Rummenigge über Lewandowski, Haaland und Neuer
31.01.2022 | 17:13 Uhr
Karl-Heinz Rummenigge, ehemaliger Vorstandschef des FC Bayern München, spricht im Interview mit Sky Sport über den Weggang von Niklas Süle, den Transfermarkt, Robert Lewandowski, Erling Haaland, Manuel Neuer, Alexander Nübel und den Rücktritt von Max Eberl.
…die Situation beim FC Bayern:
Grundsätzlich finde ich die sportliche Entwicklung unter Julian Nagelsmann sehr gut. Die Mannschaft ist Tabellenführer der Bundesliga mit sechs Punkten Vorsprung, ist im Achtelfinale der Champions League großer Favorit gegen Salzburg. Ich finde auch den Kader gut, von der Qualität und von der Spielweise her ist alles im grünen Bereich.
…die wirtschaftlichen Grenzen:
Man muss in diesen Zeiten auch ein bisschen auf die Kasse achten. Man hat sehr, sehr negative Beispiele wie den FC Barcelona. Als ich gehört habe, dass man fast 1,5 Milliarden Euro Verbindlichkeiten hat, da muss ich offen und ehrlich sagen: Da hätte ich keine Nacht mehr ruhig geschlafen. Das sind Entwicklungen im Fußball, die sich sehr, sehr bedenklich finde.
Ich finde, Bayern München muss - zumindest am Deadline Day jetzt im Januar - nichts machen, die Mannschaft bleibt in dieser Zusammenstellung zusammen und dementsprechend wird man abwarten und überlegen, was man auf den Positionen tun will. Man hat zwei Entscheidungen, die anfallen: Wer soll im Sommer Nachfolger von Süle werden und was passiert mit Tolisso? Abhängig davon wird man sich möglicherweise auf dem Markt umschauen.
…ob der FC Bayern im Winter den Transfermarkt noch mehr hätte beobachten sollen:
Der Trainer beobachten Tag und Nacht, im Sommer hat man Marcel Sabitzer aus Leipzig dazu geholt. Ich finde, aus heutiger Sicht war das ein Luxus-Transfer, der nicht wenig Geld gekostet hat und eigentlich die Mannschaft oder den Kader nicht verbessert hat, wie man sich es vielleicht gewünscht hat.
Trainer haben immer Ideen, aber sie müssen in diesen Zeiten auf die finanzielle Lage Rücksicht nehmen. Ich denke, das wird bei Julian Nagelsmann auch der Fall sein. Er wird akzeptieren, wenn jetzt nichts gemacht wird. Und wenn es dann Abgänge im Sommer geben sollte, dann wird man die sinnvoll ergänzen.
Wobei man sagen muss: Auch in der Innenverteidigung ist man beim FC Bayern auch ohne Süle gut besetzt. Man hat Updamecano und Hernandez verpflichtet, der sich jetzt auch etabliert hat. Man hat den jungen Nianzou und Pavard, der in Stuttgart und für Frankreich auch in der Innenverteidigung gespielt hat. Es ist keine Not, dass man jetzt SOS funken müsste.
…über vermeintlich fehlende Wertschätzung für Niklas Süle:
Grundsätzlich hat Niklas gute Talente auf seiner Position. Er ist groß, kräftig, schnell, das Kopfballspiel könnte er ein Stück weit verbessern. Er war immer ein brauchbarer Spieler, aber das Problem ist natürlich: Ich finde ich, er hat sich nie richtig durchgesetzt auf seiner Position. Er war eigentlich auf einem guten Weg, dann hat er sich (2019) das Kreuzband gerissen und den Anschluss etwas verloren. Wenn man die "Best-of-Mannschaft" aufstellt, ist Niklas Süle im Moment möglicherweise nicht dabei. Das ist etwas, was er sich vielleicht auch mal überlegen sollte.
Zum Thema Wertschätzung: Wertschätzung wird eigentlich nur noch in Euro gerechnet. Man braucht nicht zu glauben, dass beim FC Bayern irgendein Spieler nicht gewertschätzt, "gekuschelt" oder sonst etwas wird. Wertschätzung ist eine Einheit namens Euro, sonst gar nichts.
