Meinung: Korkut war nicht Herthas größtes Problem
13.03.2022 | 19:29 Uhr
Hertha BSC zieht zum zweiten Mal in der laufenden Saison die Reißleine und trennt sich Trainer Tayfun Korkut. Ein überfälliger Schritt, aber der Coach ist nicht die größte Baustelle bei der alten Dame. Ein Kommentar.
Es war am Ende keine Überraschung mehr. Einen Tag nach 0:2-Niederlage im Krisenduell bei Borussia Mönchengladbach gab Hertha BSC die Trennung von Cheftrainer Tayfun Korkut bekannt. Der Coach hatte schlicht keine Argumente mehr auf seiner Seite:
In der Rückrunde holte er gerade einmal zwei von möglichen 27 Punkten und kommt insgesamt nur auf einen Punkteschnitt von 0,69. Zu wenig, um seinen Job zu behalten, zumal der 47-Jährige auch selbst einige Fehler gemacht hat.
Der letzte hat ihn schließlich den Job gekostet, denn in einem öffentlich ausgerufenen Endspiel auf insgesamt acht (!) defensive Akteure bei der Borussia zu setzen, sendete das falsche Zeichen an die Mannschaft, wie Sky Redakteur Robin Schmidt zurecht anmerkt.
Doch wer denkt, dass die Hertha durch den zweiten Trainerwechsel der Saison direkt in ruhige Fahrwasser kommt, liegt falsch. Sicherlich war die Installierung des auch bei seinen vorherigen Stationen in Leverkusen, Hannover, Stuttgart und Kaiserslautern bestenfalls mäßig erfolgreichen Korkut durch Geschäftsführer Fredi Bobic eine Überraschung, aber auch ein namhafterer Trainer würde sich in dem aktuellen Klima bei der Hertha schwer tun.
Das fängt damit an, dass beim Hauptstadtklub aufgrund der öffentlichen Streitereien zwischen dem Verein auf der einen Seite und Investor Lars Windhorst auf der anderen, zu keinem Zeitpunkt Ruhe einkehrt. Auch der sofortige Abschied von Hertha-Legende Arne Friedrich sorgte für Missstimmung.
Doch auch der Kader ist augenscheinlich nicht viel besser als es der derzeitige 17. Tabellenplatz in der Bundesliga vermuten lässt. Die Transferpolitik des einstigen Big City Clubs ist derzeit wohl am besten mit dem Wort "desaströs" zu beschreiben. Dies fängt beim ehemaligen starken Mann Michael Preetz an, der nach dem Windhorst-Einstieg viel Geld ausgab, aber kaum Qualität einkaufte.
Teure Flops wie Krzysztof Piatek (24 Millionen Euro) oder Dodi Lukebakio (20 Mio.) sind aktuell beispielsweise gar nicht mehr im Kader. Lucas Toussart (25 Mio.) ist zwar noch da, kann aber bisher genauso wenig überzeugen wie Santiago Ascacibar (10 Mio.).
Die wenigen von Preetz geholten Spieler, die sich zu Leistungsträgern entwickelten, mussten zudem diesen Sommer verkauft werden, da man laut Bobic ein Transferplus erwirtschaften musste. Ob Matheus Cunha oder Jhon Cordoba allerdings eine Zukunft unter dem 50-Jährigen gehabt hätten, ist ohnehin fraglich, da Bobic eine neue, charakterstarke Mannschaft aufbauen wollte.
Das Problem: Auch seine Transfers schlugen nicht ein: Es ist bezeichnend, dass Korkut in einem Spiel, in dem es um seine eigene Zukunft geht, freiwillig auf die fünf (!) teuersten Transfers der Bobic-Ära verzichtete: Suat Serdar (8 Mio.), Marco Richter (7,1 Mio.), Myziane Maolida (4 Mio.), Jurgen Ekkelenkamp (3 Mio.), Oliver Christensen (3 Mio.) und Dong-Jun Lee (800.000) saßen im Borussia-Park allesamt auf der Bank.
Der im Winter verpflichtete Marc Oliver Kempf dufte zwar von Beginn an ran, verschuldete aber bereits seinen zweiten Strafstoß im Hertha-Trikot und leitete die Niederlage so ein. Interessant war auch, dass der vermeintliche Stammtorhüter Alexander Schwolow am Samstagabend gar nicht im Kader stand auch Kapitän Dedryck Boyata, mit dem Bobic erst im August verlängerte, nicht zur ersten Elf zählte.
Stattdessen setzte der Coach lieber auf Youngsrer wie Linus Gechter und in der Offensive sollten Spieler wie Davie Selke oder Ishak Belfodil die Kastanien aus dem Feuer holen. In Bremen sind die Verantwortlichen froh, dass die Kaufpflicht bei Selke nicht griff und Belfodil war im Kraichgau seinerzeit nach Andrej Kramaric, Ihlas Bebou, Georginio Rutter, Munas Dabbur und Sargis Adamyan nur noch Stürmer Nummer sechs.
Inwieweit der neue Coach auf diese Spieler setzen wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Ein wenig Hoffnung macht die baldige Rückkehr von Stevan Jovetic und eine Leistungssteigerung nach der Pause in Gladbach, aber klar scheint aktuell auch, dass der Kader aktuell sicherlich nicht so bestückt ist, wie sich das die Hertha-Fans erhofften, nachdem Investor Windhorst viel Kapital in den Klub steckte.
Die Probleme werden mit der Entlassung Korkuts also sicherlich nicht weniger werden, denn auch unter den vorherigen Trainern konnte der Großteil der Mannschaft nur extrem selten überzeugen. An Korkut allein lag es also nicht.
Hinzu kommt, dass nun auch Bobic selbst nun unter Druck gerät. Der nächste Übungsleiter muss ein Volltreffer sein, denn die Entlassung Korkuts ist für den vermeintlichen Hoffnungsträger eine persönliche Niederlage. Die Kritik an seiner Person wird sicherlich lauter in den kommenden Wochen. Auch das ist aber mittlerweile keine Überraschung mehr...
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