Kolumne: Lothar Matthäus über Kimmich, Löw und Götze
Matthäus: ... dann wird der Druck auf Löw viel größer
10.11.2020 | 20:40 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt. Dieses Mal spricht der Rekord-Nationalspieler über Joachim Löw, das DFB-Team, die Verletzung von Joshua Kimmich sowie Mario Götze.
Dass sich Joshua Kimmich, dieser wunderbare Fußballer, schwer verletzt hat, ist bitter und traurig. Ich möchte ihm auf diesem Wege alles Gute und eine schnelle Genesung wünschen. Man soll ja versuchen, in allem Negativen auch etwas Positives zu finden.
Ein kleiner Mutmacher meinerseits: Im November 1989 habe ich mir einen dreifachen Bänderriss im rechten Fußgelenk zugezogen. Auch ich fiel circa zwei Monate aus. Und im darauffolgenden Sommer fand die Weltmeisterschaft 1990 statt. Ich würde sagen, meine Performance war gar nicht so schlecht und am Ende des Turniers durfte ich diesen fantastischen Pokal in die Luft recken. Aus einem guten Spieler wurde ich nach der Verletzung zu einem sehr guten.
Kimmich wird Flick und Löw gleichermaßen fehlen
Kimmich ist bereits ein sehr guter Spieler. Aber es ist November, er fällt circa acht Wochen aus und im nächsten Sommer steigt hoffentlich ein großes Turnier. So wie ich diesen jungen Mann einschätze, wird er nach der Zwangspause noch gefräßiger, motivierter und stärker zurückkommen, als er es ohnehin schon ist. Er ist unersetzbar und steht wie kein Zweiter für die neue Deutsche Fußballer-Generation. Ein Leader, wie er im Buche steht. Er wird Flick und Löw gleichermaßen fehlen, denn sie haben keinen anderen mit seinen Qualitäten.
Aber auch hier sehe ich Glück im Unglück. Es ist Herbst und nicht Frühjahr. Stünden das Champions-League-Halbfinale und die EM vor der Tür, dann wäre sein Ausfall für die Bayern und die DFB-Elf noch viel gravierender.
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Alaba wäre meine erste Wahl als 1:1-Ersatz
Für beide Trainer stellt sich natürlich die Frage nach dem Kimmich-Ersatz. Hansi könnte wie gegen Dortmund auf Tolisso setzen. Ein gelernter zentraler Mittelfeld-Spieler, der allerdings dem Spiel von Leon Goretzka sehr ähnelt. Ob Roca schon so weit ist, kann man noch nicht sagen. Dafür haben wir zu wenig von ihm gesehen. Martinez kann sicherlich hin und wieder aushelfen, wenn rotiert werden muss, weil Goretzka auch seine Pausen braucht.
Wenn man allerdings ausschließlich daran denkt, Joshua Kimmich so gut es geht eins-zu-eins zu ersetzen, dann wäre meine erste Wahl David Alaba. Er kann diese Position spielen. Er hat stets betont, dass dies seine Lieblings-Job auf dem Feld ist, und es wäre noch ein weiterer Beleg dafür, wie wertvoll er für diese Mannschaft ist und wie sehr Flick ihn braucht. Aber das weiß er im Grunde ohnehin schon lange. Sollte David auf die Sechser/Achter-Position rücken, würden Süle und Boateng die Innenverteidigung bilden, Hernandez weiter hinten links und Pavard rechts verteidigen. Auch das ist eine Top-Viererkette.
Löw kann bis zu Kimmichs Rückkehr Goretzka, Kroos, Gündogan, Dahoud, Brandt oder Jonas Hofmann dort spielen lassen.
Rufe nach Müller, Hummels oder Boateng werden nicht verstummen
Der Bundestrainer hat sich aktuell auch zu den drei prominenten Aussortierten geäußert. Wenn sich im nächsten Jahr durch Ausfälle von Schlüsselspielern eine völlig neue Situation ergeben sollte, werde er das entsprechend bewerten und über alternative Szenarien nachdenken. Das heißt für mich, dass Hummels, Boateng oder Müller wenn überhaupt, nur eine Chance auf die EM haben, wenn andere verletzt ausfallen.
Ich bleibe bei meinem Credo: Die Besten sollen für Deutschland spielen und das nicht nur, wenn andere ausfallen. Sollte Löw und sein Team bis März weitaus überzeugendere Spiele und mehr Siege einfahren als in den letzten Monaten, können wir und vor allem er beruhigter auf die Europameisterschaft schauen. Wenn aber weiterhin keine spielerische Weiterentwicklung zu erkennen ist und dazu die Ergebnisse nicht stimmen, wird der Druck auf ihn noch viel größer werden und die Rufe nach Müller, Hummels oder Boateng garantiert nicht verstummen.
Götze wieder im DFB-Team? Löw ist alles zuzutrauen
Der Bundestrainer hat sich äußerst positiv über die jüngste Entwicklung von Mario Götze geäußert. Auch ich freue mich sehr, dass Mario in Eindhoven eine neue fußballerische Heimat gefunden hat, in der er sich offensichtlich sehr wohl fühlt und sehr gute Leistungen bringt. Das ist einfach schön zu sehen. Ich denke, dass Löw aber vor allem in der Offensive nicht die allergrößten Sorgen hat und da Mario im Grunde das Tempo fehlt, sehe ich ihn erst mal nicht als Verstärkung in der Nationalmannschaft. Aber Löw ist alles zuzutrauen und eigentlich ist er ein Trainer, der zu den Spielern steht, denen er die größten Erfolge zu verdanken hat. Mario gehört allein durch seinen Sieg-Treffer im WM-Finale 2014 zu dieser Kategorie.
Herzlichen Glückwunsch meinem Freund Andi Brehme
Ein anderer WM-Final-Held ist mein Freund Andreas Brehme. Von ganzem Herzen alles Gute zu seinem heutigen 60. Geburtstag. Ich wünsche ihm all das, was er sich selbst wünscht. Vor allem aber Gesundheit. Ich danke ihm für seine Freundschaft und auch dafür, dass er uns 1990 zum Weltmeister gemacht hat. Danke für all die tollen Erinnerungen auf und neben dem Platz!
Meine Geschichte mit Andi begann 1980 gemeinsam bei der U21 und seitdem sind wir unzertrennlich. Wir spielten zusammen für Bayern, Inter Mailand und die Deutsche Nationalmannschaft. Sein toller Humor und seine fröhliche Art sorgen regelmäßig dafür, dass wir heute noch viele gemeinsame Abende verbringen.