Super-Joker & Bayern-Spezialist! Fünf Erkenntnisse zum Kracher
16.09.2023 | 17:35 Uhr
Zweiter gegen Erster: Das Kracher-Duell zwischen dem FC Bayern und Bayer 04 Leverkusen hat gehalten, was es versprochen hat. Ein spektakuläres Speed-Duell auf der Außenbahn, ein Bomber-Duell in den Strafräumen, Diskussionen um Joshua Kimmich sowie eine heiße Schlussphase. Fünf Erkenntnisse zum Spiel.
Der FC Bayern und Bayer 04 Leverkusen lieferten sich über 90 Minuten plus Nachspielzeit ein Spiel auf allerhöchstem Niveau, das Werbung für die Bundesliga war. Dabei hatte die Begegnung ganz verschiedene Phasen, in denen mal der deutsche Rekordmeister und mal die Werkself dominant auftrat. "Mal hatten wir die Kontrolle, mal hatten wir keine Kontrolle", gab auch Bayern-Coach Thomas Tuchel am DAZN-Mikrofon zu.
Denn nach 20 dominanten Minuten und einem 1:0 im Rücken gaben die Münchner die Kontrolle plötzlich ab. Insbesondere Joshua Kimmich streute einige haarsträubende Fehlpässe ein. Leverkusen kam über den starken Florian Wirtz immer besser ins Spiel und hatte nach dem 1:1-Ausgleich sogar sehr gute Chancen auf die Führung. Zwischen Minute 20 und Minute 40 agierte der FCB viel zu passiv, wirkte teilweise etwas überfordert mit den flinken Gästen. "Bewegt Euch" schrie ein Bayern-Fan nach rund einer halben Stunde von der Haupttribüne genervt in Richtung der Tuchel-Stars, auch einzelne Pfiffe waren in der Allianz Arena zu hören.
Doch kurz vor der Pause waren die Bayern auf einmal wieder im Powerplay-Modus. Gäste-Keeper Lukas Hradecky rettete in den letzten fünf Minuten vor dem Pausentee gleich mehrfach grandios gegen Serge Gnabry, Leroy Sane, Leon Goretzka und erneut Gnabry. In der zweiten Hälfte dasselbe Bild. Mal drückten die Bayern, mal war es die Werkself. "Es war hochintensiv auf dem Platz, ein hohes Niveau. Ein geiler Freitagabend für die Zuschauer. Es war ein Spiel auf Augenhöhe. Respekt an beide Mannschaften, das war ein Topspiel", unterstrich Bayers Jonas Hofmann bei DAZN.
Dass es zu so einem hochklassigen Match wurde, lag vor allem an den Gästen, die sich nicht hinten reinstellten, sondern offensivfreudig agierten und auf Sieg spielten. "Wir haben sehr viel Charakter auf dem Platz gezeigt. Man hat gesehen, auf welchem Level und mit welchem Selbstverständnis wir spielen. Es war schon beeindruckend für mich, was wir als Mannschaft für einen Schritt gemacht haben und dass wir so in der Allianz Arena mitspielen können", freute sich Leverkusens Abwehrchef Jonathan Tah auf Sky Nachfrage über den starken Auftritt der Rheinländer.
B04-Torhüter Lukas Hradecky betonte aber auch den Stellenwert des Ergebnisses für Bayer 04. "Am Ende ist es wichtig, dass wir uns belohnen. So bleiben wir die Nummer eins. Wir haben den härtesten Härtetest bestanden. Das war unsere beste Leistung hier in München. Wir haben sie auch nach hinten drücken können, Bayern hatte vielleicht auch etwas Schiss vor uns. Den Punktgewinn haben wir uns verdient", unterstrich der Finne. Thomas Müller meinte: "Leverkusen zeigt, warum sie da oben stehen. Sie bleiben ihrem Plan treu, spielen ihr Kurzpassspiel im Mittelfeld. Die machen das schon richtig gut."
