Der ehemalige Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld spricht im großen Interview bei Sky Sport über die Situation des FC Bayern, die Trainer Hansi Flick und Niko Kovac sowie über Uli Hoeneß und die Arbeit seiner ehemaligen Spieler Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic.
Sky Sport: Herr Hitzfeld, wie geht es Ihnen?
Ottmar Hitzfeld: Danke, gut. Die ganze Familie ist gesund. Das ist ja heute nicht selbstverständlich.
Sky Sport: Die Themen rund um den rollenden Ball sind begrenzt. Was den FC Bayern betrifft, wird die Vertragsverlängerung von Manuel Neuer aktuell diskutiert. Sie haben Oliver Kahn trainiert bis er fast 40 war. Muss man bei Torhütern generell anders denken, selbst wenn sie die 30 weit überschritten haben?
Hitzfeld: Unbedingt. Vor allem wenn man von den Besten der Welt spricht. Manuel Neuer ist für mich heute immer noch der beste Torwart der Welt. Solche Spieler wie Oliver früher oder Manuel heute, ziehen die Bälle magisch an. Sie haben ein Stellungsspiel, dass im Alter immer besser wird. Natürlich kann ein Trainer nicht sagen, ich plane mit ihm fest, bis er 40 ist. Im Fußball kann man ja meistens nur von Spiel zu Spiel planen. Aber Manuel Neuer kann, wenn er sich nicht verletzt, noch einige Jahre auf diesem Top-Niveau spielen. Ob man nun für ein, zwei, drei oder vier Jahre verlängert und zu welchen Konditionen, müssen die Parteien entscheiden. Ich wünsche mir nur, dass man eine Lösung findet, die für alle gut passt und er länger im Bayern-Tor steht. Er ist ja auch ein guter Typ, Kapitän, Anführer. Also alles, was man sich als Trainer nur wünschen kann.
Sky Sport: Im Champions-League Finale 2001 hat Hasan Salihamidzic einen Elfmeter verwandelt und Oliver Kahn drei pariert. Sie haben zusammen nicht nur diesen großen Triumph gefeiert. Was denken Sie, wenn Sie ihre beiden Ex-Spieler heute als Verantwortliche beim FC Bayern sehen?
Hitzfeld: Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie im TV sehe und verfolge ihre Interviews interessierter als die der meisten anderen. Beide waren unglaublich wichtige Spieler für mich. Sie haben sich in jedem Spiel aufgeopfert. Sie waren mannschaftsdienlich, Teamplayer, Vertrauenspersonen. Ich habe so viel schöne und auch traurige Momente mit ihnen erleben dürfen. Brazzo hatte eine unglaubliche Willenskraft. Ausruhen gab es nie bei ihm. Und auch Oliver war für einen Torhüter, der ja meistens ein Einzelkämpfer ist, ein totaler Mannschafts-Typ. An dieses Finale 2001 in Mailand denke ich natürlich wahnsinnig gerne zurück. Oliver hat das quasi alleine gewonnen. Er war so positiv verbissen. Ich finde, sie sind auch jetzt wieder zwei großartige "Mannschafts-Kollegen", nur eben außerhalb des Platzes. Zwei Leader, die sich weiterentwickelt haben und nun den Verein ihres Herzens mitführen. Sie sind vor der Mannschaft glaubwürdig, weil sie mit diesem Trikot alles gewonnen haben und jede Situation erlebt haben.
Sky Sport: Vermissen Sie Uli Hoeneß als Bayern-Boss?
Hitzfeld: Er war und ist vielleicht immer noch das Gesicht des FC Bayern. Und natürlich vermisse ich es, seine Interviews zu sehen. Aber er hat auch seinen Abschied perfekt hinbekommen. So den Stab zu übergeben, das ist eine fantastische Leistung. Der Abschied von Robben und Ribery. Das Installieren von Brazzo, Kahn und Herbert Hainer. Also ich muss schon sagen: Was Uli und Karl-Heinz Rummenigge in den letzten Jahren mit dem Verein gemacht haben, ist bewundernswert. Uli genießt jetzt bestimmt die Zeit mit der Familie und wenn er gebraucht wird, dann würde er sicher helfen.
Sky Sport: Wie gefällt Ihnen die Art und Arbeit, die Hansi Flick an den Tag legt?
Hitzfeld: Er kennt den Verein als Spieler und das ist ein großer Vorteil. Er war der Assistent von Jogi Löw und kennt viele Nationalspieler. Er lässt wirklich guten und erfolgreichen Fußball spielen und hat das Vertrauen der Bosse verdient und gerechtfertigt. Es ist sehr wichtig, dass man mit den Fußballern als Mensch gut umgehen kann und sie annimmt und versteht. Das scheint er sehr gut zu können. Training und Taktik kann man sich mit der Zeit auch aneignen. Einen guten Charakter und Umgang mit den Spielern muss man mitbringen. Aber ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass Niko Kovac in meinen Augen sehr gute Arbeit bei Bayern geleistet hat. Das kommt mir leider zu kurz. Allein die Verantwortung zu haben, Robben und Ribery öfter auf die Bank setzen zu müssen und einen Umbruch einzuleiten, ist eine sehr schwere Aufgabe. Da kann man eigentlich als Trainer nur verlieren. Und er hat nicht nur das gut moderiert, sondern auch noch das Double gewonnen. Niko ist ein richtig guter Trainer.
Sky Sport: Stellen Sie sich manchmal vor, was Sie tun würden, wenn sie heute noch Trainer wären?
Hitzfeld: Nein, und zum Glück bin ich das auch nicht mehr. Ich hatte meinen Abschied, mit der Schweiz bei der WM 2014 und das war großartig. Das war mein Ziel. Und danach habe ich losgelassen. So hatte ich es geplant und bin dankbar, dass ich das genauso geschafft habe.
Sky Sport: Lucien Favre erlebt bei Borussia Dortmund wechselhafte Stimmungslagen bezüglich seiner Person. Den Vergleich zu König-Klopp wird er nie gewinnen können. Mit den Neuzugängen Erling Haaland und Emre Can wurde das Spiel und die Bewertungen besser. Wie beurteilen Sie Favre und die BVB-Situation?
Hitzfeld: Lucien ist ein großer Fußball-Fachmann. Er hat diese Dortmunder Mannschaft geformt, weiterentwickelt und sie schönen Fußball spielen lassen. Er wurde viel zu oft zu Unrecht kritisiert. Das hat mich sehr geärgert. Er ist kein Mann der lauten Töne. Er überzeugt durch Wissen und das sollte man schätzen.
Sky Sport: Wer wird Deutscher Meister, wenn es irgendwann mal wieder losgehen sollte?
Hitzfeld: Ich denke, Bayern ist weiter der Favorit. Wenn es nur ein Punkt Vorsprung wäre, würde ich sagen, dass alles offen ist. Aber es sind vier. Dazu hat der BVB Leipzig und Gladbach im Nacken und darf sich überhaupt keinen Ausrutscher leisten. Ja, die Bayern müssen im Grunde noch in Dortmund spielen. Aber ohne die 80000 Zuschauer, ist das kein Heimvorteil. Ich würde auf einen Meister aus München tippen.
Das Interview führte Mario Volpe