepokert. Spieler gehen, andere kommen, manche werden gegangen oder erwirken selbst zu gehen. Die Ereignisse überschlagen sich im groben Zeitraum zwischen dem 1. Juli und dem 1. September.

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Auch die Bayern befinden sich aktuell mitten in dem Gewusel der Kaderplanung: Harry Kane soll kommen, Tottenham Hotspur ziert sich bislang. Ausgang: ungewiss. Aber wie läuft ein solcher Transfer überhaupt ab, bei dem es um die sportliche und auch wirtschaftliche Zukunft von Vereinen geht, um das Schicksal moderner Wirtschaftsunternehmen in einer überaus umsatzträchtigen Branche?

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Harry Kane hat inmitten der Spekulationen um einen möglichen Wechsel zum FC Bayern München bei seinem Verein Tottenham Hotspur die Saisonvorbereitung aufgenommen.

Zwei klassische Wege bei einem Transfer

Im Grunde gebe es bei einer Transferanbahnung zwei klassische Wege, erklärt Michael Reschke, langjähriger Fußballfunktionär diverser Bundesliga-Vereine. Die eine Option sei es, dass der Verein einen Spieler selektiert und dann Kontakt mit dem Berater aufnimmt. Dort werden anschließend die ersten Parameter erörtert: "Wie ist die Gesamtsituation für den Spieler und den interessierten Klub, welche Alternativen besitzen beide, welche Ambitionen verfolgen beide Seiten, wie sehen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus."

Die zweite Option greife dann, wenn Vereine Spieler für eine Position suchen, ein Transfer aber nicht geklappt hat. "Es gibt mittlerweile große internationale Agenturen wie CAA Stellar mit einem großen Portfolio von über tausend Spielern und entsprechenden Datenbanken, über die Spielerprofile abgeglichen werden können. Oft gibt es dann einen Spieler, der auf die Kriterien des suchenden Vereins passt. Ab dann geht der Prozess analog zu dem ersten Beispiel weiter."

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Interessierter Verein tritt zuerst an den Berater heran

Die erste Instanz läuft also zwischen dem interessierten Verein und dem Spielerberater ab, um zu eruieren, ob ein Wechsel grundsätzlich vorstellbar ist: "Die Gespräche mit dem Spieler müssen nicht final sein, bevor man an den Verein herantritt", erklärt Reschke. "Man muss aber wissen: Kann sich der Spieler grundsätzlich vorstellen, zu uns zu wechseln. Das weitere Vorgehen wird in der Regel zwischen dem interessierten Verein und dem Berater des Spielers besprochen."

Dabei geht es nicht nur um die Formalitäten und die Gehaltsvorstellungen, schließlich muss der Spieler auch wissen, wie der etwaige neuer Arbeitgeber sportlich mit einem plant. "Für die Spieler sind zwei Gespräche entscheidend", hält Reschke fest. "Du sprichst in der Regel zuerst mit dem Klubverantwortlichen, dem Technischen Direktor oder dem Manager. Und dann ist für jeden Spieler das Trainergespräch entscheidend, um zu wissen, wie der Trainer plant und welche Einschätzung er hat."

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Welche Rolle spielt der Trainer?

Auch wenn der Übungsleiter in Kaderfragen letztlich nicht verantwortlich sei, so müsse er dennoch bei den Überlegungen involviert sein. "Bei so einer Verpflichtung muss der Trainer mit an Bord sein", betont Reschke. "Der Trainer hat klar die sportliche Gesamtverantwortung, wie die Mannschaft aufgestellt ist, welche Spieler spielen. Aber eins hat er nicht: wirtschaftliche Verantwortung."