Das spektakulärste und spannendste Eins-gegen-eins-Duell fand auf der Außenbahn statt. Mit "Road Runner" Alphonso Davies und Jeremie "Speedy Gonzales" Frimpong trafen zwei der schnellsten Spieler der Liga im direkten Duell aufeinander. Bayer-Trainer Xabi Alonso hatte sich einen besonderen taktischen Kniff überlegt und ließ Frimpong quasi als Manndecker für Davies auflaufen. So agierte der 22-Jährige gegen den Ball im rechten Mittelfeld und Leverkusen im 4-4-2 mit Odilon Kossounou als Rechtsverteidiger. Im Angriff tauchte Frimpong teilweise als rechter Flügelstürmer auf und beschäftigte Davies so dauerhaft, der dadurch kaum offensiv Akzente setzen konnte.
"Jeremie hat Davies immer wieder sofort attackiert, wenn er den Ball hatte. Das sind zwei extrem schnelle Spieler. Da war es für beide nicht so einfach, nach vorne zu kommen", lobte Rolfes auf Sky Nachfrage den Niederländer. Frimpong selbst schwärmte in der Mixed Zone vom Duell mit Davies: "Jedes Mal, wenn ich gegen ihn spiele, ist es hart. Er ist ein großartiger Rechtsverteidiger. Aber ich mag es, gegen die allerbesten zu spielen. Dann kann ich selbst sehen, wie gut meine Fähigkeiten auf diesem Niveau sind. Wir hatten einen klaren taktischen Plan und meine Aufgabe war es, mich um Davies zu kümmern. Der Coach hatte einen Plan und ich vertraue ihm zu einhundert Prozent."
Tah, Kossounou und Edmond Tapsoba hatten Bayerns Torjäger Harry Kane sehr gut im Griff - ganz abmelden konnten sie ihn aber nicht. Schon nach sieben Minuten bewies der Kapitän der englischen Nationalmannschaft mal wieder seinen Torriecher und war nach einem Eckball zur Stelle. Es war sein 300. Treffer im insgesamt 505. Pflichtspieleinsatz auf Klub-Ebene. Zudem ist Kane der erste Spieler seit Miroslav Klose im Jahr 2007 der vier Tore bei seinen ersten vier Bundesliga-Partien für Bayern erzielte. "Mich stört es natürlich, dass er getroffen hat. Aber ansonsten haben wir das ganz gut gemacht gegen ihn. Wir haben ihn gut verteidigt, dementsprechend war das schon ganz okay", sagte Tah auf Sky Nachfrage.
Denn neben seinem Tor bleibt nur eine weitere Aktion von Kane aus diesem Spiel hängen. Nach 57 Minuten scheiterte der vierfache Familienvater aus kurzer Distanz am sensationell reagierenden Hradecky. "Man ist immer überrascht, dass man so einen hält. In dieser Situation hast du wenig Kontrolle, machst dich einfach groß. Dieses Mal hat es gereicht. An einem schlechten Tag geht der vielleicht trotzdem rein. Aber natürlich eine schöne Parade", so Hradecky über die Aktion. Selbst Müller lobte den Bayer-Schlussmann für seine Weltklasse-Leistung: "Er macht es bei allen Situationen einfach sehr gut."
Mehr Gelegenheiten als Kane hatte auf der Gegenseite Bundesliga-Topscorer Victor Boniface. Der Nigerianer behauptete sich einige Mal stark gegen Dayot Upamecano und Kim Min-jae, scheiterte aber letztendlich mit all seinen acht Schüssen. Auf Sky Nachfrage meinte der 22-Jährige etwas bedröppelt: "Es war einfach so ein Tag, da wollte der Ball nicht reingehen. Das ist Fußball, manchmal trifft man einfach nicht. Nach dem Spiel habe ich dem Trainer nicht mal zuhören können, was er zu uns gesagt hat, weil ich daran gedacht habe, dass ich ein oder zwei Tore hätte machen müssen."
