Eberls irritierendes Red-Bull-Intermezzo
30.09.2023 | 15:51 Uhr
Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Fußball. Dieses Mal beschäftigt er sich mit dem plötzlichen Aus von Max Eberl bei RB Leipzig.
Letztlich scheinen ja alle Beteiligten ganz zufrieden zu sein. RB Leipzig ist ein nerviges Dauerthema losgeworden. Max Eberl muss sich nicht mehr am Cottaweg aufhalten, was ihn offenbar ohnehin mehr Mühe gekostet als Zufriedenheit gebracht hat. Und die Bayern holen dann wohl zeitnah den sportlich Verantwortlichen in ihre Kommando-Zentrale, den sie schon vor geraumer Zeit gern an die Schalthebel beordert hätten. Eine Rochade ohne Verlierer? Oder war es vielleicht nur die etwas elegantere Streik-Variante, die sich aber im Wesentlichen nicht von - beispielsweise Kolo Muanis Verhalten - in der vergangenen Transferperiode unterscheidet?
Die offizielle Erklärung des Klubs war schließlich vergleichsweise deftig geraten - formuliert in geschliffenem Business-Denglisch: "Fehlendes Commitment" - der Arbeitseifer war also offenbar "missing". Ein hochbezahlter Top-Manager, der in weniger als einem Jahr im Job derart an Begeisterung für die Sache einbüßt, dass eine Trennung unausweichlich war. Das ist zumindest erstaunlich.
RB hatte einen nennenswerten Zuckerbrause-Gegenwert aufs Konto der Gladbacher überwiesen, um den ehemaligen Borussia-Boss nach dessen Auszeit unter Vertrag nehmen zu können. Eberl hat gewusst, dass ihm vor allem am Niederrhein das Traditionsbewusstsein abgesprochen werden würde - und den Schritt zum sächsischen Meisterjäger dennoch als sinnvolles nächstes Karriere-Kapitel auserkoren.
Die widerlichen Extrem-Ausreißer der Anti-Eberl-Stimmung wurden unlängst im Borussia-Park - seinem letzten offiziellen Auftritt in RB-Mission - unangenehm deutlich. Menschenverachtend! Dass die Gladbacher-Fans ihre Verwunderung über Eberls Werdegang noch nicht komplett aus den Klamotten geschüttelt haben, ist gleichwohl nachvollziehbar. Denkbar, dass die jüngsten Ereignisse die Beliebtheitswerte des gebürtigen Niederbayern im Großraum Bökelberg nicht entscheidend nach oben gepusht haben.
Einen Tag vor dem heutigen Gipfeltreffen zwischen dem großen Dauer-Titel-Favoriten und einem seiner bissigsten Herausforderer haben die RB-Bosse um Aufsichtsrats-Chef Oliver Mintzlaff die Arbeitsatmosphäre also offenbar als derart verräuchert empfunden, dass der Handlungsbedarf keinen Aufschub mehr duldete. Keinen Tag, keine Minute, keine Sekunde. Monatelang hatte Mintzlaff seinerzeit um Eberls Verpflichtung gekämpft und dabei eine nicht unerhebliche Menge an Spott ertragen, als die Suche nach einem Nachfolger für Erfolgs-Manager Markus Krösche sich verdächtig lange hinzog.
Der heutige Red-Bull-CEO hatte sich keineswegs verpokert, wie viele Beobachter hämisch mutmaßten, sondern eben einfach nur geduldig auf seinen absoluten Wunschkandidaten gewartet: Max Eberl. Die Zusammenarbeit des erfolgsorientierten Duos muss in der Wunschvorstellung dann wohl deutlich harmonischer gewirkt haben, als es in der Praxis ausgesehen hat. Wie so oft in solchen Fällen wird wahrscheinlich weitgehend im Trüben bleiben, ob es den großen Bruch gab, oder viele kleine Entscheidungen, Kompetenzquengeleien, Gesten, Handlungen oder Versäumnisse zu den sichtbar unüberbrückbaren Differenzen geführt haben. Hat sich Eberl möglicherweise passiv-aggressiv aus dem Job herausgestänkerlt? Hat Macher Mintzlaff seinem wichtigsten Strategen zu häufig ungefragt ins Lenkrad gegriffen?
Am heutigen Abend hätte sich Eberl jedenfalls so'n büschn dazwischen befunden. Wie einer, der seiner Affäre nicht beichten mag, dass er jetzt dann doch seiner einzig wahren Liebe den Zuschlag geben möchte - und dann sind auch noch beide auf derselben Party… Während die Bayern heute Nacht die Rückreise Richtung Säbener antreten werden, ist der Wahl-Münchener vermutlich schon einmal vorgefahren. Mal so'n Sondierungsgespräch am Gärtnerplatz oder vielleicht lieber in Käfer's Hinterzimmer - das dürfte demnächst sicher mal drin sein.
Die Bedingungen für einen Wechsel müssten die Planungs-Verantwortlichen der Bayern dann freilich mit den bulligen Verhandlungsführern aus der RB-Chefetage ausfechten. Allzu üppige Zugeständnisse von Mintzlaff dürften nicht zu erwarten sein. "Halt dich an deiner Liebe fest", hat Rio Reiser einst empfohlen.
Ist ja auch irgendwie romantisch nach all den Jahren auf der Walz - der kernige Niederbayer zurück im Schoß der Roten. Die atmosphärischen Kollateralschäden werden in Kürze zur Fußnote degradieren. Denn unter die Top-50 der moralisch fragwürdigen Fußball-Kapriolen schafft es Eberls irritierendes Red-Bull-Intermezzo eher nicht.
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