Rummenigge fordert Task Force
26.08.2018 | 18:32 Uhr
Am ersten Spieltag der Bundesliga sorgt der Video-Assistent für reichlich Verwirrung und wird stark kritisiert. In allen Stadien kommt es zu strittigen Szenen.
Im zweiten Jahr sollte eigentlich alles besser werden. Nachdem der Video-Assistent bei der WM in Russland zu den positiven Überraschungen zählte, war auch in der Bundesliga die Hoffnung groß, dass die Diskussionen um das elektronische Hilfsmittel nachlassen. Doch am ersten Spieltag der neuen Spielzeit stand der Video-Assistent mehr denn je in der Kritik.
Richtig chaotisch wurde es vor allem beim Auftritt von Vizemeister Schalke 04 beim VfL Wolfsburg. Besonders bei den Knappen blieb nach der 1:2-Niederlage ein äußerst bitterer Nachgeschmack.
Was war passiert? Zunächst kam Schalkes Mark Uth in der 57. Minute nach einem Kontakt mit Maximilian Arnold im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Patrick Ittrich ließ aber weiterspielen und auch der Video-Assistent griff nicht ein.
Dieser meldete sich allerdings wenig später nach einem Foul von Matija Nastasic an Wout Weghorst in der 65. Minute. Ittrich hatte zunächst Gelb gezückt, entschied sich nach Studium der TV-Bilder aber um und stellte den Serben mit Rot vom Feld. Für Sportvorstand Christian Heidel völlig unerklärlich.
"Da gibt er ihm Gelb, okay. Wie man dann auf die Idee kommen kann, sich die Szene nochmal anzusehen und dann Rot zu geben, obwohl Nastasic den Ball spielt, ist mir unerklärlich", echauffierte sich Heidel am Sky Mikro und legte nach: "Dass so eine Fehlentscheidung durch den Video-Assistenten passiert, hab ich so oft noch nicht erlebt."
Drei Minuten später wurde es komplett bizarr: Der Unparteiische schickte Wolfsburgs Weghorst nach einem Kopfstoß gegen Guido Burgstaller ebenfalls vom Platz, revidierte die Entscheidung aber kurz danach, nachdem sich der Video-Assistent einschaltete.
Spätestens danach blickten die Schalker Verantwortlichen nicht mehr wirklich durch: "Wir haben dann auf 4-3-2 umgestellt, weil wir dachten, der Gegner hat eine Rote Karte. Die wurde dann zurückgenommen. Deswegen mussten wir zurückwechseln. Beim Elfmeter war es das Gleiche, da wurde auch erst eine Rote Karte gezeigt, da dachten wir auch, jetzt sind wir wieder in Gleichzahl. Das war heute nicht einfach", kritisierte Domenico Tedesco bei Sky.
Das Wirrwarr um den VAR in Wolfsburg gipfelte im emotionalen Wortgefecht zwischen Ittrich und Tedesco, nachdem der Schalker Trainer sich beleidigt fühlte. Heidel ist aber trotz der Vorfälle immer noch ein Anhänger des Video-Assistenten, wie er bei Sky versicherte: "Ich glaube immer noch, dass die Idee des Video-Assistenten gut ist, aber es gibt Leute, die das umsetzen. Und heute hatten zwei einen katastrophalen Tag."
Auch bei den restlichen Spielen am Samstagnachmittag hagelte es Kritik von allen Seiten. Beim Spiel Fortuna Düsseldorf gegen den FC Augsburg meldete sich Köln beim Augsburger Ausgleich und signalisierte dem Unparteiischen Markus Schmidt, dass er sich die Entstehung noch einmal ansehen sollte. Speziell ging es um ein vermeintliches Foul an Benito Raman. Doch der Schiedsrichter sah kein Vergehen und entschied auf Tor.
Für Fortuna-Coach Friedhelm Funkel ein Unding: "Wenn er sich die Szene schon einmal anschaut, dann darf er da kein Tor, sondern muss Freistoß für uns geben", so der 64-Jährige: "Ganz klar. Wenn er sie sich nicht anschaut, dann müssen wir damit leben, aber dafür ist der Video-Schiedsrichter da."
