Matthäus: Flick spürt jetzt den Erfolgsdruck als Cheftrainer
14.01.2020 | 18:31 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. In dieser Woche blickt er vor dem Rückrundenstart anhand von fünf Fragen auf das Titelrennen in der Bundesliga.
Die Bayern-Profis brauchen keine Extra-Motivation von Oliver Kahn oder sonst wem. Sie werden von sich aus so stark motiviert sein, um erneut einen Rückstand aufzuholen und doch noch Deutscher Meister zu werden.
Ich glaube auch nicht, dass das Olivers Aufgabe ist, auch wenn seine Erfahrung und Präsenz in dem einen oder anderen Moment sicherlich helfen kann. Die Bayern-Spieler müssen nicht mehr so viele Punkte aufholen wie in der letzten Saison.
Auch wenn der Kader von Anfang an etwas dünn war, ist er allerdings hochklassig besetzt. Aber Hansi Flick hat nicht umsonst um Verstärkungen gebeten. Das hat er mit Sicherheit nicht getan, um Salihamidzic anzugreifen, sondern höchstens, um ihn zu kitzeln. Hansi spürt jetzt den Erfolgsdruck als Cheftrainer und möchte das Maximum erreichen.
Wie immer ist es aber für eine Top-Mannschaft wie den FC Bayern alles andere als einfach, sich im Winter sinnvoll zu verstärken. Wenn sie die Anfangsphase unbeschadet überstehen, sind sie wie immer ein ganz heißer Titel-Kandidat. Wenn auch aktuell nicht der Top-Favorit.
Positiv ist erst einmal, dass der BVB auf die Baustelle im Sturm endlich und sehr sinnvoll reagiert hat. Sie haben einen tollen Stürmer verpflichtet, den man aber nicht mit Druck überfrachten sollte. Er passt ins System der Dortmunder, wird mit Sicherheit auch seine Tore machen, sollte aber nicht als alleiniger Heilsbringer gesehen werden. Die ganze Dortmunder Mannschaft muss jetzt besser performen als in der Hinrunde.
Vor allem muss sie mit Führungen besser und souveräner umgehen und diese regelmäßig ins Ziel bringen. Wenn sich allerdings alle Leistungsträger steigern und Haaland sofort richtig einschlägt, dann spielt natürlich auch Dortmund um den Titel. Aber man sollte den Jungen, der in Österreich und in der Champions League (vor allem gegen Genk) viele Tore erzielt hat, zunächst mal in der Bundesliga ankommen lassen.
Ich sehe Schalke ohnehin nicht als Champions-League-Kandidaten. Aber ganz abgesehen davon glaube ich nicht, dass das Hickhack um den Torhüter sportlichen Erfolg kostet. Ich kann den Transfer aus Sicht von Alexander Nübel zwar immer noch nicht verstehen, aber er wird sich für seinen Noch-Verein bis zum Schluss tadellos verhalten. Sitzt er bis Saisonende auf der Bank, wird er seine Kollegen unterstützen so gut es geht.
Und wenn er spielt, wird er wie bisher sein Bestes geben. Schließlich hat auch er noch sportliche Ambitionen und will mit guten Leistungen den Transfer zum FC Bayern bestätigen und untermauern. Die Schalker haben das Ganze bisher genauso professionell und unaufgeregt behandelt, wie sie schon die ganze Saison arbeiten: klug und durchdacht.
Die Borussia ist die einzige Mannschaft von den Top fünf, die sich in der Rückrunde ausschließlich auf die Bundesliga konzentrieren kann. Für die Bayern wäre das ein Nachteil, weil sie diesen Rhythmus kennen und brauchen. Für Gladbach kann das ein großer Vorteil sein. Sie können sich auf jedes Spiel fünf, sechs Tage vorbereiten, regenerieren und gut trainieren. Allerdings wird es jetzt Spieler geben, die öfter auf der Bank sitzen, als sie es gewohnt waren und ihnen lieb ist. Das ist die große Aufgabe von Trainer Marco Rose.
Er muss die Zufriedenheit und Balance im Team aufrecht erhalten und Woche für Woche das beste Team finden. Die Gladbacher haben viele Spiele in der Hinrunde in den letzten Minuten gerettet oder für sich entschieden. Das spricht für die große Moral und den Glauben an sich selbst. Mit dem tollen Publikum im eigenen Stadion ist ohnehin sehr viel möglich.
Timo Werner und Julian Nagelsmann sind natürlich die zwei Gesichter dieser Mannschaft und dieses Vereins. Aber in diesem Klub hat bisher alles Hand und Fuß. Werner ist so gut wie noch nie und spielt seit der Klärung seiner Zukunft so unbeschwert wie selten. Seine Tor-Quote ist fantastisch. Julian Nagelsmann hat in Leipzig noch mehr Möglichkeiten als in Hoffenheim und zeigt wie erwartet, was für ein Top-Trainer er ist.
Aber auch die Leipziger haben vor allem in der Innenverteidigung mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Außerdem müssen auch sie noch etwas konzentrierter und stabiler zu Werke gehen. Wenn ihnen das aber ähnlich oder noch besser als in der Hinrunde gelingt, haben sie alle Chancen, auch am Ende der Saison auf Platz eins zu stehen. Stand jetzt sind sie der Top-Favorit auf die Meisterschaft.