Bayerns Führungskrise: Fanklub-Boss sieht "ganz großen Fehler"
26.04.2023 | 14:03 Uhr
Dem FC Bayern droht eine Saison ohne einen einzigen Titel. Im Interview mit skysport.de spricht Thomas Ackermann vom Fanclub "Bayern-Bazis Romantische Straße" über die Führungskrise der Münchner. Für die Position des Neuners würde sich der Bayern-Fan einen DFB-Star wünschen.
skysport.de: Herr Ackermann, der FC Bayern befindet sich in der schwersten Krise seit mehr als zehn Jahren. Wie konnte es aus Ihrer Sicht soweit kommen?
Thomas Ackermann: Seit dem ersten Tag der Saison ist immer etwas los. Kurz vor der WM war es mal ruhig. In der Bundesliga auf Platz eins, in der Champions League war man weiter, auch im DFB-Pokal. Da hat man gedacht, dass die Spieler mit Selbstvertrauen zur WM fahren. Das hat sich dann aber nicht bestätigt. Die WM war ein ganz entscheidender Grund, wieso es in der Rückrunde nicht so gelaufen ist. Wenn ich mich an das Interview von Joshua Kimmich nach dem Ausscheiden zurückerinnere: Da war er am Boden, man hatte Angst, er spielt nie mehr Fußball. Genauso agiert er jetzt auch. Er ist total von der Rolle. Das ist Wahnsinn. Kimmich spielt risikobehaftet, hektisch.
skysport.de: Der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn steht aktuell massiv in der Kritik. Sollte sich der FC Bayern von ihm trennen?
Ackermann: Für mich steht Kahn außer Frage. Man muss erst einmal in die Aufgabe hineinwachsen, er stellt für mich etwas dar. Bei den Bayern-Fans ist er immer noch sehr beliebt. Seine Einstellung war immer top. Der Mann, der in den vergangenen Jahren Fehler gemacht hat, ist Hasan Salihamidzic. Auch wenn er immer mal wieder Glanzmomente dazwischen hatte. Für mich hatte Salihamidzic Hansi Flick auf dem Gewissen. Wir hatten einen Top-Trainer, der sympathisch war und Erfolge mit der Mannschaft hatte, dann lässt man ihn ziehen. Jetzt wieder: Mit Nagelsmann hat man nun etwa 30 Millionen Euro verbrannt. Das ist für mich ein Unding. Leider hat man es versäumt, Max Eberl zum FC Bayern zu holen, als Nachfolger von Salihamidzic. Das war ein ganz großer Fehler.
skysport.de: Wünschen Sie sich in der aktuellen Zeit Uli Hoeneß zurück?
Ackermann: Ich verehre diesen Menschen. Für mich ist er ein absolutes Vorbild. Uli Hoeneß ist der FC Bayern. Man kann aber nicht immer sagen, wenn es mal brennt, dass man wieder Uli Hoeneß braucht.
skysport.de: Thomas Tuchel erhielt aufgrund seiner späten Wechsel in Mainz erstmals Gegenwind. Wie denken Sie darüber?
Thomas Ackermann: Ich bin selbst Trainer, nach einem Spiel ist man immer schlauer. Ich hätte persönlich aber schon in der Halbzeit den einen oder anderen Wechsel vorgenommen.
skysport.de: Eine Frage, die vereinsintern aufkommt: Wäre Tuchel der richtige Mann für die neue Saison, sollten die Bayern den elften Meistertitel in Folge verspielen?
Ackermann: Wenn der Verein Thomas Tuchel jetzt infrage stellt, dann weiß ich nicht mehr, wo das dann endet. Tuchel hätte ich schon nach Hansi Flick gerne bei Bayern gesehen.
skysport.de: Können Sie verstehen, dass Tuchel weiter auf Joshua Kimmich und Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld setzt? Oder würden Sie sich auch mal einen Ryan Gravenberch von Beginn an wünschen?
Ackermann: Ich habe immer den Eindruck, wenn Gravenberch eingewechselt wird, da fehlt mir das Feuer bei ihm. Das ärgert mich. Der Junge hat es eigentlich drauf. Schlechter als Goretzka ist er im Moment auch nicht.
skysport.de: Auch über Thomas Müller wird viel diskutiert. Tuchel hatte das Urgestein zuletzt in den wichtigen Duellen mit ManCity nicht in die Startelf befördert. Hat er noch eine Zukunft beim FC Bayern?
