FC Chelsea: Fünf Kontroversen prägen Tuchels bizarre Transferperiode
Fünf Kontroversen prägen Tuchels bizarre erste Transferperiode
02.09.2022 | 21:53 Uhr
Trainer, Kaderplaner, Transfer-Boss: Chelsea-Teammanager Thomas Tuchel hat so viel Macht wie nie zuvor und die abgelaufene Transferperiode entscheidend mitgeprägt. Doch machen seine Wechsel auch Sinn? Sky Sport macht den Check.
Nach dem Abgang von Chelsea-Managerin Marina Granovskaia, die als enge Vertraute von Roman Abramowitsch galt, stand Teammanager Thomas Tuchel mehr denn je im Mittelpunkt. Der 49-Jährige durfte die Transferaktivitäten des Klubs moderieren und sein Team als Kaderplaner aktiv umkrempeln. Eigentümer und US-Geschäftsmann Todd Boehly stand ihm dabei als helfende Hand zur Seite.
Niederlagen, schmerzhafte Abgänge und kontroverse Entscheidungen. Sky Sport blickt auf die bizarre Transferperiode der Blues zurück.
Stotterstart auf dem Transfermarkt
Die Transferperiode lief eigentlich schon heiß, da hatte sie noch nicht einmal offiziell begonnen. Mit Antonio Rüdiger (ablösefrei zu Real Madrid gewechselt) und Andreas Christensen (ablösefrei zum FC Barcelona gewechselt) standen für Tuchel schon vor dem Saisonende zwei schmerzhafte Abgänge fest. Der deutsche Nationalspieler war der absolute Abwehr-Boss in der eingespielten Dreierkette, auch Ex-Gladbach-Star Christensen hatte sich im 3-4-2-1-System über die Jahre festgespielt.
Chelsea konnte seine beiden Innenverteidiger nicht halten, auch, weil ihr damaliger Eigentümer Abramowitsch mit Sanktionen belegt worden ist. Für den Klub war es daher weder möglich, neue Verträge abzuschließen noch Ablösesummen zu generieren. Die Verträge von Rüdiger und Christensen liefen aus, sie verließen die Stamford Bridge ablösefrei.
Mit der Übernahme des US-Konsortiums um Boehly endete auch das Hoffen und Bangen beim FC Chelsea. Tuchel wurde in der Folge wieder handlungsfähiger und konnte auch auf dem Transfermarkt so richtig heißlaufen. Insgesamt investierte er eine Rekordsumme von 282 Millionen Euro in neue Spieler - einige kontroverse Entscheidungen inklusive.
Kontroverse 1: Neue Innenverteidigung
Kalidou Koulibaly sollte die Lücke des abgewanderten Rüdigers schließen. Der Innenverteidiger des SSC Neapel kam im Juli für 38 Millionen Euro und wurde mit einem Vertrag bis 2026 langfristig an den Klub gebunden. Dazu besteht die Option auf ein weiteres Jahr.
Koulibaly hat seine Qualitäten in Neapel natürlich unter Beweis gestellt. Dennoch ist auch er mit seinen 31 Jahren kein Perspektivspieler mehr. Sein Vertrag wäre zudem ein Jahr später ausgelaufen. Die Ablösesumme, die inklusive Bonuszahlungen noch auf 40 Millionen Euro anwachsen kann, ist damit nur schwer zu rechtfertigen.
Auf der anderen Seite reagierte Tuchel noch einmal auf die mäßigen Abwehrleistungen und präsentierte mit Wesley Fofana den gewünschten dritten Innenverteidiger. Zuvor musste Flügelflitzer Reece James im Abwehrzentrum aushelfen. Youngster Trevor Chalobah, der in der Vorsaison immer wieder zum Einsatz kam und auch von RB Leipzig umworben wurde, fand dagegen keine Berücksichtigung mehr.
Nun muss es ein 21-jähriger Franzose richten, der bei Leicester City gerade einmal 37 Premier-League-Spiele absolviert hat und noch nicht einmal für die Equipe Tricolore berufen worden ist. Auch die kolportierte Ablösesumme von ca. 80 Millionen Euro dürfte für einen jungen und unerfahrenen Innenverteidiger nicht gerade von Vorteil sein. Inklusive Bonuszahlungen wird er aller Voraussicht nach Harry Maguire (wechselte 2019 für 87 Millionen Euro von Leicester City zu Manchster United) als teuersten Abwehrspieler der Welt ablösen. Der Druck ist schon vor seinem Debüt immens.
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Kontroverse 2: Außenverteidiger
Auch auf den Außenverteidigerpositionen hat sich einiges getan. Während sich Cesar "Dave" Azpilicueta den ganzen Sommer mit einem Spanien-Wechsel zum FC Barcelona beschäftigt, sich aber letztendlich für einen Verbleib entschieden hat, sollte auf der linken Seite unbedingt Konkurrenz für den verletzungsanfälligen Ben Chilwell verpflichtet werden. Auch weil die Verantwortlichen einen Transfer von Marcos Alonso zum FC Barcelona fest eingeplant haben.
Am Ende entschied sich Tuchel für Brightons Marc Cucurella. Der 24-jährige Spanier, der auch von Manchester City umworben wurde, unterschrieb einen langfristigen Vertrag bis 2028. Kostenpunkt: "Schlappe" 65 Millionen Euro. Wie auch Fofana fehlt es Cucurella an internationaler Erfahrung. Neben einem Länderspiel für Spanien bringt er es auf gerade einmal acht Europa-League-Einsätze. In der vergangenen Premier-League-Saison brachte er es zudem in 35 Partien nur auf ein Tor und eine Vorlage.