Allerdings gab es auch Beispiele, in denen der Trainer aktiv Ansprüche an die Kaderplanung gestellt haben. So war es Pep Guardiola, der vor seiner Anstellung beim FC Bayern dogmatisch gefordert hatte: "Thiago oder nix". In dem Fall sei das allerdings auch für den Verein sinnvoll gewesen, erklärt Michael Reschke: "Bei Thiago war es vom Preis-Leistungs-Verhältnis ein sehr guter Transfer für den FC Bayern München. Ich habe mit Pep zusammengearbeitet (als Technischer Direktor von 2014 bis 2016, Anm. d. Red.). Er ist nicht derjenige, der permanent Forderungen stellt. In Kaderfragen hat er sich sehr auf unser Team verlassen."

Nächster Schritt: Berater kontaktiert Verein

In der Vergangenheit ist es in aller Regelmäßigkeit zu Zerwürfnissen zwischen Trainer und Vereinsoffiziellen gekommen, weil keine Übereinkunft über die Kaderzusammensetzung erreicht werden konnte. Dem Vernehmen nach war das auch einer der Gründe, weshalb die Zusammenarbeit zwischen Oliver Glasner und Markus Krösche bei Eintracht Frankfurt endete. Ein enges und wechselseitig auf Vertrauen basierendes Miteinander sei demnach immanent für eine erfolgreiche Transferarbeit, befindet Reschke.

Im nächsten Schritt, wenn sich der Spieler und der interessierte Verein grundsätzlich einig sind, wird der derzeitige Verein des Spielers kontaktiert. "Im Grunde ist es oftmals so, dass der Ansprechpartner einer seriösen Spieler-Agentur auf einen zukommt und um ein Gespräch bittet, erläutert der Bundesliga-Manager eines Top-Vereins, der namentlich nicht genannt werden möchte. "Gute Agenturen haben bestimmte Mitarbeiter, die sich um einen konkreten Spieler kümmern. In diesen Gesprächen wird dann der Wechsel-Wunsch hinterlegt. Irgendwann ist es so, dass es konkreter wird und der Berater einen darauf hinweist, dass sich in Kürze ein Verein melden wird."

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Harry Kane und der FC Bayern: Zweites Angebot ist da.

Dabei könne es aber auch zu unerwünschten Zwischenfällen kommen, erklärt der Manager weiter. "Man datet sich immer wieder ab und wenn sich dann ein Verein meldet, gibt es dort bestimmte Hierarchiestufen. Am Ende reden die zwei obersten Vertreter miteinander. Oft ist es aber auch so, dass irgendwann Trittbrettfahrer erscheinen, die sich dazwischenschalten und beim Transfer mitwirken wollen, um Geld zu verdienen. Die kennen den Sportdirektor des aufnehmenden Vereins und bieten ihm an, den Transfer günstiger über die Bühne bringen zu wollen und dafür entlohnt zu werden. Das erschwert natürlich oftmals die Transaktion, gehört aber zum Geschäft."

Sportdirektor und Technischer Direktor federführend

Bei den Bayern führen jedoch nicht unbedingt, die Münchner Grandseigneurs die Verhandlungen: "Im Fall von Harry Kane wird immer gedacht, dass Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zum Hörer greifen, das ist aber nicht zwingend so", so Reschke. "Beim FC Bayern führten - in der Vergangenheit - Hasan Salihamidzic zusammen mit Marco Neppe die Gespräche und wickelten die Transfers weitgehend ab. Natürlich kann dann immer noch Unterstützung von Hoeneß, Rummenigge oder Dreesen (Jan-Christian Dreesen, Anm. d. Red.) wichtig sein."

In der Regel sei es der Sportdirektor oder der Technische Direktor, der die Verhandlungen führt, erklärt Reschke: "Da gibt es oftmals ein Wechselspiel. Wer verfügt über die vertrauensvollste Basis, wem traut man es zu, dass er in der Verhandlungsführung argumentativ und vom Auftreten den besten Zugang hat. Oftmals macht es Sinn, noch einen Entscheider im Hintergrund zu haben, mit dem man sich final abstimmen muss."

