Mitten in der existenziellen Krise konzentrieren sich die Profi-Vereine aufs Wesentliche - Überlebensmodus. Klar! Um andere Belange kann es derzeit schließlich nicht gehen. Beim HSV läuft es - wieder mal - ein bisschen anders.
Auf dem Höhepunkt der Pandemie hat der Klub in akribischer Kleinarbeit ein internes Pulverfass zusammengebastelt - Zündschnur inklusive. Und die entsprechenden Streichhölzer sind ebenfalls großzügig verteilt worden.
..., dann bleibt Hoffmann der Boss
Wird der HSV am Ende der Woche noch vom aktuellen Vorstands-Team durch die höchst anspruchsvolle Gesamtsituation navigiert? Eher unwahrscheinlich. Viele öffentliche Interpretationen und Prognosen verengen sich auf eine Annahme: Die Tage des AG-Vorsitzenden Bernd Hoffmann sind gezählt. Möglicherweise eine überhastete Annahme.
Vieles spricht derweil dafür, dass es für eine weitere Zusammenarbeit zwischen Hoffmann und Finanzvorstand Frank Wettstein keine produktive Grundlage mehr gibt. Der Zahlenmann hatte seiner Abneigung dem Boss gegenüber in einer Aufsichtsratssitzung ungewöhnlich offen Ausdruck verliehen. Er oder ich, war der Eindruck, der bei den Teilnehmern haften geblieben war. Der Aufsichtsrat ist am Zug. Und bislang hat Hoffmann vier der sieben Kontrolleure stabil an seiner Seite. Bleibt das so, bleibt der Boss. Punkt!
Die klubinternen Ränkespiele laufen auf mehreren Ebenen ab. Hoffmann und Wettstein? Da geht wohl nichts mehr? Hoffmann und Boldt? Unterschiedliche Auffassungen beim Transfer des Brasilianers Douglas Santos sind genauso überliefert, wie Irritationen bei der Handhabung der Affäre um Bakery Jattas Identität. Aber hat das zu einem unüberbrückbaren Graben zwischen Sportvorstand und Vorsitzendem geführt? Eine Sache der Interpretation zwischen sehr feinen Linien - also schwierig zu prognostizieren. Aus der Chefetage sickert jedenfalls heraus, dass eine Zusammenarbeit auf sachlicher Ebene weiterhin denkbar ist - nicht aus Liebe, aber für den HSV.
Kühne mit schweren Geschützen gegen Hoffmann
Ein weiterer gewichtiger Player im komplizierten Machtgeflecht ist der Vereinspräsident Marcell Jansen. Der Ex-Profi hat automatisch einen Sitz im AG-Aufsichtsrat und dort eine starke Stimme. Dass Jansen kein Interesse daran hat, Hoffmanns Amt zu übernehmen, wie er zuletzt mehrfach beteuerte, glaubt ihm nicht jeder im Verein.
Jansen hat eine enge Bindung zu Anteilseigner Klaus-Michael Kühne aufgebaut und genießt das Vertrauen des milliardenschweren Wahl-Schweizers. In der Zeit hatte der 82-Jährige zuletzt schwere Geschütze in Hoffmanns Richtung aufgestellt, Veränderungen in der Führungsspitze gefordert. Kühnes Vertrauensmann im Aufsichtsrat Markus Frömming soll mehr Macht bekommen. Und Jansen an die AG-Spitze durchgepusht werden? Ein Planspiel mit gewissen Risiken.
Jansen ist 34, ehemaliger Fußballer und Jungunternehmer. Kann er ein 100-Milionen-Euro-Unternehmen durch die Krise führen? Zweifelhaft! Oder wäre er womöglich sogar nur Kühnes Strohpuppe, und die Grundsatzentscheidungen werden künftig in Schindellegi getroffen statt im Volkspark? Kühnes Millionen haben dem Klub mehrfach die Existenz gesichert, sein inhaltlicher Einfluss hat sich nicht immer als gewinnbringend erwiesen.
Es riecht nach Eitelkeit im Volkspark
Bernd Hoffmann und die Mehrheit des Aufsichtsrates sind jedenfalls der Ansicht, dass die Herausforderungen der Corona-Krise ohne Kühne zu bewältigen sind. Freie Bahn für den Investor würde wohl auch bedeuten, dass der emotional sprunghafte HSV-Fan sich weitere AG-Anteile sichern, seinen Einfluss auf Jahre hinaus steigern - mithin den Laden endgültig übernehmen würde. Es gibt eine gremienübergreifende Fraktion innerhalb des Vereins, die Pandoras Box geschlossen halten und dieses Szenario verhindern will.
Die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit ist das inhaltliche Thema, dass die Bosse mit Bedacht und Verantwortungsbewusstsein analysieren und tragfähige Lösungsmöglichkeiten erarbeiten müssen - unabhängig von der personellen Konstellation. Darüberhinaus sind im Klub - wieder einmal - zu viele Schauplätze von verschiedenen Schaustellern eröffnet worden, die in dringendem Verdacht stehen, das eigene Wohl über den Erfolg des Vereins zu stellen.
Es riecht wieder mal nach Eitelkeit im Volkspark. Degoutant! Die leidgeprüften Fans müssen darauf hoffen, dass der Aufsichtsrat bis zur nächsten Sitzung am Samstag sauber herausdestilliert, wer einen guten Plan für den HSV in der Tasche hat und wer das Hauptaugenmerk lediglich auf persönliche Zielsetzungen legt.