Kontroverse 3: Wie viele Sechser will Tuchel noch?
N'Golo Kante, Jorginho, Mateo Kovacic und Ruben Loftus-Cheek waren ohnehin schon da, dazu ist mit Conor Gallagher eines der vielversprechendsten Mittelfeldtalente Englands nach seiner Leihe aus Crystal Palace zurückgekehrt.
Doch damit nicht genug: Mit dem hochtalentierten Carney Chukwuemeka (Aston Villa) und dem Last-Minute-Transfer um Denis Zakaria sind zwei weitere Zentrumsspieler an die Stamford Bridge gelotst worden. Sieben Spieler für zwei Positionen - wie geht Tuchel nun mit dem Überangebot im zentralen Mittelfeld um?
Kontroverse 4: Kann Aubameyang den Fluch des Neuners brechen?
Der bei den Fans beliebte Timo Werner ist nach durchwachsenen Leistungen weggeschickt worden. Auch Romelu Lukaku hatte schon nach einem Jahr keine Perspektive mehr und ist zurück nach Mailand geflohen. Dass Neuner bei Chelsea nicht unbedingt funktionieren, ist ohnehin kein Geheimnis - das hat die Vergangenheit des Öfteren unter Beweis gestellt.
Auf der anderen Seite fehlt es den Blues jetzt an Offensivoptionen. Neben Kai Havertz durfte zuletzt City-Neuzugang und Königstransfer Raheem Sterling in der Spitze auflaufen. Der 27-Jährige hat zwar schnell bewiesen, dass er die erhoffte Verstärkung sein kann. Der englische Nationalspieler kommt bei fünf Einsätzen bereits auf vier Torbeteiligungen.
Dahinter wird es allerdings eng. Mason Mount und Christian Pulisic durchlaufen gerade ein Formtief, Hakim Ziyech spielt aktuell ebenfalls keine prägende Rolle und ist gar als heißer Abgangskandidat gehandelt worden.
On top wechselte der flexibel einsetzbare Callum Hudson-Odoi nach Leverkusen, Ross Barkleys Vertrag wurde aufgelöst.
Tuchel und Aubameyang kennen sich bestens
Nun soll ausgerechnet Pierre-Emerick Aubameyang Abhilfe schaffen. Tuchel und der Angreifer kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit beim BVB bestens. "Die Zusammenarbeit mit Auba hat mir in Dortmund sehr viel Spaß gemacht", sagte der Trainer im August, als die Gerüchte heiß geworden sind. Zudem betonte er die enge Bindung untereinander. Auch sportlich funktionierte Aubameyang unter Tuchel bestens, erzielte 79 Treffer in 95 Spielen. Nun zieht es den Gabuner acht Monate nach seinem Arsenal-Abgang zurück in die Hauptstadt. Zwölf Millionen Euro werden fällig. Im Januar hätte Tuchel ihn noch ablösefrei bekommen können.
Beim FC Chelsea erhält Aubameyang die "verfluchte" Nummer 9. Mit ihr auf dem Rücken sind unter anderem Fernando Torres, Radamel Falcao, Alvaro Morata, Gonzalo Higuain und jüngst Romelu Lukaku krachend gescheitert."Auba hat keine Angst vor der Vergangenheit und was die Zahl bedeutet", erklärte Tuchel die Entscheidung. Der Trainer traut dem 33-Jährigen zu, "eine eigene Geschichte zu schreiben" und den Fluch zu brechen. "Aubameyang hat immer gekämpft und die Herausforderungen angenommen. Je mehr Herausforderungen er hat, desto besser wird er", sagte er weiter.
Die Fans sind dennoch skeptisch…
Kontroverse 5: Geldverbrennungsmaschine?
282 Millionen Euro Ausgaben (Chelsea-Rekord!) stehen gerade einmal 55 Millionen Euro Einnahmen gegenüber. Die Blues haben mächtig Geld ausgegeben ohne große Transfererlöse zu generieren.
Bei den Wechseln von Lukaku und Werner werden diese Defizite deutlich. Während der belgische Angreifer 2021 für 113 Millionen Euro nach London gewechselt ist (ein weiterer Chelsea-Rekord!), kostete der Leipzig-Rückkehrer 53 Millionen Euro. Werner spielte beim Verkauf gerade einmal 20 Millionen Euro in die Kassen und auch Lukaku wird nach der Leihe nur einen Bruchteil der damals bezahlten Summe amortisieren. Ein typisches Chelsea-Problem.
Skurrile Transferperiode, holpriger Start
Ein weiteres Problem? Der Saison-Start. Die Blues hinken ihren Erwartungen deutlich hinterher und haben nach fünf Spieltagen bereits acht Punkte auf die Spitze. Von den vergangenen vier Begegnungen gewann die Tuchel-Elf nur eine, zuletzt musste sich Chelsea gegen Ralph Hasenhüttls FC Southampton mit 1:2 geschlagen geben.
Tuchels bizarre erste Transferperiode liefert folglich nicht die einzigen Kontroversen. Am Samstag sind die Blues in der Pflicht, im Derby gegen gegen West Ham (ab 15.50 Uhr live und exklusiv auf Sky Sport Premier League) eine Reaktion zu zeigen. "Wir müssen uns steigern", warnte Tuchel und ergänzte: "Wenn wir das nicht tun, werden wir weiter bestraft."