Haaland-Verbleib beim BVB? Funkel: "Mir fehlt der Glaube daran"
24.12.2021 | 10:04 Uhr
Friedhelm Funkel hat im exklusiven Sky Interview auf die Bundesliga-Hinrunde zurückgeblickt und dabei insbesondere den SC Freiburg, Eintracht Frankfurt sowie den 1. FC Köln gelobt. Darüber hinaus hat sich der Ex-Bundesliga-Trainer aus BVB-Sicht skeptisch über die Zukunft von Erling Haaland geäußert.
"Erst einmal ist es schön, dass sich eine Mannschaft, ein Verein und ein Trainer so offensiv im Meisterkampf äußern, immer in dem Wissen, dass Bayern München noch ein Stück voraus ist. Dortmund hat ein paar Verletzungsprobleme gehabt und sie stehen defensiv nicht so stabil, um Meister werden zu können. Natürlich musst du Tore schießen, um Spiele zu gewinnen, aber du darfst nicht so viele Gegentore bekommen. Da liegt das Manko. Trotzdem hat Marco Rose dort mehr Punkte geholt, als der BVB zum selben Zeitraum im vergangenen Jahr hatte."
"Dieser Kombinationsfußball ist wirklich gut anzuschauen, diesen schnellen Fußball, den die Spieler da auf den Platz bringen. Aber es hapert im defensiven Bereich, sie kriegen zu viele leichte Gegentore. Genau da wird Marco in der Rückrunde auch ansetzen, um mehr defensive Stabilität hereinzubekommen, weil Tore werden sie immer schießen."
"Es ist vor allem die Defensive, weil alles andere machen sie ja gut. Sie spielen taktisch variabel und haben ein schnelles Umschaltspiel. Sie haben viele Tore erzielt, auch wenn sie in dem ein oder anderen Spiel eine Torchance zu viel ausgelassen haben. Aber das Problem liegt in der Defensive: Sie bekommen einfach zu viele Gegentore und das müssen sie ändern. Gelingt ihnen das, können sie auch die Lücke zum FC Bayern schließen."
"Ohne ihn haben sie in der Hinrunde ja auch Spiele gewonnen. Ich will nicht sagen, dass sie total abhängig sind, aber wenn ein Spieler natürlich in Topform ist und gut eingesetzt wird, dann ist das natürlich ein Faustpfand. Auch in dieser Saison wird er wieder 25 oder 28 Tore schießen, so einen Spieler brauchst du auch, um oben die Bayern anzugreifen. Die Bayern haben mit Lewandowski auch einen Spieler, der in den letzten Jahren 25, 28, 30, 40 Tore geschossen hat. So einen Spieler hat der BVB mit Haaland."
"Ich würde es den Dortmundern wünschen, dass Haaland noch ein Jahr bleibt, aber mir fehlt so ein bisschen der Glaube daran. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir ihn nach dieser Saison noch ein Jahr in der Bundesliga sehen können. Es ist immer eine Freude, ihm zuzusehen, wenn er ein Tor gemacht hat oder er auch mal grimmig oder böse guckt, wenn ihm wenig gelungen ist. Er ist eine Attraktion für die gesamte Bundesliga."
"Es ist ja kein Geheimnis, aber die Bayern werden auch in diesem Jahr wieder deutscher Meister werden. Bei den weiteren Champions-League-Plätzen glaube ich ganz sicher, dass Dortmund Zweiter wird. Sie haben einfach einen guten Trainer und auch eine klasse Mannschaft. Und dahinter, um Platz drei und vier, da wird es eng zugehen. Da wird Bayer 04 Leverkusen eine Rolle spielen, die Frankfurter Eintracht hat sich so langsam gefunden und wird auch oben mitspielen."
