Matthäus mit klaren Worten zu Nagelsmann-Aus & Nachfolger Tuchel
24.03.2023 | 18:19 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus hat sich zum FCB-Beben rund um Julian Nagelsmann geäußert. Der deutsche Rekordnationalspieler nimmt die Bayern in die Pflicht und sieht in Tuchel die "ideale" Nachfolgelösung.
…über die Entscheidung des FC Bayern, Julian Nagelsmann zu beurlauben:
"Ich habe schon gewusst, dass man mit Julian Nagelsmann nicht hundertprozentig zufrieden ist. Aber dann ging es doch ein bisschen sehr schnell, auch für mich. Diese Entscheidung, mit Julian Nagelsmann den Vertrag auszusetzen bzw. mit Tuchel weiterzumachen war natürlich eine große Überraschung gestern Abend. Und ja, das sind die Gesetze im Fußball und die Resultate haben nicht gestimmt. Und ich bin vor allem der Meinung, dass er wahrscheinlich auch nicht mehr, wie man so schön sagt, die Kabine im Griff gehabt hat, nicht mehr alle Spieler hinter sich. Und das ist natürlich dann das Schlimmste, was einem passieren kann. (…) Es gab viele Vorfälle in den letzten Wochen und Monaten, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich. Und es hat einfach nicht mehr gestimmt. Zum Schluss auch nicht mehr die Ergebnisse. Und deswegen, glaube ich, war es eine Entscheidung, die der Verein schweren Herzens treffen musste. Es war vielleicht ein Experiment von Anfang an, dass einfach dann irgendwo nicht mehr hingehauen hat. Man hat sehr viel Geld investiert, nicht nur in das Gehalt von Julian Nagelsmann, sondern auch Ablöse an Leipzig bezahlt, viele Spieler geholt, die Julian Nagelsmann unbedingt in seinem Kader haben wollte. Einen sehr breiten, qualitativ gut aufgestellten Kader, der auch viel Geld kostet. Und jetzt will man natürlich auch Ergebnisse sehen. Und die Ergebnisse bzw. die Leistungen der Mannschaft in den letzten Wochen und Monaten zeigen ja schon auch aufgrund des Tabellenstandes, dass da einiges schiefgegangen ist."
…über die Unglaubwürdigkeit des FC Bayern:
"Bayern München muss wieder eine klare Linie finden - wie Unter Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Dieses 'Mia San Mia', dieses Familiengefühl auch in schwierigen Zeiten sich vor Spielern bzw. vor Trainern zu stellen. Und das ist jetzt ein bisschen abgekommen. Anhand dieser ganzen Lippenbekenntnisse in den letzten Wochen - und nicht nur von Herbert Hainer zum Trainer - sieht man, dass sie heute nichts mehr wert sind und deswegen lieber dann gar nichts sagen, bevor man im Endeffekt noch vor einer Woche sagt: 'Julian Nagelsmann ist unser Trainer für die Zukunft, wir sind zufrieden mit ihm'. Und dann entlässt man ihn. Das macht einen auch unglaubwürdig, weil die Fans wollen im Endeffekt Erfolg, die wollen Glaubhaftigkeit und diese Glaubhaftigkeit ist mir ein bisschen abhandengekommen und hängt natürlich auch wahrscheinlich zusammen, dass - wie gesagt - das letzte Spiel in Leverkusen so gegen die Wand gefahren worden ist. Nicht nur die Niederlage, sondern vor allem wie man verloren hat. Und Hasan Salihamidzic hat es ja nach dem Spiel gesagt. Es war auch so vor drei Wochen. Wie ich in Stuttgart ein paar Spieler kritisiert habe, war eben auch diese Einstellung ja nicht zu erkennen, die wir von Bayern-München-Spielern erwarten. Bis zum Schluss zu fighten, alles zu geben, als Einheit aufzutreten. Und das ist in diesem Jahr einfach öfters passiert. Und natürlich ist dann der Trainer der Leidtragende bzw. auch der Schuldige."
