Nach der 1:2-Heimniederlage gegen den FC Magdeburg schrillen beim HSV die Alarmglocken. Ein Kommentar von Sky Reporter Sven Töllner.
Die Meinungsmacher haben Milde walten lassen - bis jetzt. Die Medienstadt Hamburg und ihre berüchtigten Strömungen - wenn die Formulierungen schärfer werden und die Thesen härter, steigt die Alarmstufe im Klub. Nach der 1:2-Pleite gegen Aufsteiger Magdeburg schrillen im Volkspark die Sirenen.
Selbst nach den peinlichen Abläufen beim 2:3 gegen Darmstadt (nach 2:0-Führung) war die Berichterstattung noch geprägt von Verständnis, von Geduld. Seit heute ist das anders. "Dann bleibt doch in der 2. Liga" posaunt die BILD. "Wollt ihr gar nicht aufsteigen?", fragt die MORGENPOST. "Lächerlich", "peinlich", "erbärmlich" - das Vokabular hat sich gewandelt.
Dabei wird die tatsächliche Leistungsfähigkeit des aktuellen Kaders schon länger übertüncht von der noch immer akzeptablen Tabellensituation (drei Punkte Vorsprung auf Platz drei) und erfreulichen Einzel-Ereignissen. Der klare Sieg im Stadt-Derby und der stabile Auftritt im Pokal in Paderborn sind aber nur Kosmetik und kaschieren eine Ausstrahlung, die längst keinem Gegner mehr Respekt einflößt.
Alles müssen sich straffen - auch der Trainer
Die derzeitigen Ergebnisse (und Leistungen) sind die eines mittelklassigen Zweitligisten. Der HSV lebt vom angefressenen Hinrunden-Speck, kommt momentan aber besorgniserregend ausgemergelt daher. Ein alarmierender Zustand - vor allem mit Blick auf die anstehenden Aufgaben in Köln, Berlin oder Paderborn.
Natürlich ist es ein Faktor, dass Aaron Hunt verletzt fehlt. Das gehört zur fairen Analyse dazu, taugt aber nicht als Begründung für die zuletzt zu oft vollends abhanden gekommene Souveränität. Der Kader ist jung - Leistungsschwankungen haben die Verantwortlichen eingepreist. Aber ganz sicher nicht mit diesen eklatanten Amplituden.
Der Kader ist nicht überragend - das hat wirtschaftliche Gründe. Und doch ist das Ensemble nominell stark genug, die Rückkehr ins Oberhaus zu realisieren. Wenn das gelingen soll, müssen sich aber alle, die es beeinflussen können, zügig straffen - das gilt auch für den Trainer.
Hamburg hat die große Flatter
Hannes Wolf hatte einen Top-Start in Hamburg. Seit dem sind auch dem eloquenten Energiespender einige schwerwiegende Fehler unterlaufen, die Punkte gekostet haben. Er kann nichts dafür, wenn Gideon Jung, Lewis Holtby oder Gotoku Sakai erkennbar unter dem notwendigen Leistungsniveau stecken bleiben - aber er könnte sie während des Spiels erlösen, wenn Indizien ausbleiben, dass eine Steigerung in Sicht ist.
Mit Jattas Auswechslung gegen Magdeburg gab Wolf früh das Signal, dass es um Remis-Absicherung geht, statt um die zweite Welle, die den Heim-Dreier gegen einen Abstiegskandidaten bringen könnte. Angst etwas zu verlieren, statt Gier darauf, etwas gewinnen zu können. Kurz darauf kam dann doch Offensiv-Mann Narey - widersprüchliche Impulse, die zur Verwirrung beitrugen, statt Stabilität und Druck zu erzeugen. Die Hamburger haben die große Flatter!
Verpasster Wiederaufstieg wäre fatal
Könnte alles in allem also darauf hinauslaufen, dass die relegationserprobten Rothosen auch in der anderen Richtung über die ungeliebte Rettungsrunde gehen müssen - oder sogar komplett aus der angestrebten Etage herauspurzeln. Das würde zwar nicht dazu führen, dass der Spielbetrieb eingestellt wird, die Planungen für die kommende Saison aber erheblich erschweren.
Der Klub ist finanziell auf Kante genäht und kann auch den weißen Ritter aus der Schweiz nicht als verlässlichen Retter einplanen. Investor und Anteilseigner Klaus-Michael Kühne hat längst durchblicken lassen, dass der derzeitige Zustand des Vereins ihm keinen Anreiz liefert, mit weiteren Zuwendungen aus der prall gefüllten Privatschatulle behilflich zu sein.