Ex-Bremen-Keeper Frank Rost spricht im exklusiven Sky Interview über Werders Defensive und Florian Kohfeldt
Frank Rost im Klartext-Interview zu Werder und Coach Kohfeldt
15.02.2020 | 11:18 Uhr
Insgesamt 745 Spiele hat Torwart-Urgestein Frank Rost absolviert, über 200 im Trikot des SV Werder Bremen. Für keinen Klub stand Rost häufiger auf dem Rasen, gewann mit Werder 1993 die Meisterschaft. Auch heute verfolgt er den Klub noch genau, Sky Sport traf ihn zum exklusiven Interview.
Sky Sport: Die Sorge in Bremen ist riesengroß, dass Werder womöglich in die zweite Liga absteigt. Ist diese Sorge berechtigt?
Frank Rost: "Nach den letzten Spielen muss man sich ernsthaft die Frage stellen, wo der Weg hingeht. Noch sind genügend Spiele übrig und man hat alles selber in der Hand. Es müssen einige fußballerische und taktische Änderungen stattfinden, sonst wird es eng."
Sky Sport: Wo drückt bei Werder der Schuh?
Rost: "Dafür sind fünf Minuten zu wenig. Ich glaube, die Abwehrleistungen sind in taktischer und fußballerischer Hinsicht eher zweitligareif. Wenn man das Spiel gegen Union anschaut und sieht, wie die Tore fallen, dann ist das zu einfach. Werder ist immer in der Überzahl, man läuft nicht in einen Konter rein, sondern man ist in Überzahl und die Zuordnung stimmt nicht in einer einzigen Situation. Es wird kaum organisiert, Vogt in der Mitte verlässt einfach seine Position und das wird brutal in der Bundesliga bestraft. Im Schnitt muss Werder drei Tore schießen, um zu gewinnen. Gegen Dortmund hat das funktioniert, aber davon darf man sich nicht blenden lassen. Dortmund würde mit einer besseren Abwehrleistung auch besser in der Tabelle stehen."
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"In vielen anderen Spielen, gerade wenn der Gegner sehr kompakt in der Mitte steht, dann wird es für Werder sehr schwer. Rashica und Bittencourt kommen von außen und wollen schießen, klar ist das eine Waffe, aber es ist zu ausrechenbar. Man muss auch in der Lage sein, über außen zu spielen. Union hat das gut gemacht und deswegen ist es konsequent, dass du solche Spiele dann auch verlierst"
Sky Sport: Ist das aus Ihrer Sicht eine reine Kopfsache? Gerade, weil der Kader eigentlich genug Qualität besitzt...
Rost: "Ja, das kommt sicherlich im Endeffekt heraus. Bei dem zweiten Tor gegen Union schalten die Unioner einfach schneller. Bülter schaltet in dem Moment sehr gut und die anderen Jungs schauen alle nur zu und sind eher überrascht, dass einer so schnell reagiert. Entscheidend ist aber diese Abwehrorganisation und das System, das sie spielen. Teilweise mit fünf Spielern auf einer Linie, da nimmst du zeitweise einen Spieler komplett aus dem Spiel. Das ist nicht zeitgemäß. Das kann eine Mannschaft wie Bayern München oder Barcelona machen, aber davon ist Werder weit, weit weg.
Mannschaften, die über außerordentliche Offensivqualitäten verfügen, können das machen. Werder Bremen braucht zwei Innenverteidiger und einen Sechser, der immer davor ist, damit du eine stabile Zentrale hast. Außerdem müssen die Spieler sich selber organisieren, damit nicht solche Fehler wie bei dem ersten und zweiten Tor passieren. Die Absprache stimmt einfach nicht. Toprak attackiert irgendwo am Mittelkreis und Eggestein musste die Position übernehmen. Warum auch immer, keine Ahnung. Das sind Dinge, über die keiner redet, keiner der Spieler moniert dies.
Alle ertragen dies, weil der Trainer immer alles erklärt. Der Trainer erklärt jeden Kram, das kommt sehr altklug rüber. Jetzt hat man noch Clemens Fritz dazugeholt, man sollte ihn das gleich alles machen lassen. Er ist ein guter Mann. Auch das zeigt ein wenig, dass man mit seinem Latein am Ende ist, wenn man auf solche Schachzüge zurückgreift. Letztendlich müssen sie in Leipzig gewinnen. Wenn sie da jetzt auch noch eine Dusche kriegen und deutlich verlieren, dann ist auch Kohfeldt nicht mehr zu halten."
Sky Sport: Welche Verantwortung trägt Kohfeldt für die momentane Situation bei Werder?
