Vielsagender Bayern-Vergleich: Frankfurts Mutmacher für den Barca-Coup
07.04.2022 | 18:25 Uhr
Seit dem 18. März um 13:42 Uhr ist nichts mehr, wie es vorher war bei Eintracht Frankfurt. Im und rund um den Verein ist der Ausnahmezustand ausgebrochen. Alles nur wegen einer kleinen Kugel sowie einem Zettel mit folgenden elf Buchstaben: F-C-B-a-r-c-e-l-o-n-a.
Die Eintracht aus Frankfurt im Viertelfinale der Europa League gegen den 26-maligen spanischen Meister, den fünfmaligen Gewinner der Champions League, kurzum: gegen einen der größten, erfolgreichsten und renommiertesten Klubs der Welt. "Es ist die größtmögliche Paarung, die es hätte geben können - ein Jahrhundertspiel", sagte Vorstandssprecher Axel Hellmann voller Vorfreude.
Auch bei Trainer Oliver Glasner überwog trotz der sportlich größtmöglichen Herausforderung die Begeisterung: "Wir genießen es, dass hier viel los ist. Der gesamte Verein, die Mannschaft, die Fans und die Stadt haben sich das verdient." Wohl wahr. Schließlich hat sich in den vergangenen Jahren kein anderer deutscher Verein so sehr mit dem zweitgrößten europäischen Wettbewerb identifiziert wie die Eintracht.
Von vielen Teilnehmern als lästig empfunden, haben der Klub, die Spieler und das Umfeld die Europa League von der ersten Sekunden an lieb gewonnen. Nicht Borussia Dortmund, nicht Bayer Leverkusen, nicht Borussia Mönchengladbach - für die Sternstunden sorgte in der jüngeren Vergangenheit stets die Diva vom Main. Besonders in Erinnerung geblieben ist der Sensations-Lauf in der Saison 2018/19, als die "Europa-Adler" mit sechs Siegen durch die Gruppenphase marschierten, anschließend Donezk, Inter und Benfica ausschalteten und im Halbfinale erst im Elfmeterschießen am späteren Titelträger FC Chelsea scheiterten.
Im Jahr darauf gelang in der Gruppenphase sogar ein Auswärtssieg beim FC Arsenal, ehe sich im Achtelfinale der FC Basel als Endstation erwies. Damals fanden die Partien corona-bedingt allerdings vor leeren Rängen statt. Ein gravierender Unterschied, denn die gewohnt lautstarken Fans sorgen an Europapokal-Abenden für eine Gänsehaut-Stimmung und verleihen den SGE-Akteuren einen Extra-Boost. Donnerstage sind Festtage.
Der Traum einer weiteren magische Nacht samt emotionalen Jubelarien wie in der Runde zuvor gegen Betis Sevilla lebt. Gegen die Andalusier entschied das späteste Eigentor der Europa-League-Historie nach 120 Minuten und 22 Sekunden einen nervenaufreibenden Krimi zugunsten der Gastgeber und verwandelte die mit 25.000 Zuschauern gefüllte Arena in ein Tollhaus. Darauf kann sich auch der FC Barcelona gefasst machen.
Die Hausherren hätten nach eigenen Angaben unglaubliche 250.000 Tickets absetzen können. Die Euphorie in der Main-Metropole ist grenzenlos und auch die Protagonisten können an nichts anderes mehr denken. "Das wird eines meiner Highlights in meiner Karriere", blickte Sebastian Rode voraus und sprach damit wohl all seinen Teamkollegen aus der Seele. Und genau darin liegt die Chance für den Außenseiter.
Während das proklamierte "Jahrhundertspiel" ganz Frankfurt elektrisiert, ist die Partie für die Gäste eine Pflichtaufgabe. Es gilt, ein blamables Aus zu verhindern und eine enttäuschende Europapokal-Saison mit dem Gewinn der Trophäe noch halbwegs zu retten. Für den Absteiger aus der Champions League sind Begegnungen mit dem FC Bayern prickelnd - nicht aber mit dem aktuellen Tabellen-Neunten der Bundesliga. Das weiß auch Trainer Xavi.