…über Dinge, die falsch gelaufen sind:
"Alles zusammen ist es eben zu viel gewesen. Und Thomas Müller war ja auch ein bisschen angezählt von ihm. Dann die Sache mit den Schiedsrichtern. Viele, viele Kleinigkeiten in den letzten Wochen und Monaten. Nicht nur die Ergebnisse, sondern auch dieses Miteinander: Man hat Cancelo geholt. Rechtsverteidiger, aber er hat auf allen Positionen gespielt. Man hat auch keine Stammmannschaft mehr gesehen, kein Spieler hat sich mehr sicher gefühlt. Jeder Spieler wurde irgendwie so ein bisschen auch verunsichert durch Aufstellungen, durch taktische Veränderungen, durch System-Veränderungen. Und das war im Endeffekt alles zu viel, weil die Erfolge sind ausgeblieben und dafür ist dann der Trainer verantwortlich, eben aufgrund seiner Entscheidungen, die er in den Wochen zuvor getroffen hat."
…über die finanzielle Bürde der Nagelsmann-Beurlaubung:
"Wenn es nur 30 Millionen sind, wäre ich ja noch zufrieden als ehemaliger Bayern-München-Spieler. Ich glaube, es ist mehr Geld in den Sand gesetzt worden, weil Julian Nagelsmann hat einen Fünfjahresvertrag. Es sind rund 20 Millionen an Ablöse geflossen. Es sind Spieler gekauft worden, die Julian Nagelsmann unbedingt haben wollte in den letzten Jahren. Also von dieser Seite her glaube ich, dass die Summe ein bisschen größer ist. Dann kommt noch diese Verletzung von Manuel Neuer dazu, die ja den Verein auch wahnsinnig Geld gekostet hat. Ich bin der Meinung, der Verein soll wieder diese Menschlichkeit, diese Herzlichkeit, dieses familiäre Miteinander zeigen, dass durch Uli Hoeneß und auch durch Karl-Heinz Rummenigge in diesem Verein entstanden ist. Ich würde mich freuen, wenn wieder diese Zeiten kommen würden, wo man einfach sagt: 'Hey, wir sind zusammen, wir ziehen an einem Strang, auch wenn es mal einen schlecht geht, dann halten wir zu ihnen, dann stärken wir ihnen den Rücken'. Und das sind die Zeichen, die Bayern München jetzt in den nächsten Wochen und Monaten dann setzen muss."
…über den neuen Trainer Thomas Tuchel:
"Der neue Trainer Thomas Tuchel ist für mich eine gute Wahl. Er war vor fünf Jahren schon mal im Gespräch, es hat leider damals nicht geklappt. Kalle Rummenigge war da der große Befürworter, aber irgendwas war dann nicht einstimmig, dann hat man sich eben wieder in andere Richtungen entschieden. Und jetzt ist Thomas Tuchel der neue Trainer beim FC Bayern. Und er soll die volle Rückendeckung von den Verantwortlichen bekommen. Er kann Champions League, er kann DFB-Pokal und er kann vor allem auch Borussia Dortmund. Er kennt Borussia Dortmund und deswegen, glaube ich, ist es die ideale Lösung nach Julian Nagelsmann.''
…über Tuchels vermeintlich schwierigen Charakter:
"Ja, okay, wer ist einfach? Ich glaube auch, dass die Verantwortlichen des FC Bayern nicht einfach sind. Auch einige Spieler sind nicht einfach. Damit muss man beim FC Bayern klarkommen. Wichtig ist, dass der Erfolg sich einstellt und vor allem, was ich vorhin schon gesagt habe: Wichtig ist, dass man sich wieder als Einheit verhält, nach außen auch demonstriert und dann eben die Erfolge einfährt. Weil wie gesagt, der Kader ist gut genug, um eben auch wieder bessere Spiele zu machen, stabilere Leistungen zu bringen, nicht nur einmal gegen Paris gut zu spielen."