Ackermann: Über Müller braucht man keinen Millimeter an seiner Karriere zu kritisieren. Das war eine Lehrbuch-Karriere. Die Gegner wissen mittlerweile, wie er agiert. Kovac wollte ihn schon damals aussortieren. Nagelsmann hat ihn auch immer mal wieder auf die Bank gesetzt. Ich hätte ihn gegen City auch nicht spielen lassen. Müller sollte vielleicht selbst ein Zeichen setzen und sagen: 'Ich habe noch ein Jahr Vertrag, ich akzeptiere es auch mal, wenn ich nur auf der Bank sitze.' Ich hoffe, dass er dem Verein in irgendeiner Funktion erhalten bleibt. Sportlich hilft Müller uns im Moment aber nicht so weiter. Der FC Bayern braucht hungrige Spieler. Müller oder auch Kimmich haben diesen Hunger vermissen lassen in letzter Zeit.
skysport.de: Würden Sie sich im Sommer von gestandenen Spielern trennen? Nach Sky Infos ist Serge Gnabry ein Verkaufskandidat im Sommer.
Ackermann: Der FC Bayern möchte wieder eine Nummer neun holen, das ist eine Hausnummer von über 100 Millionen Euro. Das heißt, dass da noch etwas Geld in die Kassen hineinkommen muss. Die Bayern müssen noch Spieler verkaufen, der auch Geld einbringt. Wir haben acht Offensivspieler. Wenn wir einen Neuner holen wollen, müssen wir uns von ein oder zwei Offensiven trennen. Mane hat leider nicht das gezeigt, was man von ihm erwartet hat. Gnabry ist seit einem Jahr weit weg von seiner Form. Trotzdem habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ich kann mir schon vorstellen, dass besonders die beiden nach einer kompletten Sommervorbereitung unter Tuchel wieder zur Form finden könnten.
skysport.de: Wen würden Sie sich als neuen Mittelstürmer denn wünschen?
Ackermann: So einen Griff wie mit Robert Lewandowski, der ablösefrei war, werden wir leider nicht mehr machen. Ich könnte mich mit Kai Havertz anfreunden, auch wenn er nicht der typische Mittelstürmer ist.
skysport.de: Glauben Sie, dass Manuel Neuer zur kommenden Saison wieder die Nummer eins sein wird? Und was passiert dann mit Yann Sommer?
Ackermann: Ich bin der Meinung, dass man im April/Mai wissen muss, was Sache ist. Nübel kommt zurück, Neuer, Sommer und Ulreich sind da. Einen Dreikampf wird keiner wollen. Ich traue Manuel Neuer zu, dass er zurückkommt und wieder seine Leistung bringt. Er ist immer noch der weltbeste Torwart. Sommer war in der Winterpause die beste Alternative, die man bekommen konnte. Der Leistungsunterschied zu Neuer ist aber riesig.
skysport.de: Wie wäre es für Sie als Fan, wenn der FC Bayern die Meisterschaft verpassen würde?
Ackermann: Ich habe gehofft, dass der FC Bayern die zehnte Deutsche Meisterschaft holt, weil das etwas Besonderes ist. Sollte es nun nicht mit der Elften klappen, würde ich nicht in Tränen ausbrechen. Sollten Sie am Ende nicht Meister werden, haben sie es natürlich selbst richtig verbockt.
skysport.de: Sind die Erwartungen beim FC Bayern zu groß, jedes Jahr das Triple zu holen?
Ackermann: Das ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Wenn der FC Bayern vor der Saison sagen würde, sie wären mit dem Erreichen der Champions League zufrieden, würden sie dafür kritisiert werden. Sagen sie aber, sie wollen das Triple holen, kommen die Nächsten und sagen, dass sei arrogant. Bayern setzt sich die höchsten Ziele. Wenn es mal keinen Titel gibt, wie vielleicht in dieser Saison, dann muss man die richtigen Schlüsse ziehen.
skysport.de: Wird der FC Bayern noch Deutscher Meister?
Ackermann: Ich glaube, dass die Dortmunder aus dem Stuttgart-Spiel gelernt haben. Die wollen mit 500.000 Leuten am Borsigplatz feiern. Aber dann sollen sie das machen, nächstes Jahr sind dann halt wieder 20.000 am Marienplatz.
Das Interview führte Fabian Schreiner.
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