…ob man Süle nicht beim "FC Bayern Deutschland" hätte halten müssen:
Der FC Bayern hat immer versucht, die guten deutschen Spieler zu halten. Auch wenn Niklas den Klub verlässt, hat man immer noch den Stamm der Nationalmannschaft innerhalb des FC Bayern. Das ist auch gut und richtig so, weil die Kultur damit dementsprechend einfach zu handhaben ist. Aber wenn man sich finanziell mit dem Spieler nicht einig wird, dann ist es nun mal so. Natürlich ist es nie gut, wenn dieser Spieler den Klub auch noch ablösefrei verlässt, aber wenn man sich den Markt heute anschaut, ist das ein Trend, dass immer mehr Spieler ablösefrei gehen. Man kann bei diesen Marktverhältnissen theoretisch einen Spieler ablösefrei verlieren und einen anderen ablösefrei verpflichten.
Der FC Bayern wird das schon so machen, dass es am Ende des Tages in einen finanziellen Rahmen passt. Diesen Rahmen hat man vorgegeben und man wird abwarten müssen, was im Sommer dabei herauskommt und wen man als Nachfolger für Niklas Süle verpflichtet.
…wie der FC Bayern verhindern kann, noch mehr Spieler ohne Ablöse gehen zu lassen:
Oliver Kahn hat es ja angekündigt, dass man in der Zukunft vielleicht nicht mehr bis in das letzte Jahr warten möchte, bis der Vertrag ausläuft und dann eben mit den Spielern auch auf einer schwierigeren Verhandlungsposition ist. Sondern das eben zwei Jahre vorher zu tun. Und wenn man sich da nicht einig ist, dann hätte man ja theoretisch die Transferperioden, die noch dazwischen sind, um den Spieler abzugeben. Man will natürlich nie gerne Spieler ablösefrei verlieren, aber das wird in der Zukunft, befürchte ich, in einer gewissen Regelmäßigkeit nicht nur beim FC Bayern der Fall sein, sondern im gesamten europäischen Fußball. Die Spieler glauben, dass sie dann natürlich ihre Forderungen eher durchsetzen können, bzw. deren Berater, als dass sie das bei ihren alten Klubs können.
…mögliche Strategien der Vereine:
Das hat der FC Bayern nie gemacht. Der FC Bayern, finde ich, hat es immer sehr korrekt, sehr seriös gemacht und die Spieler auch zum Beispiel im Falle David Alaba bis zum letzten Tag gut behandelt. Jetzt spielt er eben woanders. Und nichtsdestotrotz glaube ich, weiß er welche Karrierezeit er beim FC Bayern verbracht hat, und der FC Bayern war mit ihm auch sehr glücklich. Ich glaube, man kann auch mal eben ablösefrei den Klub verlassen, ohne dass daraus ein Drama gemacht.
…David Alabas Weggang zu Real Madrid:
David spielt gut bei Real Madrid, er hat bei Bayern München auch überragend gespielt und es war uns klar im letzten Sommer, als er ging, dass der FC Bayern damit schon einen guten Spieler verliert. Und das ist nun mal eben so. Leider.
... das Ziel des FC Bayern, mit Robert Lewandowski zu verlängern:
Das wird der Klub versuchen, davon gehe ich aus. Man hat jetzt ja grundsätzlich signalisiert, dass man mit dem Spieler verlängern möchte. Ich wünsche dem FC Bayern und auch Robert, dass diese Ehe noch länger Bestand hat. Robert ist ein Spieler, der natürlich einen großen Beitrag dazu geleistet hat, dass der FC Bayern in den letzten Jahren diese großen Erfolge gehabt hat. Er war beim Champions League dabei, er ist jetzt zweimal zum besten Spieler der Welt gewählt worden.
…ob der FC Bayern nicht längst Klarheit bei Lewandowski bräuchte, um auf Erling Haaland zugehen zu können:
Theoretisch ja. Erst einmal wissen Sie ja nicht, ob nicht längst im Hintergrund Gespräche stattgefunden haben und man abtastet, wo und bei welchen Beträgen. Ich glaube, der FC Bayern ist ganz gut beraten, diese Dinge sehr diskret zu behandeln, weil man um den Wert von Robert Lewandowski weiß. Ich glaube, Robert fühlt sich in München sehr wohl. Er hat hier eine Heimat gefunden. Und wenn ich ehrlich bin, als er 2014 gekommen ist, habe ich immer gedacht Hoffentlich sieht er den FC Bayern nicht nur als Durchgangsstation Richtung Real Madrid. Das hat sich doch eigentlich absolut nicht bestätigt.