"Ich glaube auch an den SC Freiburg, da wird überragende Arbeit gemacht. Der normale Bundesliga-Zuschauer kennt wahrscheinlich gar nicht alle Namen der Freiburger Spieler. Das ist phänomenal, was Christian Streich da jedes Jahr und auch diese Saison wieder leistet. Sie sind auf einer Welle, die auch durch die Winterpause nicht gebrochen wird. Ich glaube, dass Freiburg ein ernsthafter Kandidat ist, um Platz drei und vier mitzuspielen. RB Leipzig müsste vom Kader her noch mal rankommen, Borussia Mönchengladbach wird da oben nicht mehr hinkommen, die haben derzeit andere Probleme. Dann bleiben auch nicht mehr so viele Mannschaften."
"Die machen das fantastisch, das ist Wahnsinn. Ich glaube auch, sie sind noch stärker als im letzten Jahr. Sie haben alle Leistungsträger halten können, nur Santamaria verloren und diese Lücke mit Eggestein schließen können. Da wird mit einer Sprache gesprochen, das ist einfach schön zu sehen, dass das heutzutage noch möglich ist."
"Das zeigt, wenn du wenig Gegentore bekommst, dann bist du im oberen Tabellendrittel dabei, weil Tore schießt du immer."
"In Frankfurt sieht man, dass einem Trainer auch Zeit gegeben werden muss. Man darf auch nicht vergessen, dass sie mit Silva ihren Top-Torjäger an Leipzig verloren haben, der hat in der vergangenen Saison 28 Tore gemacht. Dann kommt im Sommer ein neuer Trainer, der hat vielleicht einen etwas anderen Ansatz, wie Adi Hütter gehabt und dann muss man sich auch erst einmal finden. Da muss man auch einfach ein bisschen Geduld haben und das haben die Frankfurter gehabt und sind dafür belohnt worden. In der Europa League haben sie es ja in der Gruppenphase gezeigt und sind auch nicht umsonst als Erster ins Achtelfinale eingezogen. Das zeigt, dass in dieser Mannschaft viel Potenzial steckt. Oliver Glasner hat viel mit den Spielern gesprochen und gemeinschaftlich sind sie langsam nach oben gekommen. Deshalb traue ich ihnen auch zu, dass da sogar noch ein bisschen mehr als Platz sechs möglich ist."
"Das Wichtigste für Köln ist, dass Anthony Modeste wieder da ist, dass er wieder körperlich fit und bereit ist. Er kann wieder läuferisch und von der Physis alles einsetzen, was er braucht, um Tore zu schießen. Er war in den vergangenen Jahren nicht in der physischen Verfassung, um dorthin zu kommen, wo Tore erzielt werden. Das ist er jetzt wieder. Er hat elf Tore gemacht, ohne diese hätte Köln fünf, sechs Punkte weniger. Er hat sich in diese Verfassung dank des Trainers und seiner Mannschaftskollegen gebracht. Als er aus China zurückgekommen ist, hat er nicht diese körperliche Verfassung gehabt, denn in China ist kaum trainiert worden und dann haben ihn Verletzungen daran gehindert, fit zu werden."
"Er hat die komplette Vorbereitung mitgemacht, der Trainer hat die richtigen Worte gefunden zu Anthony und dieses Vertrauen gibt er Steffen auf dem Spielfeld zurück. Er läuft vorne gut an, er verwertet seine Tormöglichkeiten, das ist wieder der alte Anthony Modeste. Er hat viele Kopfballtore gemacht, Wahnsinn, wie kopfballstark er ist und mit welcher Präzision er diese Kopfbälle im Tor untergebracht hat, das ist einfach klasse. Das ist ein großer Bestandteil des Kölner Erfolges, dass Anthony Modeste wieder funktioniert. Letzte Saison haben die Kölner zu wenig Tore gemacht, weil sie gar keinen Stürmer hatten: Sie haben Terodde und Cordoba abgegeben, Modeste war weg, Andersson war viel verletzt. Da sieht man, wie wichtig ein Stoßstürmer auch in der heutigen Zeit noch ist."