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Der Druck der medialen Öffentlichkeit

Via E-Mail werden in der Folge die Angebote an die Rechtsabteilungen des jeweiligen Klubs geschickt, erklärt der Bundesliga-Manager. "Dann muss man irgendwann ein Gefühl bekommen, ob man überhaupt eine Chance hat." Wenn ständig Angebote abgelehnt werden, werde es schwierig. Dann müsse man sich mit einem alternativen Plan beschäftigen.

"Man spricht mit einem Journalisten, der durch eine Story Fahrt in die Sache bringt, oder es tauchen plötzlich andere Ablenkungsmanöver in der Öffentlichkeit auf", so der Bundesliga-Manager. Auch Michael Reschke betont die Relevanz der medialen Öffentlichkeit bei solchen Verhandlungen: "Die Medien werden teilweise auch bewusst mitbenutzt, das ist ein Wechselspiel."

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Roy Makaay über Harry Kane und die Stürmersuche beim FC Bayern.

Erster Kontakt telefonisch, später persönlich

Während der erste Kontakt telefonisch stattfindet, sei es in weiterem Verlauf wichtig, sich auch persönlich zu treffen. "Es spielt auch eine Rolle, wie oft man mit dem jeweiligen Berater schon einmal in Kontakt war und wie eng das Verhältnis ist", betont Reschke. "In der Regel wird es dann zu einem Treffen kommen. Wenn man sich gegenübersitzt, herrscht eine ganz andere, bessere Gesprächsatmosphäre."

"Im besten Fall trifft man sich dann irgendwann einmal zu einem Gespräch", erklärt auch der Bundesliga-Manager. "Früher war das ein Vier-Augen-Gespräch zwischen zwei Managern, aber das ist schon lange nicht mehr so. Heutzutage sitzen da eine Menge Menschen. Wie im wahren Leben ist die Stimmung bei solchen Gesprächen zwischen freundlich und eiskalt. Mal hat man schnell eine Ebene und mal geht es nur ums Geld." Die Verhandlungen können also auch an Brisanz gewinnen.

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"Manchmal geht es wie auf dem Jahrmarkt zu"

"Der Ablauf ist sehr vielfältig. Zumeist ist es lösungsorientiert und harmonisch, aber es kann auch schon mal ruppig werden", erklärt Reschke. Da sich zwei Parteien gegenübersitzen, die mitunter zwangsläufig andere Wünsche und Vorstellung haben, kommt es dabei auch auf Verhandlungsgeschick an. "Man hat ein Repertoire, eine Strategie und geht vorbereitet in diese Gespräche. Manchmal ist es auch eine Spielerei und dann geht es dann wie auf dem Jahrmarkt zu. Wichtig ist, flexibel zu agieren und einige Lösungsoptionen zu besitzen. Man muss auch eine gewisse Wucht und Kompetenz ausstrahlen."

Die Causa Kane birgt ein weiteres Konfliktpotenzial. Vertreten wird der England-Kapitän nämlich von seinem Bruder Charlie. Bei familiären Verbindungen können die Verhandlungen empfindlicher sein, meint der Bundesliga-Manager. "Oft sind auch Familien involviert, weil Väter ihre Söhne vertreten. Das ist natürlich oftmals emotionaler, weil es um das eigene Kind geht und um sehr viel Geld." Dabei kann sich das Drama nicht nur zwischen Berater und Verein abspielen, sondern auch zwischen Spieler und Verein.

Die große Macht der Spieler

Zum Trainingsauftakt von Tottenham Hotspur warteten die versammelten Journalisten gebannt auf Harry Kane. Zum Glück für die Nordlondoner erschien ihr Rekordstürmer. Das war nicht selbstverständlich. Denn anders als in einem regulären Angestelltenverhältnis, in dem sich der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber vertragskonform zu verhalten hat, gestaltet sich der Ermessensspielraum für Fußballprofis um ein Vielfaches größer.

