Portugiese von Benfica-Fans gefeiert
28.09.2018 | 23:49 Uhr
Renato Sanches wird beim Sieg des FC Bayern in Lissabon von den Benfica-Fans gefeiert. Für den Portugiesen ist es nach einer schwierigen Zeit endlich ein Lichtblick.
Als sich die Benfica-Fans im Estadio da Luz in der 54. Minute erhoben und ihren ehemaligen Jungstar mit stehenden Ovationen feierten, schien es, als sei Renato Sanches endlich angekommen beim FC Bayern. In seiner Heimat, in seinem ehemaligen Wohnzimmer, erlebte der 21-Jährige beim 2:0-Sieg des FC Bayern einen Moment, von dem er eines Tages seinen Enkelkindern erzählen wird.
"Ich bin so glücklich, dass ich in Lissabon so einen Abend erleben durfte und möchte mich bei den Fans von Benfica bedanken", sagt der Portugiese bei Sky zum Applaus der Benfica-Fans nach seinem Tor zum 2:0: "Es war ein sehr besonderer Moment für mich und ich habe es sehr genossen."
Auch seine Münchner Mitspieler waren ergriffen. "Wahnsinn, so etwas habe ich noch nie erlebt, dass die gegnerischen Fans aufstehen und klatschen, wenn sie ein Gegentor bekommen", sagte Joshua Kimmich.
"Mich freut es unglaublich für den Jungen, der ist mit 19 Jahren nach München gekommen, ganz allein, spricht die Sprache nicht, aber ist vom ersten Moment selbstbewusst aufgetreten", ergänzte Kimmich: "Es hat nicht immer alles geklappt, aber heute hat er ein Riesenspiel gemacht. Da ziehe ich meinen Hut."
Sanches zahlte das Vertrauen von Niko Kovac zurück, der ihn für den angeschlagenen Thiago in die Startelf gestellt hatte. "Man muss rotieren und heute war nach dem Ausfall von Thiago der Zeitpunkt für ihn gekommen", erklärte der Bayern-Trainer.
"Ich hatte es ja schon auf der Pressekonferenz am Dienstag gesagt, dass er eine sehr gute Vorbereitung absolviert hat. Ich habe mir gewünscht, dass er zwei Tore macht, aber er hat nur eins gemacht", ergänzte Kovac mit einer Prise trockenem Humor.
Die Art und Weise, wie Sanches bei seinem Treffer zum 2:0 fast über das gesamte Spielfeld gelaufen war, habe ihn an Lothar Matthäus' Treffer bei der WM 1990 gegen Jugoslawien erinnert: "Es ist schon so, dass die Leute bei ihm links und rechts wegfliegen - so wie früher bei Lothar Matthäus."
Matthäus selbst war beeindruckt. "Das sind die Geschichten, die der Fußball schreibt. Es war eine tolle Geste der Benfica-Fans", sagte der Sky Experte Lothar Matthäus und ergänzte: "Er wirkt austrainiert und hat seine Leistung mit dem 2:0 gekrönt."
"Dass er Fußball spielen kann, das wussten wir", meinte Kovac, "aber man muss immer bedenken, das ist ein junger Spieler, der seine Heimat und seine Familie verlässt und in einem fremden Land aufgenommen werden muss. Die Akklimatisierung fällt nicht einfach."
Als Sanches vor zwei Jahren aus Lissabon nach München gekommen war, wurde er als Jahrhundert-Talent gefeiert. Mit Portugal wurde er in Frankreich Europameister und als bester Jungstar des Turniers ausgezeichnet. Doch er konnte sich nicht durchsetzen, absolvierte in der Bundesliga und in der Champions League nur je ein Spiel über 90 Minuten und wurde nach nur einer Saison an Swansea City ausgeliehen.
In der Premier League sollte er Spielpraxis sammeln, doch die Zeit auf der Insel wurde zur Qual. Tiefpunkt: Der 30. November 2017, als er in einem Spiel gegen den FC Chelsea den Ball irrtümlich in eine Werbebande spielte, weil er dort einen Mitspieler vermutet hatte.
"Was er zeigt, ist jämmerlich", meinte der ehemalige walisische Nationalspieler Robbie Savage damals. "Ich sah ihn bei Bayern München und in der Champions League. Er ist hierhergekommen und du denkst: 'Was hat dieser Junge eigentlich?"
Der ehemalige portugiesische Nationalmannschaftskapitän Fernando Meira hatte eine Erklärung. "Wenn man in England oder Deutschland spielt, dann muss man ganz stark sein - nicht nur fußballerisch, sondern auch im Kopf. Und ich denke, er ist noch nicht bereit, in diesen Ländern zu spielen", sagte Meira damals bei Sport1.
Im Sommer kehrte Sanches nach München zurück, nun scheint er endlich bereit zu sein.
"Er hat große Fortschritte gemacht, vor allem im mentalen Bereich", hatte Kovac schon am Dienstag vor der Partie in Lissabon erklärt: "Ich habe gesehen, dass er sich freut, wieder zuhause zu sein."