Zwei Redakteure, zwei Meinungen: HSV vs. VfB - wer setzt sich durch?
01.06.2023 | 15:31 Uhr
Tritte, Dramen, Tristesse: Welche Geschichten schreibt das Relegations-Duell zwischen dem Hamburger SV und dem VfB Stuttgart? Und noch viel wichtiger: Wer setzt sich am Ende im Kampf um das letzte Bundesliga-Ticket durch? Zwei Sky Redakteure, zwei unterschiedliche Meinungen. Ein "Eins-gegen-Eins".
Was der HSV am letzten Spieltag erlebt hat, lässt sich fast nicht in Worte fassen. Acht Minuten lang hatte man den Aufstieg fest in den Händen, am Ende bleibt doch nur die Relegation. Die Trauer ist groß, der Schmerz sitzt tief. Und dennoch wird Hamburg in die Bundesliga aufsteigen.
Das Finale der Zweitliga-Saison 2022/23 wird alle, die es mit dem Hamburger Sportverein halten, ein Leben lang begleiten. Freude, Jubel, Schmerz und Leid: Am 34. Spieltag war für den HSV alles dabei. Mit dem 1:0-Sieg gegen Sandhausen war der direkte Aufstieg im fünften Anlauf zum Greifen nahe, bis der 1. FC Heidenheim einen 1:2-Rückstand gegen Regensburg in elf Minuten Nachspielzeit spektakulär doch noch in einen Sieg umwandelte.
Damit stieg der FCH und doch nicht der HSV auf - zumindest direkt. Die Rothosen haben trotz des Dramas am letzten Spieltag weiterhin die Möglichkeit, den Traum vom Oberhaus perfekt zu machen. Die Chancen dafür stehen alles andere als schlecht. Denn Hamburg ist erneut gewachsen und noch reifer als im Jahr zuvor, als man bereits denkbar knapp gegen Hertha BSC in der Relegation scheiterte. Der Sportverein aus Hamburg spielt mit 66 Punkten seine beste Zweitliga-Saison, zuletzt gab es drei Siege in Serie.
Tim Walters Sturheit ist darüber hinaus mittlerweile in jeder Pore der Mannschaft zu spüren - und das ist absolut positiv gemeint. Die Walter-Elf weiß, was sie kann, das gibt ihr immer wieder Vertrauen ins eigene Spiel, so risikovoll es auch ist. Hamburg agiert offensiv, nimmt das Geschehen selbst in die Hand und wird sich definitiv auch nicht gegen den VfB verstecken. Warum auch?
Ja, Stuttgart hat die deutlich höhere individuelle Qualität in den eigenen Reihen und ja, der VfB ist der Bundesligist, der sich Woche für Woche auf höchstem Niveau beweisen musste, doch der HSV hat etwas, das in Bad Cannstatt schon lange schmerzlich vermisst wird: Mut und Charakter. Das betonte Sportvorstand Jonas Boldt nach der Partie in Sandhausen noch einmal treffend: "Wir haben so viele Rückschläge erlebt, aber wir werden auch diesmal wieder aufstehen. Und dann glaube ich schon, dass das irgendwann auch belohnt wird. Es gibt eine Menge positive Dinge, wir haben dazugelernt, viele Dinge und Rückschläge meistern können. Das ist Hamburg, einfach ein spezieller Ort."
Das beharrliche Bei-Sich-Bleiben von Walter und Co. gehört zum HSV in dieser Saison genauso wie der fulminante Support auf den Rängen. 20.000 Fans in Düsseldorf, 10.000 in Hannover, durchgehend ausverkaufte Heimspiele und auch den langen Weg nach Sandhausen haben mehr als zehntausend Anhänger auf sich genommen. Die Unterstützung abseits des Rasens ist außergewöhnlich, der Bund zwischen Mannschaft und Fans so eng wie schon lange nicht mehr.
Wenn der VfB im Relegations-Rückspiel am 5. Juni also nach Hamburg reist, wird das Volksparkstadion ein letztes Mal in dieser Saison zum Hexenkessel. Mit dem positiven Ende für die Rothosen, die den Schmerz vom 34. Spieltag in Wut, Angriffslust und letztendlich zielstrebige Entschlossenheit ummünzen und den taumelnden VfB in Liga zwei schicken werden. Oder mit Walters Worten: "Wir hatten diese Chance letztes Jahr, wir haben sie jetzt. Wir werden sie nutzen, weil die Mannschaft einfach einen guten Charakter hat."