Pierre Emerick-Aubameyang, Ousmane Dembele, Robert Lewandowski: Die Liste von Spielern, die ihren Verein unter Druck gesetzt haben, einen Wechsel zu forcieren, ist umfangreich. "Natürlich besitzt der Spieler auch Möglichkeiten, mit denen er deutlich machen kann, dass er unbedingt wechseln möchte. Dann bist du als Klubverantwortlicher in einer schwierigen Situation", erklärt Reschke. "Wenn der Spieler auch in der Kabine dokumentiert, dass er wegwill und für schlechte Stimmung sorgt, strahlt das auch auf die Mannschaft ab." Bei Harry Kane scheint sich aktuell zumindest nicht anzubahnen, dass dieser durch unlautere Mittel einen Wechsel erwirkt. "Es hängt aber natürlich auch von dem Charakter des Spielers ab", meint Reschke.

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Der Zeitdruck wird größer

Wie der Poker um den englischen Stürmer-Star ausgeht, ist noch völlig offen. Allerdings läuft die Zeit runter. Und zwar für beide Parteien. Zwar spreche man "auch parallel noch mit drei, vier anderen Spielern, die für die Position in Frage kommen", meint Reschke. Allerdings haben die Bayern klar gemacht, dass Harry Kane die erste Wahl ist und die Optionen mit zunehmender Zeit exponentiell abnehmen.

Während die Verhandlungen mit Tottenham laufen, schauen sich schließlich auch andere Vereine auf dem Transfermarkt um - und auch für die Spurs wird die Zeit knapper, sich nach einer möglichen Kane-Alternative umzugucken. Am nervigsten sei es, "wenn du viel Zeit investiert hast, du bist schon auf der Zielgerade und der Transfer dann platzt", erklärt Reschke. "Und die Alternativ-Option, die auch auf dem Radar war, die gibt es auf einmal nicht. Das ist energieraubend."

Eckdaten der Saison 2023/24

  • 1. Spieltag, Bundesliga: 18.08. - 20.08.2023
  • 34. Spieltag, Bundesliga: 18.05.2024
  • 1. Spieltag, 2. Bundesliga: 28.07. - 30.07.2023
  • 34. Spieltag, 2. Bundesliga: 19.05.2024
  • Deutscher Supercup: 12.08.2023
  • DFB-Pokal, 1. Runde: 11.08. - 14.08.2023
  • DFB-Pokal-Finale: 25.05.2024

Deals können noch in letzter Sekunde platzen

Als Spielerberater habe man auch nur begrenzte Möglichkeiten, auf die Verhandlungen Einfluss zu nehmen. "Du bist derjenige, der moderiert und versucht, bei Lösungen zu unterstützen", erklärt Reschke. Ein Verein wie Tottenham lasse sich davon aber nicht unter Druck setzen. "Wenn der Berater allerdings auf den Verein zugeht und in Absprache mit dem Spieler erklärt, wir verlängern definitiv nicht, dann wird es schwierig als Klub. In dem Moment spielen Zeit und Wirtschaftlichkeit gegen dich." Diese Ausgangslage findet sich derzeit bei Kylian Mbappe in Paris wieder. Im Norden Londons wird man diese Entwicklungen gebannt verfolgen.

Deals können noch in der letzten Sekunde platzen, Vereine können dazwischen grätschen, Dokumente zu spät eingereicht werden, Spieler sich spontan umentscheiden oder Berater ihre Forderungen nachträglich ändern. Auf dem Jahrmarkt des Transfermarkts scheint nichts ausgeschlossen.

"Die Situation im Transfergeschäft ändert sich manchmal stündlich", erklärt Reschke. "Immer sind neue Entscheidungen oder Entwicklungen da." Auch der Bundesliga-Manager betont: "In trockenen Tüchern ist alles erst, wenn die Unterschrift unter dem Vertrag ist. Kurz davor geschehen oft die wildesten Sachen." Es scheint ein langer Sommer für die Bayern werden zu können.

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