Holger Badstuber im Sky Interview zu Manchester City vs. FC Bayern München
Sky exklusiv || Badstuber: "Tuchel kann eine Ära prägen, aber …"
08.08.2023 | 09:54 Uhr
Im exklusiven Interview mit skysport.de blickt Ex-Bayern-Verteidiger Holger Badstuber u.a. auf das anstehende CL-Duell zwischen den Münchnern und Manchester City, die beiden Trainer Thomas Tuchel und Pep Guardiola, Bayern-Leader Joshua Kimmich, sowie die Mittelstürmer-Suche beim FCB.
Sky Sport: Herr Badstuber, während der FC Bayern auch unter Thomas Tuchel noch nicht wirklich in Fahrt kommt, eilt Manchester City von Sieg zu Sieg, in den letzten vier Spielen gelangen der Truppe von Pep Guardiola zusammengerechnet stolze 21 Treffer. Sehen Sie dennoch Chancen auf ein bayerisches Weiterkommen?
Holger Badstuber: Vom Niveau her sehe ich das Duell fifty-fifty. Bayern München hat in der Champions League bislang eine lupenreine Saison gespielt - ohne Punktverlust und auch mit starken Leistungen. In der Liga muss man das Ganze etwas anders bewerten. Dort ist Manchester City im Flow. Diesen will der FC Bayern wieder erreichen. In der Champions League aber befinden sich beide auf dem gleichen Niveau. Deswegen sind die Chancen auf ein Weiterkommen des FC Bayern da, es wird aber auf die Tagesform ankommen.
"Es ist schwierig, Haaland zu greifen"
Sky Sport: Einer, der aus dem Starensemble der Citizens noch herausragt, ist Erling Haaland. Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an den norwegischen Stürmer denken?
Badstuber: Für mich ist es nicht nur Erling Haaland, sondern vor allem auch Kevin De Bruyne, der den Norweger mit Vorlagen und Pässen füttert. Haaland bewegt sich extrem gut im Rücken eines Gegenspielers. Das ist das, was ich als ehemaliger Abwehrspieler sehr gut erkennen kann. Es ist schwierig, ihn zu greifen, weil er immer auf eine Aktion lauert und sich im Rücken bewegt, sodass der Gegenspieler die Sicht auf ihn verliert. Deswegen muss in der Bayern-Verteidigung gut gesprochen und die Tiefe gut verteidigt werden. Wenn es in die Box geht, muss die Nähe und der Kontakt zu ihm hergestellt werden. Alles in allem ist Haaland aber schwer zu stoppen, zumal er aktuell in einer tollen Verfassung ist und mit De Bruyne und Bernardo Silva starke Vorlagengeber hat.
Sky Sport: Einer, der es sicherlich mit Haaland zu tun bekommen wird, ist Matthijs de Ligt. Der Niederländer geht seit einigen Wochen mit starken Leistungen voran. Sehen Sie ihn schon als Abwehrchef?
Badstuber: Es kommt darauf an, wie man Abwehrchef definiert. Für mich ist der Abwehrchef eines großen Klubs wie Bayern München einer, der hinten den Laden dicht hält, der den Gegner kaum zu Chancen kommen lässt, der ordnet, der lautstark ist und dem Spiel seinen Stempel aufdrückt. Ich beobachte das weiter bei de Ligt. Er war zuletzt in Freiburg sicherlich ein wichtiger Faktor gewesen, dennoch ist es so, dass Bayern in der Bundesliga alles in allem zu viele Gegentore kassiert. Bei so einer Abwehr, einem solchen Ensemble allgemein muss man eigentlich weniger gegnerische Chancen und weniger Gegentreffer erwarten. Ich erwarte nun auch von Thomas Tuchel, dass er das bemerkt und wie auch bei Chelsea für mehr Stabilität sorgt. Im defensiven Bereich hat er damals mit dem FC Chelsea einen großen Sprung gemacht und das hat auch letztendlich dazu geführt, dass Tuchel mit den Blues die Champions League gewonnen hat. Die Defensive hat die damalige Chelsea-Mannschaft ausgemacht und das kann auch Bayern München, allerdings muss der Fokus darauf gelegt werden.