Lennard Göttner
Qualität, Mentalität. Momentum! Dieser VfB Stuttgart wird sich die Relegation gegen den Hamburger SV nicht nehmen lassen.
In elf von 14 Relegationsduellen behielt das höherklassige Team die Oberhand - das wírd sich auch in diesem Jahr nicht ändern. Die Schwaben haben in der Breite den deutlich stärkeren Kader und mit Serhou Guirassy eine eingebaute Torgarantie (elf Tore in 22 Spielen), den Sky Experte Lothar Matthäus sogar schon bei den Bayern ins Spiel gebracht hat.
Klar, die Schwaben haben in dieser Saison Fehler gemacht und stehen sicherlich nicht zu Unrecht auf dem 16. Tabellenplatz. Aber mal ehrlich: Spätestens nach dem 26. Spieltag hätte wohl jeder VfB-Fan diesen Rang unterschrieben. Damals ging Stuttgart mit 0:3 bei Union Berlin unter und "festigte" Tabellenplatz 18 samt Roter Laterne. Es war das Ende des viermonatigen Missverständnisses mit Bruno Labbadia.
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Mit dem Amtsantritt von Sebastian Hoeneß kam die Hoffnung jedoch zurück. Unter seiner Leitung ging der VfB in nur noch zwei Partien als Verlierer vom Platz (vier Siege, vier Remis). "Ich denke die Art und Weise, wie wir spielen, macht Mut", betonte der 41-jährige Trainer nach dem Remis gegen Hoffenheim. Hoeneß drehte seit seiner Übernahme an den notwendigen Stellschrauben und besserte taktische Fehler aus. Das Rezept war eigentlich ganz simpel.
So rückte beispielsweise Waldemar Anton von der Rechtsverteidigerposition zurück ins Zentrum und konnte damit seine eigentliche Rolle als Lautsprecher im Defensivverbund zuverlässig ausüben. Zudem kreierte Hoeneß mit dieser Umstellung den notwendigen Raum für Nationalspieler Josha Vagnoman, der sich seitdem zu einer der Stützen der Weiß-Roten entwickelt hat.
Und apropos Vagnoman: Der Defensivspezialist kam erst im vergangenen Sommer aus Hamburg und darf sich nun mit seinem Jugendklub um das letzte Ticket in der Bundesliga messen - zusätzlicher Motivationsschub garantiert. Dass die Schwaben auch enge Spiele drehen und auf Rückschläge reagieren können, haben sie beispielsweise beim 3:3 gegen Borussia Dortmund unter Beweis gestellt. Gegen die Schwarz-Gelben holte die Hoeneß-Elf in Unterzahl einen Zwei-Tore-Rückstand auf und sicherte sich in einer dramatischen Nachspielzeit einen wichtigen Zähler.
Dramatisch war auch Hamburgs "Acht-Minuten-Aufstieg" von Sandhausen - der "Schalke-Horror" in Reinform. Das Tor zur Bundesliga war schon so weit aufgestoßen, am Ende herrschte beim HSV jedoch wieder einmal Frust, Schmerz und Leid. Einen solchen Schock gilt es für die Elf von Trainer Tim Walter (übrigens auch mit VfB Vergangenheit) erst einmal zu verdauen. Viel Zeit bleibt dafür jedoch nicht (das Hinspiel in Stuttgart am Donnerstag ab 20.45 im Liveticker auf skysport.de und in der Sky Sport App). Der psychologische Faktor und das Momentum sprechen also eindeutig für den VfB.
Abschließend muss natürlich auch noch einmal auf das letzte Relegations-Duell der "Jungs aus Cannstatt" geblickt werden. In der Saison 2018/19 ging der VfB Stuttgart aufgrund der Auswärtstorregel gegen Union Berlin abwärts. Ein solches Fiasko kann und wird es in diesem Jahr gegen den HSV nicht geben, weil es A) keine Auswärtstorregel mehr gibt, B) Stuttgart unter Hoeneß kaum zu schlagen ist und C) Qualität, Mentalität und Momentum klar aufseiten der Schwaben liegen. Sorry, HSV...
Nico Ditter
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