BVB & die Suche nach der neuen Super-Acht
08.06.2023 | 21:19 Uhr
Mit Jude Bellingham verliert der BVB einen der begnadetsten Spieler der Welt. Der 19-Jährige hinterlässt ein Loch im Mittelfeld, das kaum adäquat gestopft werden kann. Doch die Bosse hatten Zeit, sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Wer wird die neue schwarz-gelbe Super-Acht?
Der Wechsel von Jude Bellingham von Borussia Dortmund zu Real Madrid steht unmittelbar bevor, der BVB bestätigte den Deal bereits am Mittwochnachmittag. Noch seien zwar letzte Details zu klären, doch es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis die Posts mit der Überschrift "Dankeschön, Jude!" und "¡Bienvenido, Jude!" in den sozialen Netzwerken die Runde machen.
Der Abgang des 19-Jährigen trifft den BVB ins Mark. Seitdem der Engländer 2020 mit zarten 17 Jahren ins Ruhrgebiet kam, ist die gesamte Spielweise der Borussia eine andere. Wie kein zweiter stand Bellingham für Konstanz. Als Antreiber, Gestalter und Vollstrecker war er auf der Acht de facto nicht zu ersetzen. "Bellingham ist das dynamische Herz dieser Mannschaft", erklärte Sky Reporter und BVB-Insider Jesco von Eichmann noch vor einigen Wochen.
Und dennoch: Auch wenn der Vizemeister lange hartnäckig um sein Juwel gekämpft hat, kommt der Abgang keineswegs überraschend. Für die Verantwortlichen tut sich bereits seit Wochen, und nun Tag für Tag immer dringlicher die Frage auf: Wie will der BVB den Abgang seines besten Spielers auffangen und kompensieren?
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Da die Borussia neben Bellingham bereits Raphael Guerreiro und Mo Dahoud verlassen haben, braucht Trainer Edin Terzic zwingend neue Kräfte fürs zentrale, beziehungsweise offensive Mittelfeld. Das Geld für neue Verstärkung(en) wäre definitiv da. Die Ablösesumme beim Bellingham-Transfer beläuft sich auf 103 Millionen Euro und könnte mit Boni sogar auf 133,9 Millionen Euro ansteigen.
Eine Spur bei der Suche nach Ersatz führt zu Edson Alvarez von Ajax Amsterdam. Nach jüngsten Sky Informationen steht der BVB beim 25-jährigen Mexikaner in der Pole-Position. Das Preisschild hängt bei circa 50 Millionen Euro, ein erster Austausch zwischen Spieler und Klub hat bereits stattgefunden. Alvarez selbst ist beeindruckt von Dortmund und würde gerne den nächsten Schritt in seiner Karriere setzen. Nach Sky Infos (08.06.) bereitet der BVB nun sogar das erste Angebot für den Ajax-Star vor.
Allerdings wäre der Mexikaner kein Eins-Zu-Eins-Ersatz für Bellingham. Der Ajax-Dauerbrenner ist deutlich defensiver ausgerichtet und vor allem für seine Zweikampfhärte und -aggressivität bekannt. Vom Spielstil erinnert er eher an einen Emre Can als an Bellingham. Der BVB müsste zumindest ein Stück weit Abstriche in puncto Offensivdrang und Vertikalspiel in Kauf nehmen.
Auch Youri Tielemans ist ein Name, mit dem die Bosse gerüchteweise immer wieder als Bellingham-Nachfolger kokettieren sollen. Der 26-jährige Belgier stand bis zuletzt bei Leicester City unter Vertrag. Nach dem Abstieg der Foxes aus der Premier League hat Tielemans sein auslaufendes Arbeitspapier nicht verlängert, für die Borussia wäre er theoretisch also ablösefrei zu haben. Doch der Belgier blickt - ähnlich wie das gesamte Team von Leicester - auf eine durchwachsene und teilweise enttäuschende Saison zurück. An seine bemerkenswerten Auftritte der Vorjahre konnte auch er nicht anknüpfen, ein adäquater Bellingham-Ersatz wäre er in dieser Form keineswegs.
