Matthäus: Mane ist kein Lewandowski-Ersatz
30.05.2022 | 19:17 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus schwärmt in seiner Kolumne "So sehe ich das" von Toni Kroos und David Alaba. Außerdem zeigt Matthäus Verständnis für Robert Lewandowski. Sadio Mane sieht er nicht als Ersatz für den polnischen Angreifer.
Herzlichen Glückwunsch an Real Madrid zum Gewinn der Champions League!
Auch wenn das Endspiel nicht das ganz große Spektakel war und Real in der ersten Halbzeit von Liverpool sehr stark unter Druck gesetzt worden ist, muss man am Ende sagen, dass Real diesen Titel verdient hat. Es war kein hochklassiges Finale, dass zu allem Überfluss auch noch mit dem Chaos vor dem Stadion begann. Wenn man jedoch sieht, wen Real in den K.o.-Spielen ausgeschaltet hat, dann ist der Triumph die verdiente Belohnung.
Wer Paris, Chelsea und Manchester City aus dem Wettbewerb wirft und im Finale auch noch den FC Liverpool schlägt, der ist zurecht die beste Mannschaft Europas. Im Fußball wird es oft bestraft, wenn man viele Chancen auslässt und so hat es am Ende auch Liverpool erwischt. Der überragende Torwart Thibaut Courtois und ein entscheidendes Tor haben Real Madrid am Ende gereicht.
Die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti war vielleicht nicht die bessere im Finale, aber das ist nicht immer entscheidend. Auch 1999 hat nicht die bessere Mannschaft gewonnen. Es ist schade und ärgerlich für Jürgen Klopp. Selbstverständlich hätte ich es ihm gegönnt. Aber Mitleid ist an dieser Stelle unangebracht. Das will und braucht weder Jürgen noch sonst irgendein Sportler.
Außerdem habe ich Bilder aus Liverpool gesehen, wie er selbst nach dieser Niederlage wieder zum Feierbiest wurde. Er wird mit seinem Team in der neuen Saison einen neuen Versuch unternehmen, die Champions League zu gewinnen und wird wieder eine sehr gute Rolle spielen.
Sein gegenüber Carlo Ancelotti, der nun nicht nur in allen europäischen Spitzen-Ligen die Meisterschaft gewonnen hat, sondern mit vier Champions-League-Trophäen auch der erfolgreichste Trainer in diesem Wettbewerb ist, ist bei diesem Verein geradezu perfekt aufgehoben. Carletto und Real passen in jeder Hinsicht zusammen.
Natürlich kann man sich jetzt fragen, wieso es ausgerechnet in München für den Italiener so unerwartet schlecht gelaufen ist und man sich früh voneinander getrennt hat. Am Ende ist das eine Sache von Kultur, Charakter, Sprache und Harmonie und all das hat zwischen Ancelotti und dem FC Bayern einfach nicht gepasst.
Er hat in Madrid eine Einheit aus erfahrenen Spielern und einigen jungen Stars geformt. Er hat es geschafft, viele verschiedene Nationalitäten zu vereinen und sie durch die ganze Saison hinweg in wunderbarer Manier zu begleiten. Nicht jeder Trainer und sei er noch so herausragend, passt zu jedem Klub.
Auch Otto Rehhagel, der in Kaiserslautern, Griechenland oder Bremen Sensationelles geleistet hat, wurde mit dem FC Bayern einfach nicht eins. Am Ende führt oft die Einheit, das Kollektiv, die Stimmung und der Zusammenhalt in einer Mannschaft zum größten Erfolg. Herausragende Fußballspieler gehören natürlich dazu, und ein ganz wichtiger Baustein in diesem Real-Ensemble ist Toni Kroos.
Er hat jetzt insgesamt fünf mal die Champions League gewonnen. Das ist eine unglaubliche, herausragende und fast einmalige Leistung. In München verschmäht, in Madrid verehrt. Auch ich war zugegebenermaßen vor einiger Zeit nicht der allergrößte Fan des Spiel-Stils von Toni. Aber bei Real Madrid, in dem System, mit deren Philosophie, unter diesem Trainer und mit diesen Mannschafts-Kollegen, ist Kroos ein geniales Puzzle-Teil im Zentrum des Geschehens.
Man darf nicht vergessen, dass Kroos nicht irgendwo hinten rechts auf dem Fußballfeld versucht die Löcher zu stopfen und nebenbei Weltmeister und Champions-League-Sieger wird. Er ist ein Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld und das ist nicht hoch genug zu bewerten. Er ist einer der allergrößten Fußballer, die unser Land jemals hervorgebracht hat. Was Toni in seiner Karriere bisher erreicht hat, verdient den allerhöchsten Respekt.
Dass ihm im Interview mit dem Kollegen vom ZDF übrigens der Kragen platzte, kann ich verstehen. Ich fand die Fragen nach so einem Triumph auch nicht gerade ideal. Aber vielleicht war der Reporter eher Liverpool-Sympathisant und hätte sich lieber mit Klopp gefreut.
Es ist ja oft so, dass man erst merkt was man an jemandem hatte, wenn dieser nicht mehr da ist. Wie sehr David Alaba dem FC Bayern fehlen wird, konnte sich jedoch so gut wie jeder denken. Und trotzdem ist es beeindruckend, wie schnell er von seinen neuen Kollegen, den Real-Anhängern, dem Trainer und allen anderen sofort akzeptiert und respektiert wurde. Und es war mit Sicherheit nicht die leichteste Aufgabe, der Abwehrchef und Nachfolger von Real-Legende Sergio Ramos zu werden.
