"Naturgewalt", "Wikinger", "Büffel" - mit jeder neuen Gala-Vorstellung gewinnt Erling Haaland einen weiteren Spitznamen dazu. Doch Worte reichen kaum aus, um dieses Phänomen zu begreifen. Genau darum versucht es Sky Sport nun mit Bildern.
Um Haaland eine große Zukunft vorherzusagen, muss man inzwischen kein Prophet mehr sein. Eigentlich ist der Norweger schon mittendrin in seiner Weltkarriere.
Beim 2:2 gegen den FC Sevilla erzielte der 20-Jährige seine Champions-League-Tore 19 und 20. Nie zuvor hatte ein Spieler nach nur 14 Partien in der Königsklasse mehr Tore auf dem Konto. Damit schnappte sich Haaland auch den Rekord von Harry Kane, der seine ersten 19 Treffer in 24 CL-Partien erzielte. Die beiden Tore gegen Sevilla waren außerdem sein vierter Doppelpack in der Champions League in Folge. Auch das ist bisher einzigartig.
Doch genug der Zahlen. Was Haaland auszeichnet und was ihn für Borussia Dortmund zur Lebensversicherung macht, lässt sich nämlich am besten an ein paar ausgewählten Szenen darstellen.
Szene 1: Haaland sorgt mit dem 1:0 für den Brustlöser
Eigentlich sieht es in der 35. Minute nicht wirklich danach aus, dass der BVB gleich in Führung gehen würde. Sevilla drängt die Schwarz-Gelben über weite Strecken in die eigene Hälfte - bis auf "einen verrückten Norweger", wie es Sky Experte Erik Meijer ausdrückt.
Während seine Teamkollegen mit dem Verteidigen beschäftigt sind, steht der Stürmer in der Offensive etwas auf verlorenem Posten, bietet allerdings auch eine wichtige Anspielstation zur Entlastung. So auch vor dem 1:0.
Haaland erobert einen Befreiungsschlag von Jude Bellingham und hält den Ball in der gegnerischen Hälfte. Damit gibt er dem Rest der Mannschaft Zeit, herauszurücken. Auch wenn sein Pass letztlich nicht bei einem Mitspieler landet, legt er mit dieser Szene den Grundstein für den Angriff, den er schließlich selbst mit dem Treffer zum 1:0 abschließt.
Dass er Vorlagengeber und Kapitän Marco Reus beim Jubel ungeniert mit beiden Händen in die Luft stemmt, ist ein Bild mit Symbolcharakter. Denn mit nur 20 Jahren verkörpert Haaland die Leadermentalität, die von Reus häufig vermisst wird.
Szene 2: Haaland "büffelt" sich zum vermeintlichen 2:0
Nicht weniger Körpereinsatz zeigt der Norweger vor dem vermeintlichen 2:0. Der Angreifer "büffelt sich", wie es Sky Kommentator Wolff Fuss treffend umschreibt, nach einem Zuspiel von Thorgan Hazard mit seiner hünenhaften Erscheinung von 1,94 Metern Körpergröße und 88 Kilo Kampfgewicht durch die Abwehr der Spanier und bugsiert den Ball schließlich aus spitzestem Winkel in die Maschen.
Dank Szenen wie dieser eilt dem Angreifer sein Ruf in ganz Europa weit voraus. Der Respekt vor dem Youngster war Sevillas Defensivreihe jedenfalls deutlich anzumerken.
Aber: Der Treffer wird abgepfiffen. Allerdings nicht wegen eines Foulspiels von, sondern gegen Haaland, der bei seinem unaufhaltsamen Dribbling am Trikot gezogen wurde.
Szene 3: Elfmeter-Wahnsinn lässt Haaland kalt
Dieser Trikotzupfer hat Folgen - es gibt Elfmeter. Reus, der in dieser Saison bereits zweimal vom Punkt scheiterte, lässt Haaland den Vortritt. Doch auch dem Goalgetter gelingt an diesem Abend nicht alles. Sevilla-Keeper Bono lenkt den strammen, aber etwas unplatzierten Schuss an den Pfosten.
Damit ist die Irrfahrt zum 2:0 allerdings noch nicht beendet. Bono stand beim Schuss von Haaland nämlich nicht auf der Linie, der Elfmeter muss wiederholt werden.
Wie selbstverständlich übernimmt Haaland auch ein zweites Mal die Verantwortung. Er schüttelt sich seinen Fehlversuch aus den Knochen und schießt die Kugel trotz leichter Nervosität, wie er später zugab, wieder ins gleiche Eck - diesmal mit Erfolg.
Szene 4: Wortgefecht mit Bono - Haaland zeigt Größe
Der zweite Treffer verschaffte dem Torschützen ganz besondere Genugtuung, wie er nach der Partie am Sky Mikro berichtet. Bono habe ihn nach dem verschossenen Elfmeter provoziert. Anstatt sich aber davon verunsichern zu lassen, nutzt er die verbale Attacke als Ansporn.
"Als er mir ins Gesicht geschrien hat, habe mich mir gedacht: Jetzt wäre es umso besser, noch ein Tor zu schießen. Und so war es dann auch", verrät Haaland, der Bono nach seinem Tor dann ebenfalls noch ein paar Worte mit auf dem Weg gibt. "Danach habe ich ihm dann das gesagt, was er zu mir gesagt hat, nachdem ich den ersten Elfmeter verschossen hatte. Vielleicht ist das Karma."
Viel entscheidender ist jedoch, was sich nach Abpfiff abspielte. Haaland will das kindische Scharmützel nämlich nicht auf sich beruhen lassen. Der 20-Jährige beweist Größe und glättet im Vieraugengespräch mit Bono direkt wieder die Wogen.
Haaland hat längst das Zeug zum Weltklassespieler
Allein mit diesen vier Szenen zeigt Haaland in nur eine Partie mehr Facetten als so mancher Fußballer in seiner ganzen Karriere. Mit seiner Leadermentalität, seinen körperlichen Voraussetzungen, dem Torjägerinstinkt und dem unbändigen Selbstvertrauen bringt er alles mit, was es für einen Weltklassespieler braucht. Und eigentlich ist er auch schon auf dem besten Weg dahin.