Genauso wie Tielemans hat auch Kölns Schlüsselspieler Ellyes Skhiri seinen Vertrag nicht verlängert. Auch der Tunesier verlässt den Effzeh damit ablösefrei. Skhiri hofft auf den nächsten Karriereschritt - möglichst bei einem Klub, der in der Champions League aktiv ist. Der 28-Jährige ähnelt Bellingham in seinem grundsätzlichen Spielstil durchaus. Auch Skhiri besitzt Zweikampfstärke gepaart mit einem ausgeprägten Offensiv-Drang. Mit sieben Toren war er Kölns erfolgreichster Torschütze in der abgelaufenen Saison. Zudem gehörte er in jeder seiner vier Spielzeiten zu den laufstärksten Spielern der gesamten Bundesliga.
Fraglich bleibt, ob Skhiri auf Dauer auf dem angestrebten Niveau der Borussia performen könnte. Mit Montpellier und Köln hat er bislang keinerlei Erfahrung bei einem Top-Klub gesammelt, der auch international große Ambitionen hat. Für das Mittelfeld des BVB wäre er wohl eher nur eine ergänzende Option.
Die Liste an potenziellen Möglichkeiten für Dortmund ist lang. Letztendlich kommt es vor allem aber auch darauf an, eine nachhaltige und perspektivische Lösung zu finden. Ein Spieler, der das mitbringt, ist Conor Gallagher vom FC Chelsea. Der 23-Jährige ist bereits seit 2008 bei den Blues aktiv, hat sämtliche Jugendakademien durchlaufen und Erfahrungen auf verschiedenen Leihstationen gesammelt. Besonders als Leihspieler von Crystal Palace in der Saison 2021/22 hat er eine enorme Entwicklung hingelegt, die ihn sogar in die englische A-Nationalmannschaft gehievt hat. Gallagher ist schnell, flink und dribbelstark und war seit seiner Rückkehr zu Chelsea im vergangenen Sommer einer der wenigen Lichtblicke der verkorksten Blues-Saison.
Der versierte Techniker ist mit 23 noch immer jung, besitzt viel Premier-League-Erfahrung und hat großes Potential, sich noch weiterzuentwickeln. Manko: Im Vergleich zu Bellingham ist Gallagher defensiv deutlich schwächer. Hinzu kommt, dass der BVB bei einem möglichen Transfer tief in die Tasche greifen und ähnlich wie bei Alvarez wahrscheinlich bis zu 50 Millionen Euro auf den Tisch legen müsste.
Den Dortmundern bleibt nach Lage der Dinge nahezu fast nichts übrig, als auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Dennoch gibt es eine andere Möglichkeit, mit der kein Eins-Zu-Eins-Bellingham-Ersatz forciert werden müsste und die an dieser Stelle zumindest nicht unerwähnt bleiben soll. In den seltenen Fällen nämlich, wo Dauerbrenner Bellingham verletzungs- oder krankheitsbedingt nicht spielte, wusste Terzic die Lücke im zentralen Mittelfeld mit Emre Can und Salih Özcan zu füllen.
Der notgedrungene Wechsel bedeutete allerdings auch eine grundsätzliche Systemumstellung, mit der die Borussia deutlich defensiver und unflexibler im 4-5-1 auflief. Eine dauerhafte Option für die kommende Saison dürfte das nicht sein, zumal die offensive und temporeiche Ausrichtung unter Terzic ja mittlerweile das Markenzeichen des BVB ist.
Es benötigt also diesen Spieler, der es versteht, flexibel zwischen Defensive und Offensive zu schalten, der Zweikämpfe und Dribblings führt, der Raum und Tiefe liest und ein Gefühl für Stabilität und Angriffslust hat. Einer, der konstant abliefert, vorangeht und das Geschehen auf dem Rasen lenkt. Eben jemand wie Bellingham, der Dortmund genau das drei Saisons über gegeben hat und nun diese riesige Lücke hinterlässt. Für die Bosse des BVB könnte die Suche nach der neuen schwarz-gelben Super-Acht zur Odyssee werden ...
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