Rost: "Ich kann nur das beurteilen, was ich sehe. In taktischer Hinsicht sind sie defensiv eine Katastrophe. Es ist zu einfach gegen Werder Bremen Tore zu erzielen. Man muss nur genug Geduld haben und gut stehen, denn hinten sind sie nicht gut organisiert. Es wird, wie gesagt, immer alles sehr altklug erklärt, ob ein Spieler auf der Bank sitzt. Ich würde niemals einen meiner Spieler öffentlich kritisieren. Das kann ich intern machen. Ich rege mich permanent über die Außenverteidiger auf, oder weil ich Spieler nicht zu Verfügung habe, weil sie verletzt sind. Das ist alles zu viel Erklärerei und Rumjammerei.
Es geht dann weiter über Dinge, die gar nichts mit dem Fußball zu tun haben, ob einer ein Bier trinkt, oder nicht. Ich muss nicht immer alles erklären. Wir erinnern uns an die Namensdiskussion. 'Ob ich nun Kohfeldt oder Kohlfeldt heiße ist doch scheiß egal, ihr werdet den Namen schon noch lernen, denn ich bin gut.' Das wäre mal eine andere Ansage gewesen als: 'Ich finde das alles respektlos.' Und der Pizarro trinkt ein Bier im Urlaub, ja mein Gott. Ich würde mich als Pizarro kaputt lachen, wenn mir jemand, der gerade versucht seine zweite Saison einigermaßen unfallfrei über die Bühne zu kriegen, das Profi-Fußball-Dasein erklärt. Als Trainer muss man auch mal Dinge ertragen und alle guten Trainer, die ich hatte, haben nie öffentlich einen Spieler kritisiert. Sie haben intern auch Tacheles geredet und dich auf die Bank gesetzt, aber sie haben nichts erklärt. Sie haben Entscheidungen getroffen, immer im Sinne der Mannschaft."
Ich glaube auch, dass das irgendwann in einer Mannschaft eine Resignation auslöst. Jetzt nimmt man einen Fritz mit, weil der etwas erklären soll. Ich persönlich halte das nicht für unproblematisch, dass da einige auch schon abschalten. Du hast irgendwann alles versucht. Wenn in Leipzig jetzt nicht ein Big-Point kommt, dann ist die Glaubwürdigkeit dahin."
Sky Sport: Findet die Werder-Familie um Marco Bode und Frank Baumann den richtigen Umgang intern oder müsste Kohfeldt differenziert betrachtet werden?
Rost: "Ja, das muss man differenziert betrachten. Der Aufsichtsrat kann sich in das operative Geschäft nicht einmischen und ist außen vor. Frank Baumann macht das gar nicht so schlecht. Er ist ein sehr guter Mensch und er versucht, das immer mit seiner Ruhe zu klären. Aber vielleicht muss man auch mal Leute in diese Positionen bringen, die eine Persönlichkeit haben, wie einen Clemens Fritz oder Tim Borowski. Ich würde mir wünschen, dass solche ehemaligen Fußballer auch mitentscheiden dürfen und Verantwortung übernehmen.
Werder hat immer viele Leute um sich geschart, die rund sind und anpassungsfähig. Aber es fehlt ein wenig das Eckige und Kantige. Oliver Reck hat gesagt, dass Werder in der Werder-Familie ist. Es fehlt der Input von außen, der sagt: 'Hallo, ihr geht gerade den falschen Weg'. Der Fußball hat sich geändert. Es wird immer noch mit elf Mann gespielt, aber in vielerlei anderer Hinsicht und da muss sich etwas ändern. Da reicht es nicht, auf die Spieler zu schimpfen. Da hat der Oli den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich würde mir schon wünschen, dass der eine oder andere es wie Bayern macht und gute Persönlichkeiten und ehemalige Profis den Werdegang mitbestimmen können. Mir ist das zu eingefahren."
Sky Sport: Droht sogar der Super-GAU und steigt Werder ab?
Rost: "Sie haben schon eine Riesenchance. Es erinnert mich etwas an 1999, da waren wir auch noch im Pokal und standen noch weiter unten. Am Ende haben wir vier der letzten fünf Spiele und das Pokalfinale gewonnen. Die gleichen Chancen hat Werder immer noch. Sie haben eine lösbare Aufgabe im Pokal und vielleicht übernimmt fünf Spieltage vor Schluss wieder Thomas Schaaf und wir erleben das Revival von 1999. Ich würde es ihnen wünschen, aber dafür müssen diese Fehler aufhören. Das hat nichts mit allem anderen zu tun. Das sind fußballerische Sachen. Wenn du so einfach Tore zulässt, und so desorganisiert bist in der Abwehr, hast du keine Chance in der Bundesliga."
Das Interview führte Marcus Jürgensen