"Da sieht man, wie hoch die Ansprüche in diesen Vereinen sind und das man Angst hat, diese nicht erreichen zu können. Marsch ist von Anfang an nicht so richtig an die Mannschaft herangekommen, wie er sich das gewünscht hat. Die Mannschaft hat keine Beständigkeit gehabt und dann hat man irgendwann gesehen, dass ein Wechsel vielleicht nicht schlecht wäre. Marsch hat ja schon früh infrage gestellt, ob er für Leipzig der richtige Trainer wäre, vielleicht hat er selbst nicht die innere Überzeugung gehabt, den Umschwung noch herbeizuführen und dann hat man sich halt für den Wechsel entschieden. Da ist jetzt mit Tedesco und einem Sieg, einem Unentschieden und einer Niederlage auch noch nicht herausgekommen, was man sich gewünscht hat. Vom Kader her muss diese Mannschaft unter die ersten Vier, da gibt es kein Wenn und kein Aber. Sie sind immer in der Lage, auch mal vier, fünf Spiele in Folge zu gewinnen."
"Und Wolfsburg ist gut gestartet, hat die ersten vier Spiele gewonnen, was dann da passiert ist, das kann ich auch nicht sagen. Mark van Bommel, ein internationaler Weltklasse-Spieler, der alles kennt und alles gewonnen hat und gut in die Saison gestartet ist, diese Euphorie nicht mitzunehmen, das kann ich mir nicht erklären. Das kann aber nicht nur am Trainer gelegen haben, weil die Mannschaft so geblieben ist wie in der vergangenen Saison. Die haben mit Bornauw und Waldschmidt noch gute Spieler dazubekommen, daher ist es für mich wirklich unerklärlich. Und Florian Kohfeldt hat es natürlich auch schwer, gewinnt die ersten drei Spiele und verliert dann siebenmal in Folge. Daran sieht man, dass auch die Mannschaft eine Mitschuld trägt, das ist nicht nur der Trainer. Ich drücke Florian die Daumen, dass er es schafft, in der Rückrunde alles in den Griff zu kriegen. Er hat bislang ja auch nicht richtig trainieren können, weil er immer englische Wochen hatte. Jetzt hat er die Vorbereitung, wo er zumindest eine Woche mit der Mannschaft am Stück trainieren kann, das ist natürlich wichtig für ihn. Er hat jetzt viele Niederlagen kassiert, er muss schnellstens gewinnen."
"Thomas Reis war schlau und hat nicht das, was diese Mannschaft in der 2. Bundesliga ausgezeichnet hat, auch in der Bundesliga spielen lassen. In der 2. Liga hat Bochum attackiert, ist vorne draufgegangen und hat sehr offensiv gespielt, wenn er das in der Bundesliga gemacht hätte, hätte er hinten den Laden vollgekriegt. Bochum spielt nun verhaltener, ohne von ihrer Linie komplett abgewichen zu sein. Sie attackieren jetzt nur noch situativ an der gegnerischen Strafraumlinie, ansonsten stehen sie sehr kompakt bis auf das 0:7 in München. Das kann mal passieren und ist auch überhaupt kein Beinbruch. Nach diesem 0:7 hat Thomas die Mannschaft wieder in die Spur gebracht."
"Er ist auch einer der Trainer, die sich sehr positiv entwickelt haben, wie er die Mannschaft von der Seitenlinie aus geführt hat, dass macht er sehr gut. Und auch Bochum kommt über die mannschaftliche Geschlossenheit. Da kämpft jeder für jeden, stehen sehr komplett und haben mit Holtmann und einigen anderen sehr schnelle Umschaltspieler. Dazu haben sie mit Polter jemanden, der immer noch wichtige Tore macht und mit Riemann einen Torhüter, der manchmal ein bisschen verrückt ist, aber bis auf zwei, drei Gegentore eine starke Hinrunde gespielt hat. Das freut mich einfach für den VfL. Wenn sie noch einmal 20 Punkte holen würden, dann wäre das eine Meisterleistung. Ich glaube auch, dass diese Saison mehr Punkte für den Klassenerhalt nötig sind als in den vergangenen Jahren. Du brauchst schon 36 oder 37 Punkte, um vielleicht 15. zu werden und das bedeutet für Bochum, dass sie noch einmal 16, 17 Punkte holen müssten. Das traue ich dem VfL aber auch zu."
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