Frankfurts Triumph ist ein Zeichen an die Bundesliga
19.05.2022 | 23:32 Uhr
Sky Experte Didi Hamann erklärt in seiner Kolumne, was den Erfolg von Eintracht Frankfurt in der Europa League ausgemacht hat. Er lobt die Verantwortlichen, blickt auf die kommende Champions-League-Saison und sieht andere Bundesligisten in der Pflicht.
Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, was Eintracht Frankfurt in dieser Europa-League-Saison geschafft hat. Das ist schwer in Worte zu fassen. Ob im Endspiel in Sevilla, im Halbfinale in London oder mit 30.000 Fans im Stadion des FC Barcelona: Der Zusammenhalt ist unglaublich, und die ganze Stadt steht hinter der Mannschaft.
Vor drei Jahren waren die Frankfurter schon einmal kurz davor, haben dann aber im Halbfinale gegen Chelsea verloren. Damals haben die Hessen auf der europäischen Landkarte ihre Spuren hinterlassen, jetzt sind sie endgültig angekommen. Jeder weiß, wer die Eintracht ist. Nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit.
Auch wenn man vielleicht qualitativ nicht so gut ist wie Barcelona oder andere Mannschaften: Was durch den Zusammenhalt möglich ist, das haben wir in dieser Saison und am Mittwochabend gesehen.
Trainer Oliver Glasner hatte keinen leichten Start, im DFB-Pokal war die Eintracht früh ausgeschieden, in der Bundesliga gab es in den ersten sieben Spielen keinen Sieg, dann wollte ein Leistungsträger wie Kostic weg. In dieser Situation die Ruhe zu bewahren und die Spieler wieder zu motivieren, ist eine große Leistung. Da geht es um Menschenführung, um Empathie, um mehr als nur den Fußball.
Ich kann nur den Hut davor ziehen, wie Glasner und Sportchef Markus Krösche das nach dem Umbruch im Sommer und dem holprigen und schwierigen Start hinbekommen haben. Krösche hat in Paderborn zusammen mit Steffen Baumgart erfolgreich gearbeitet und auch in Leipzig einen tollen Job gemacht. Er hält sich meistens im Hintergrund auf und lässt Taten sprechen. Ich halte ihn für einen herausragenden Fachmann. Er weiß, welche Charaktere in eine Mannschaft passen. Er hat im Sommer einige neue Spieler geholt, und Glasner hat aus ihnen schließlich eine Einheit geformt.
2021 standen die Frankfurter schon einmal kurz davor, die Champions League zu erreichen. Sie hatten sieben Spieltage vor Schluss sieben Punkte Vorsprung auf den BVB, dann gab Adi Hütter seinen Abschied zum Saisonende bekannt und alles brach zusammen. Das war ein Nackenschlag und hat den ganzen Verein erschüttert. Dass die Eintracht jetzt die Europa League gewonnen hat und nächstes Jahr in der Königsklasse dabei ist, zeigt aber, wie gefestigt der Klub ist. Daran hat Peter Fischer einen großen Anteil. Er hält den Verein zusammen und er hat Krösche und Glasner die Möglichkeit gegeben, sich zu entfalten.
Durch den Titel in der Europa League und die daraus resultierende Teilnahme an der Champions League eröffnen sich neue Möglichkeiten. Ich weiß nicht, ob Spieler wie Kostic und Ndicka, die ihre Verträge nicht verlängern wollten, einen neuen Verein finden, der nächstes Jahr in der Champions League spielt. In Frankfurt bietet sich durch den EL-Sieg und die CL-Teilnahme nun auch finanziell eine neue Perspektive.
Zu einem Champions-League-Teilnehmer werden viele Spieler kommen wollen. Oft ist es aber sogar schwieriger, neue Spieler zu finden, wenn du Geld hast. Du musst schauen, dass die Spieler aus den richtigen Beweggründen kommen wollen. Dieser Herausforderung sind sich die Verantwortlichen bewusst und diese müssen sie meistern. Eins ist auch klar: Für die Champions League muss der Eintracht-Kader um zwei, drei Spieler größer sein, als er es in dieser Saison war.
In der Champions League kannst du nächste Saison eine machbare, aber auch eine ganz schwere Gruppe bekommen. Wenn die Frankfurter einmal gegen einen Spitzenverein einen auf die Mütze bekommen, dann ist es halt so. Sie müssen diese Highlights genießen.
Der nächste Festtag ist der 10. August, wenn in Helsinki das Finale um den UEFA-Supercup gegen Real Madrid oder Liverpool ansteht. Für die Frankfurter wird dieses Spiel wahrscheinlich mehr bedeuten als für den künftigen Champions-League-Sieger. Ich bin gespannt und mir sicher, dass es auch in Finnland wieder ein Heimspiel für die Eintracht geben wird.
Der Sieg in der Europa League kann auch eine Initialzündung für die Bundesliga sein. Wenn sie sich richtig verstärken, ist alles möglich. In Dortmund und Leipzig wurde in den vergangenen zwölf Monaten teilweise keine gute Arbeit geleistet. Es ist ein komischer Zufall, dass genau diesen Mannschaften von den Glasgow Rangers aus der Europa League gekegelt wurden. Dabei sollten beide Klubs ganz andere Ansprüche haben.
Die Eintracht hat der Bundesliga gezeigt, was machbar ist. Wenn wir immer von der Dominanz der Bayern sprechen, dann muss ich als Dortmund oder Leipzig auch mal Taten sprechen lassen. Es reicht nicht zu sagen: „Wir wollen die Bayern ärgern." Man muss die Bayern fordern, ihnen durch Siege Fragen stellen. Die Frankfurter haben der ganzen Bundesliga vorgemacht, dass große Dinge möglich sind, wenn du den Anspruch hast, den Glauben an dich hast und wenn du diesen Zusammenhalt hast.