Auch der zweite Aufsteiger aus Nürnberg fühlte sich verschaukelt. In Berlin lief Torschütze Vedad Ibisevic vor dem 1:0 der Berliner seinem Gegenspieler Georg Margreitter in die Beine. Trotz Hinweis aus Köln blieb Schiedsrichter Tobias Welz bei seiner Entscheidung.
"Das war für mich grundsätzlich regelwidrig, das muss zurückgepfiffen werden, weil die Mannschaft nicht mehr in ihrer Verteidigungsstruktur ist", haderte Club-Trainer Michael Köllner und stellte dem Schiedsrichterwesen ein miserables Zeugnis aus:
"Die stehen zu selten in fußballspezifischen Situationen auf dem Platz. Der Schiedsrichter kommt genau einmal um halb vier am Samstag raus, und ansonsten ist er im Fitnessstudio oder läuft durch den Wald."
Auch bei den Spielen zwischen dem SC Freiburg und Eintracht Frankfurt beziehungsweise Werder Bremen gegen Hannover 96 sorgten Eingriffe aus dem Keller in Köln für Verwirrung.
Angefangen hatte es allerdings bereits schon beim Eröffnungsspiel am Freitagabend zwischen dem FC Bayern und 1899 Hoffenheim, als Schiedsrichter Bastian Dankert beim Stand vom 1:1 nach einem vermeintlichen Foul an Franck Ribery auf Strafstoß für die Bayern entschied. Obwohl TV-Bilder zeigten, dass der Franzose klar vorher abhob, meldete sich aus Köln niemand.
Der DFB erklärte zwar, dass das Nicht-Einschreiten korrekt gewesen sei, aber Sky Experte Markus Merk sah das komplett anders. "Für mich war die Situation an Ribery kein Elfmeter, weil er nicht gefoult wird. Das hat der Schiri anders gesehen und anders entschieden."
Hoffenheims Coach sah das ähnlich und wütete anschließend auf der PK: "Natürlich kann Ribery da nicht weiterspielen und es ist eine Grätsche, aber er springt eine halbe Stunde vorher. Wenn das als Elfmeter gepfiffen wird, dann kann jeder vorher losspringen und sagen, ich kann nicht weiterlaufen", so Nagelsmann.
Und weiter: "Und wer bewertet es dann? Der Video-Schiedsrichter? Wo war er? Außer in den 14 Szenen danach, die keinen Mensch interessiert haben. Da war er in jedem Fall nicht anwesend."
Karl-Heinz Rummenigge nimmt deshalb den DFB in die Pflicht: "Ich habe den Eindruck, dass der DFB professionelle Strukturen aufbauen sollte. Seit zwei Jahren wird nun an diesem Thema gearbeitet und es läuft trotzdem nicht wie gewünscht rund, führt immer wieder zu Diskussionen und Kritik in der Öffentlichkeit. Die Schiedsrichter werden hier im Stich gelassen", erklärte der 62-Jährige in einem Interview auf der Homepage des Rekordmeisters.
Der Bayern-Boss fordert Konsequenzen: "Es muss so schnell wie möglich Abhilfe geschafft werden, eine Taskforce sollte gebildet werden, die sich darum kümmert, dass hier nun endlich professionell gearbeitet wird. Dazu bedarf es der Eingliederung des Profifußballs und von Spezialisten. Bei der WM in Russland hat man ja gesehen, wie VAR gut angewendet werden kann."
Die WM als positives Beispiel - das war die große Hoffnung. Wie es sich der DFB zukünftig genau vorstellt, wird Jochen Drees, der seit dieser Saison die Leitung beim Video-Assistent übernommen hat, am Sonntag bei "Wontorra - der o2 Fußball-Talk" genauer erläutern. Der Ex-Schiedsrichter ist per Telefon in der Sendung ab 10:45 Uhr auf Sky Sport News HD live zugeschaltet.