Nach 61 Minuten sorgte Tuchel für ein seltenes Szenario: er wechselte Kimmich vorzeitig aus. So früh ging der deutsche Nationalspieler zuletzt am 7. November 2020 in der Bundesliga bei Borussia Dortmund vom Feld, damals hatte sich Kimmich verletzt. Dieses Mal spielte er angeschlagen nach muskulären Problemen. "Frag den Trainer", rief der 28-Jährige den Journalisten in der Mixed Zone im Vorbeigehen auf die Frage zu, warum er denn ausgewechselt wurde. Tuchel erklärte: "Er will immer drauf bleiben. 60 Minuten waren das Maximum des Arztes. Daran haben wir uns gehalten, es ist nicht die Phase der Saison, wo wir Muskelverletzungen riskieren wollen."
Für ein kurzes Wirrwarr sorgte die Auswechslung auch bei Müller, der in derselben Szene ebenfalls vom Feld musste und zunächst Kimmich die Kapitänsbinde umhing. Als dann auch Kimmichs Rückennummer sechs auf der Wechseltafel erschien, stapfte der Bayern-Taktgeber sichtlich angesäuert vom Rasen. Die Binde bekam Goretzka, der kurz vor dem Ende den vermeintlichen Siegtreffer erzielte (86.). Erster Gratulant für den Torschützen war dann übrigens Kimmich, der seinem Kumpel Goretzka entgegenlief und ihm in die Arme sprang. In diesem Moment war der Kimmich-Frust zumindest kurzzeitig vergessen.
Den Goretzka-Treffer legte übrigens Mathys Tel vor, der 20 Minuten vor Abpfiff für Serge Gnabry ins Spiel kam. Dabei wirbelte Tel in seinen wenigen Minuten deutlich auffälliger als Gnabry in 70. Tel brachte viel Schwung auf die linke Außenbahn und bewies bei seiner Vorlage zudem seine technischen Fähigkeiten sowie viel Übersicht. Bislang wechselte Tuchel den 18-jährigen Franzosen in der Liga viermal ein - in seinen 54 Einsatzminuten traf er bereits zweimal (darunter der Siegtreffer in Gladbach) und steuerte nun eine Vorlage bei. Mit Tel haben die Bayern einen Super-Joker in der Hinterhand, der es allerdings auch mal verdient hätte, in der Startelf zu stehen.
Dort stand auf Leverkusener Seite Exequiel Palacios an den ersten drei Spieltagen. Aufgrund seiner Länderspielreise mit Argentinien hatte Alonso den Weltmeister in München zunächst auf die Bank gesetzt. Robert Andrich bekam den Vorzug an der Seite von Xhaka im Mittelfeldzentrum. "Es war sehr anstrengend für mich. Ich bin erst am Donnerstag von der Nationalmannschaft zurückgekommen. Der Trainer hat mir gesagt, dass er mich einwechseln wird, wenn die Mannschaft mich braucht", so Palacios in der Mixed Zone. Und seine Mannschaft brauchte ihn. Palacios kam zur Pause für Andrich. Der 24-Jährige brachte Struktur ins Bayer-Mittelfeld. Seinen Glanzmoment hatte er allerdings tief in der Nachspielzeit.
Nach einem Foul von Davies an Hofmann im Sechzehner gab es Strafstoß für die Gäste. Palacios verriet: "Als ich gesehen habe, dass der VAR eingreift, habe ich mir direkt den Ball geschnappt. Boniface wollte auch schießen, aber ich hatte sehr viel Selbstvertrauen und war mir sicher, dass ich treffen würde", erzählte der Argentinier und fügte noch lächelnd hinzu: "Ich war nicht nervös vor dem Elfmeter. Doch, vielleicht ein bisschen." Palacios traf eiskalt zum späten Ausgleich und sicherte Leverkusen damit einen verdienten Punktegewinn (90.+4). Bereits im März verwandelte er zwei Elfmeter gegen den FCB - nur Wynton Rufer (4 Treffer) hat in der Bundesliga mehr Tore vom Punkt gegen die Münchner erzielt als Palacios.
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