"Fußballfachlich ist Guardiola das Nonplusultra"
Sky Sport: Tuchels Gegenpart auf der Manchester-Seite ist Pep Guardiola. Sie haben unter dem Katalanen gespielt. War er der beste Trainer, unter den Sie je arbeiten durften?
Badstuber: Fußballfachlich ja! Aber zu einem Trainer gehört mehr dazu. Bei einem großen Verein gehört es auch dazu, das Ganze zu moderieren, die Spieler genau zu kennen und viele Dinge fest zu vereinen. Fußballfachlich ist Pep Guardiola das Nonplusultra.
Sky Sport: Könnten Sie das noch greifbarer machen? Was zeichnet Guardiola besonders aus?
Badstuber: Er kennt seine Spieler sehr gut und er weiß ganz genau, was er im Hinblick auf den kommenden Gegner braucht. Er zerlegt den Gegner in Einzelstücke und zeigt dir als Spieler genau auf, wo die Schwachstellen liegen, wo es Räume gibt, wo die Qualitäten seiner Mannschaft zum Tragen kommen können. Es ist ein Hin und Her zwischen Gegner analysieren und die eigene Mannschaft in die Stärke bekommen - durch gewisse Vorgehensweisen, die die Mannschaft einhalten soll. Es ist Detailarbeit, die von ihm und seinem Team tagtäglich verrichtet wird. So legt er dir den Gegner parat. Du als Spieler musst das begreifen, hinterfragen, die Räume durch Videos visualisieren und dann wirst du überzeugt, dass gerade sein Plan der richtige ist.
Sky Sport: Man hört deutlich heraus, dass Guardiola ein Trainer ist, der das Spiel bis ins kleinste Detail seziert. Doch gerade in großen Spielen in der Champions League entstand in der Vergangenheit häufig der Eindruck, dass Guardiola taktisch oder personell etwas Besonderes machen will und sich damit meist verzockt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Badstuber: Nein, weil ich in diesen Fällen nicht mit ihm gesprochen habe. Es mag in der Vergangenheit so gewesen sein, dass er sich verzockt hat. Er hat das eine oder andere Mal darüber nachgedacht, die Mittelstürmerposition aufzulösen, aber nun stehen ihm mit Haaland und Julian Alvarez zwei reine Vollblutstürmer zur Verfügung. Damit hat sich das Thema erledigt.
Tuchel vs. Pep: "Es treffen zwei spannende Trainer aufeinander"
Sky Sport: Ähnlich detailverliebt wie Guardiola ist Bayerns neuer Coach Thomas Tuchel. Trauen Sie ihm zu, beim FC Bayern eine Ära zu prägen?
Badstuber: Ja, das kann er. Allerdings muss sich das alles erstmal noch finden. Es ist jetzt in den ersten Wochen unter Tuchel nicht perfekt gelaufen, aber die Mannschaft bekommt guten Input von ihm. Er wollte sie zu Beginn auch nicht mit Informationen überfrachten. Sie müssen sich erstmal gegenseitig kennenlernen. Allerdings befindet sich der FC Bayern in den Wochen der Wahrheit und deswegen muss es dann doch schnell gehen. Das ist ein Zwiespalt, in dem man sich als Trainer befindet. Auf das Duell gegen City heruntergebrochen: Es wird auf die Tagesform ankommen. Des Weiteren kennt Tuchel Guardiola aus der Premier League genau. Allerdings beruht das auch auf Gegenseitigkeit. Es treffen zwei spannende Trainer aufeinander. Um nochmal abschließend auf die Frage zurückzukommen: Ja, Tuchel kann eine Ära prägen, aber man muss ihm auch die Zeit geben. Diese hat er in dieser Saison aber wiederum nicht mehr.
Sky Sport: Eine wichtige Säule für Tuchel auf dem Platz ist Joshua Kimmich. Welche Rolle muss er im Champions-League-Duell mit City einnehmen?
Badstuber: Er muss als absoluter Zweikämpfer vorangehen. Die wichtige Saisonphase ist jetzt angebrochen. Er ist Führungsspieler und deshalb ist es jetzt seine Aufgabe, die Mannschaft defensiv wie offensiv zu führen. Das wird man nun im Spiel gegen Manchester City sehen, ob ihm das gelingt.