"Es wird zweifellos ein sehr kompliziertes Viertelfinale. Für sie ist es ein Jahrhundertspiel. Wir müssen diese Motivation egalisieren", warnte der 42-Jährige seine Stars davor, das Spiel "auf die leichte Schulter zu nehmen".
Frankfurt fühlt sich dagegen wohl in der Underdog-Rolle und will in dieser Funktion nun auch Barca gefährlich werden. Zwei Fakten dienen dabei als gutes Omen: Die Hessen haben im eigenen Stadion noch nie gegen ein spanisches Team verloren, dazu gab es in Europapokal-Heimspielen ab dem Viertelfinale bislang zwölf Siege und vier Remis - keine einzige Pleite. Doch es sind nicht nur bloße Statistiken, die als Mutmacher dienen.
"Wir haben in dieser Saison gegen die Bayern 2:1 und 0:1 gespielt, in einem K.o.-Spiel wären wir so in der Verlängerung. Wer das gegen Bayern schafft, kann es auch gegen Barcelona schaffen", frohlockte Glasner. Der Bayern-Vergleich des Österreichers sagt einiges aus.
Das besondere Viertelfinal-Duell soll keinesfalls zur reinen Kür verkommen. Frankfurt gibt sich selbstbewusst, glaubt an seine Chance, an seine eigenen Stärken und daran, einen einmaligen Coup landen zu können. Große Namen lösen in der Bankenstadt längst keine Ehrfurcht mehr aus. Auch nicht ein wiedererstarktes Barca.
Unter Vereins-Ikone Xavi hat sich der Verein zuletzt stabilisiert. Seit 13 Spielen ungeschlagen, hat sich der Traditionsklub innerhalb von wenigen Monaten von Rang neun auf Platz zwei vorgeschoben. Besonders die 4:0-Gala im Clasico gegen Real Madrid hat Eindruck hinterlassen. Die Winter-Neuzugänge Ferran Torres, Adama Traore und vor allem Pierre-Emerick Aubameyang funktionieren und im Mittelfeld schickt sich Supertalent Pedri an, eine Ära bei den Katalanen zu prägen. Das tut der freudigen Erwartung in Frankfurt aber keinen Abbruch.
Die Glasner-Elf wird alles in die Partie reinlegen, jeden Zentimeter auf dem Platz umgraben und über die Schmerzgrenze hinausgehen, um es dem großen Favoriten so unangenehm wie möglich zu machen. "Grundsätzlich wissen wir, dass sie physisch stärker sind als wir, das ist einfach so. Ich glaube, das ist eine der physisch stärksten Mannschaften in der Bundesliga", wies Barca-Schlussmann Marc-Andre ter Stegen im RTL/ntv-Interview auf die Stärken des Gegners hin.
48.500 Zuschauer dürfen sich davon überzeugen, ob die mahnenden Worte des DFB-Keepers bei den Barca-Stars angekommen sind. Garantiert ist: Die glücklichen Ticketinhaber werden für eine einmalige Stimmung sorgen und Rode, Kostic & Co. in einer Lautstärke unterstützen, als wären 250.000 Fans vor Ort. Denn wenn im Deutsche Bank Park an einem Donnerstagabend das Flutlicht angeht, weiß jeder: Die Europa-Party beginnt.
Eintracht Frankfurt: Trapp - Ndicka, Hinteregger, Tuta - Jakic, Sow - Knauff, Kostic - Lindström, Kamada -Borre
FC Barcelona: Ter Stegen - Dest, Pique, Eric García, Jordi Alba - De Jong, Busquets, Pedri - Traore, Aubameyang, Ferran Torres
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