…Lewandowskis Klasse trotz seines Alters:
Er ist mit 33 kein Jungspund mehr. Aber auf der anderen Seite ist er ist kaum verletzt, er pflegt seinen Körper wie kaum ein Zweiter. Er ist ein Spieler, von dem ich eigentlich ohne Probleme erwarte, dass er bis 36 37 spielen kann. Und dasselbe trifft auch auf Manuel Neuer zu. Das sind Spieler, wie man ganz einfach auch trotz ihrem, sage ich mal etwas höherem Alters, dann auch unter dem Erfahrungsschatz sehen muss. Und der ist bei diesen zwei Spielern - genauso wie zum Beispiel bei Thomas Müller - sehr gut, sehr groß.
…ob er einen Wechsel von Erling Haaland zum FC Bayern erwartet:
Das erwarte ich nicht. Ich glaube, der beste Spieler ist Robert Lewandowski und der beste Spieler spielt bei Bayern München.
…ob der FC Bayern es sich erlauben kann, den Haaland-Transfer zu verpassen:
Wir haben bei Bayern München immer die nächste Saison geplant und die nächste Saison ist die 2022/23. Dieser Kader, der aus meiner Sicht dieses Jahr wieder Deutscher Meister wird und vielleicht sogar die Champions League noch mal gewinnen kann, diesen Kader würde ich sehr, sehr vorsichtig behandeln, weil die Mannschaft charakterlich top zusammenpasst. Sie ist qualitativ auf einem sehr hohen Niveau und da muss man nicht verrückte Dinge machen. Wissen Sie eigentlich, was ein Paket Harland kosten würde? Das können Sie sich nicht vorstellen. Ich kann's mir vorstellen. Der Klub, der ihn kauft, geht sehr ins finanzielle Obligo.
…die bevorstehende Vertragsverlängerung von Manuel Neuer und die Konsequenzen für Alexander Nübel:
Wenn Manuel Neuer seinen Vertrag jetzt noch einmal verlängert, dann macht es eigentlich für Alexander Nübel keinen Sinn mehr, weil er dann maximal die Nummer zwei sein wird. Er ist ja zum FC Bayern gekommen in der möglichen Annahme, dass Manuel Neuer nur seinen Vertrag bis 2023 hat. Ich muss offen und ehrlich sein. Ein bisschen naiv fand ich diese Denke schon.
…möglicherweise garantierte Einsatzzeiten für Nübel:
Das kann nur ein Trainer garantieren. Die Lufthoheit über Mannschaftsaufstellung und Einsätze hat nur einer, und das ist der Trainer.
…den Trend in Deutschland zu jüngeren Spielern:
Wir haben in Deutschland sowieso ein bisschen den Fehler in den letzten Jahren gemacht, dass wir so ein Jugendwahn eingeführt haben, nur noch junge Spieler zu kaufen, die dann hochzubringen und dann zu verkaufen. Das ist so ein Geschäftsmodell bei vielen Klubs, aber mit dem Ergebnis, dass wir an der Tabellenspitze leider nur noch Bayern München haben.
…den Rückzug von Max Eberl als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach:
Wer im Fußball in so einer prominenten Rolle verantwortlich ist, für den ist der Druck dramatisch. Und man darf nicht vergessen: Max hat natürlich sehr lange an der Sonne gestanden, indem er viele Erfolge mit Mönchengladbach erlebt hat. Und in diesem Jahr kommt natürlich dann eben mal ein problematisches Jahr auf ihn zu und dann kommt der Druck. Das war man alles nicht so gewöhnt und es war eine Zeit, die nicht so einfach für ihn war. Bei ihm ist dann eben ganz einfach irgendwann wahrscheinlich das Ventil mal geplatzt und dann will er raus aus diesem ganzen Geschäft. Und das muss man akzeptieren. Max hat viel für Borussia Mönchengladbach geleistet. Und jetzt muss man schauen, wie man die Lücke, die er ohne Frage hinterlässt, schließt.
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