Sky Sport: Zuletzt fiel Kimmich in Freiburg mit einer Aktion nach dem Schlusspfiff auf, als er vor der Freiburger Kurve seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Sky Experte Lothar Matthäus sagte, Kimmich müsse sich in dieser Situation etwas besser im Griff haben. Wie haben Sie die Aktion wahrgenommen?
Badstuber: Ich bewerte das nicht zu hoch. Das sind Emotionen, die raus müssen. Man darf auch nicht alle Aktionen in Einzelteile zerlegen. Er war gefrustet nach dem Pokal-Aus, drei Tage später war er happy, dass sie gewonnen haben. Im Hinblick auf die Tabelle war das auch ein wichtiger Sieg, da Dortmund eng dahinter ist. Und deswegen kamen die Gefühle so aus ihm raus. Man sollte die Angelegenheit nicht zu hoch hängen.
Choupo-Moting-Ausfall "tut dem FC Bayern weh"
Sky Sport: Eine weitere Personalie, die im Vorfeld des Champions-League-Viertelfinals in die Schlagzeilen geraten ist, ist Eric Maxim Choupo-Moting. Der Angreifer wird verletzungsbedingt im Hinspiel gegen City ausfallen. Wen würden Sie anstelle des Kameruners im Angriff aufstellen?
Badstuber: Das ist eine schwierige Frage. Ein Mittelstürmer tut dem Spiel schon sehr gut. Er ist DIE Position, die im Strafraum für Abnahmen gesucht wird. Choupo-Moting verkörpert genau diesen Spieler, er ist ein klassischer Mittelstürmer, wie ihn der FC Bayern kein zweites Mal hat. Jetzt kommt es auf Tuchels Überlegungen an: Bringt er Mane vorne rein? Spielt er ohne einen Mittelstürmer? Nichtsdestotrotz tut der Ausfall von Choupo-Moting dem FC Bayern weh, da sich das Gerüst mit ihm in der Spitze gefunden hat - besonders in der Champions League. Ein bitterer Ausfall!
Sky Sport: Sie haben es angesprochen: Die Mittelstürmer-Position ist eine sehr wichtige. Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic hatte zuletzt angekündigt, den Markt diesbezüglich zu sondieren, um im Sommer einen weiteren Angreifer zu verpflichten. Randal Kolo Muani, Victor Osimhen und Harry Kane sind Namen, die zuletzt immer wieder mal mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht wurden. Wer würde aus Ihrer Sicht am besten nach München passen und warum?
Badstuber: Vor drei, vier Jahren war für mich Patrik Schick prädestiniert für die Lewandowski-Nachfolge beziehungsweise die Backup-Rolle hinter dem Polen. Aber dieses Thema ist ad acta gelegt worden. Für Bayern wird es schwierig, einen Vollblutstürmer zu finden, der nicht utopisch teuer ist und auch ein gewisses Alter hat, damit man langfristig planen kann. Kolo Muani wäre eine absolute Bereicherung, aber ich glaube, dass bei ihm die Tendenz in Richtung England geht. Bei Kane bin ich mir nicht sicher, ob er diesen Wechsel vollziehen und seinen Herzensklub Tottenham Hotspur verlassen würde. Und Osimhen wird es meiner Meinung nach auch Richtung England ziehen. Es wird ein schwieriges Thema für Bayern werden. Sie haben es in den vergangenen Jahren ein bisschen verpasst, das Mittelstürmer-Portfolio auszufüllen.
Sky Sport: Herr Badstuber, zum Abschluss: Was ist Ihr Tipp für das Hinspiel zwischen Manchester City und Bayern?
Badstuber: Bayern verliert nicht!
Sky Sport: Weil wir gerade schon bei Tipps sind: Wer wird Deutscher Meister?
Badstuber: Die Tabelle sieht enger aus, als sie ist. Bayern hat nicht die perfekte Saison gespielt, aber Dortmund ist für mich zu fragil und hat mit sieben Bundesliga-Niederlagen schon zu viele Pleiten kassiert, um Deutscher Meister zu werden.
Das Interview führte Udo Hutflötz
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