Auch dessen Rückennnummer zu erben, ist in so einem Klub mit sehr viel Druck verbunden. Angemerkt hat man das Alaba allerdings nicht. Im Gegenteil. Auch von ihm war diese Saison eine grandiose und fantastische Leistung. Jeder weiß, dass er auch heute dem FC Bayern noch gut tun würde und man ihn lieber nicht abgegeben hätte. Aber dafür hätte es nicht erst den Champions-League-Sieg von Real Madrid gebraucht. Das war von Anfang an klar.
Ob es in der nächsten Saison ähnlich wird, wenn man daran zurückdenkt, wieso man Niklas Süle an den BVB verloren hat?
Schade und auffällig, dass immer mehr Spieler den FC Bayern verlassen wollen. Früher war das nicht so. Ich denke, das hat viele verschiedene Gründe. Ein gutes Licht wirft diese Entwicklung auf diesen Verein aber mit Sicherheit nicht. Einige Spieler fühlen und fühlten sich beim besten deutschen Verein nicht mehr wohl. Womit wir bei Robert Lewandowski wären.
Nach den deutlichen Aussagen seines Beraters, legt nun der Superstar aus Polen selbst öffentlich nach. Er kann sich eine Zusammenarbeit in Zukunft und eine Fortsetzung seiner Karriere in München nicht mehr vorstellen. Er will einfach nur noch weg. Und zwar schnell. Das hat sich der Klub selbst zuzuschreiben. Nicht zuletzt durch die öffentlich gewordenen und in der Branche längst bekannten starken Avancen in Richtung Haaland. Das Lewy nun keine Lust mehr auf Bayern hat, ist absolut verständlich.
Es hat sich angedeutet, dass der Weltfußballer nicht mehr lange still halten würde und das hat sich nun bewahrheitet. Ich kann ihn verstehen. Man merkt als Profi, ob sich Dinge in einem Klub verändern, die Rückendeckung bröckelt und auch sonst vieles nicht mehr so ist, wie man es gewohnt war. Und die Tendenz bei Bayern ist sowohl sportlich als auch in der Wertschätzung gegenüber Robert, nicht mehr dieselbe wie noch vor einiger Zeit.
Aber ist es wirklich ein Upgrade vom FC Bayern zum FC Barcelona zu gehen? Nach neun Jahren und unzähligen Titeln, gebrochenen Jahrhundert-Rekorden und allem Erreichten, ist es zumindest eine schöne Herausforderung. Barcelona hat in Xavi einen jungen, aufstrebenden und sehr guten Trainer. Er baut eine Mannschaft, in der Lewandowski eine zentrale Rolle spielen soll, um im nächsten Jahr wieder Real Madrid anzugreifen und in der Champions League für Furore zu sorgen. Er käme zu einem Zeitpunkt, bei dem es nur besser werden kann für Barcelona und findet ein Team vor, das mit de Jong, ter Stegen, Pedri und vielen anderen Spielern vielversprechend ist.
Die Bayern wiederum bemühen sich offensichtlich sehr stark um Sadio Mane. Ich habe das Gefühl, dass es hier nur noch darum geht, so viel Ablöse vom FC Barcelona zu bekommen, wie man dann eins-zu-eins in Mane reinvestieren kann. Aber ist Mane der Ersatz für Robert Lewandowski? Ich glaube nicht. Abgesehen davon, dass es für den Polen keinen Ersatz auf der Welt gibt, sehe ich Mane nicht als Mittelstürmer, sondern auf dem Flügel.
Selbstverständlich wäre seine Verpflichtung ein absoluter Super-Transfer. Das ist ein großartiger Spieler und wäre für die ganze Bundesliga eine wunderbare Attraktion. Und trotzdem bräuchten die Bayern dann noch eine neue Nummer neun. Diese könnte Sasa Kalajdzic vom VfB Stuttgart sein. Der macht wahrscheinlich keine 40 Tore, aber mit Sicherheit 25.
Bleibt abzuwarten wie Sadio Mane mit Thomas Müller harmonieren würde. Mit Lewandowski war das Verständnis nahezu blind. Es ist natürlich immer noch möglich, dass die Bayern bei Lewandowski hart bleiben, ihr Wort halten und mit dem möglichen Neuzugang aus Liverpool und Robert in die neue Saison gehen. Dann wären allerdings mit Gnabry, Sane und Coman zu viele offensive Außenstürmer im Team. Bei Serge Gnabry riecht es zumindest einigermaßen nach Abschied.
Man hört, dass Real Madrid interessiert sei. Aber wir alle wissen, dass bei Real nicht nur die gezeigten Leistungen, sondern auch der Name vor allem bei Offensiv-Verpflichtungen eine Rolle in der Gunst der Fans spielt. Wären die Real-Anhänger wirklich zufrieden, wenn man anstelle von Mbappe nun Gnabry bekäme? Ich habe da meine Zweifel. Wie bereits oftmals erwähnt, finde ich es unglaublich schade, wenn der FC Bayern und die Bundesliga einen Ausnahme-Stürmer wie Robert Lewandowski verlieren.
Aber es sieht leider sehr stark danach aus.
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