Bayerns Rückspiel gegen Lazio wird ein Selbstläufer
05.03.2024 | 10:23 Uhr
Lothar Matthäus schildert in seiner Kolumne, woran es im Verhältnis zwischen Trainer Thomas Tuchel und den Spielern des FC Bayern hapert und erklärt, was Tuchels Nachfolger im Sommer mitbringen muss. Im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League erwartet er eine Reaktion der Mannschaft.
Thomas Tuchel und der FC Bayern. Das funktioniert nicht. Tuchel hat von Anfang an die Spieler nicht hinter sich gebracht, sondern viele von ihnen in Frage gestellt.
Kimmich, Goretzka, Müller und de Ligt waren die ersten, zuletzt war es Tel. Wenn der Trainer die Spieler klein macht, haben diese nicht das gleiche Selbstbewusstsein wie ein Xhaka, Wirtz oder Andrich bei Bayer Leverkusen. Dort bekommen sie von Xabi Alonso vermittelt, wie wichtig sie für ihn sind.
Die Bayern-Spieler hingegen sind verunsichert und irritiert, sie fragen sich, was der Trainer von ihnen will. Tels Aufstellung auf der rechten Seite, Boey auf der linken Seite, die Dreierkette in Leverkusen - Tuchels Entscheidungen bringen nicht das, was er sich erhofft. Sie verpuffen und die Mannschaft fragt sich: Warum funktioniert es nicht, wenn der Trainer etwas ändert?
Tuchel wird nicht nur von den Medien hinterfragt, sondern auch von den Vereinsangestellten. Die Bosse sind unzufrieden, sonst hätte man nicht die Entscheidung gefällt, sich am Saisonende von Tuchel zu trennen.
Wenn Bayern das erste Spiel nach dieser Entscheidung gegen Leipzig nicht gewonnen hätte, wäre Tuchel wahrscheinlich am Freitagabend nach dem 2:2 in Freiburg entlassen worden. Als Trainer ist er dafür verantwortlich, was auf dem Platz passiert. Aber anstatt sich selbst zu hinterfragen, ist er auf die Spieler losgegangen.
Tuchel hat große Erfolge gefeiert wie den Champions-League-Sieg mit Chelsea. Aber als Trainer brauchst du auch die menschliche Komponente und musst die Kommunikation zu deinen Spielern suchen. Ich weiß nicht, ob Tuchel mit der Mannschaft spricht. Vielleicht spricht er mit den falschen Spielern, die nur "ja" und "amen" sagen.
Ich habe nicht auf dem gleichen Niveau trainiert wie Tuchel, aber ich habe immer versucht, den Spielern zuzuhören, so wie mir als Spieler früher auch die Trainer zugehört haben. Es ist wichtig, dass ich mit den Spielern spreche und ihnen sage: "Ich habe etwas vor, seid ihr damit einverstanden? Seid ihr davon überzeugt, dass wir das können?"
Zu meiner Zeit haben Udo Lattek oder Franz Beckenbauer mit uns Spielern gesprochen, wenn sie etwas vorhatten. Wir haben unsere Einwände vorgebracht und die Trainer sind darauf eingegangen. Franz Beckenbauer hat Andi Brehme, Rudi Völler, Pierre Littbarski und mich immer mit ins Boot geholt und hat auch mal seine Ideen über den Haufen geworfen, wenn wir nicht von ihnen überzeugt waren.
Ottmar Hitzfeld und Udo Lattek haben die Spieler mitgenommen. Hitzfeld hatte auch ein super Verhältnis zu den Journalisten und zu den Fans. Hermann Gerland ist ein Menschenfänger, deshalb habe ich ihn als Interimslösung vorgeschlagen.
Bayern braucht einen Trainer zum Anfassen, der mit den Spielern kommuniziert und mit seiner Spielweise die Fans begeistert. Xabi Alonsos Name steht zu Recht ganz oben auf der Liste, aber wenn es mit ihm nicht klappt, braucht man Alternativen, und eine davon ist Sebastian Hoeneß. Er kennt den FC Bayern, er hat die Rückendeckung des Vereins und die Kontakte nach oben. Er hat zwar noch keine Titel gewonnen, aber das hatte Julian Nagelsmann auch nicht, bevor er zum FC Bayern kam.
Ich hatte mich letztes Jahr über Nagelsmanns Beurlaubung gewundert. Für mich hat die Mannschaft unter ihm stabiler gewirkt, sie hat schöner und schneller gespielt. Unter Tuchel hat sich das Spiel - unabhängig von den Ergebnissen - in eine negative Richtung entwickelt.
Das Rückspiel gegen Lazio wird aus meiner Sicht ein Selbstläufer, weil die Mannschaft weiß, worum es geht. Es müssen nur die richtigen Spieler in der richtigen Zusammensetzung auf dem Platz stehen.
Wenn ich mir den Bayern-Kader und die ersten 20 Spieler anschaue, glaube ich nach wie vor, dass diese Mannschaft zu den besten in Europa gehört.
Wenn ich all diese Namen sehe, ist der FC Bayern ein Favorit für die Champions League. Um die Königsklasse zu gewinnen, braucht es aber auch Selbstbewusstsein. Doch Vertrauen und Selbstbewusstsein bekommt man nur, wenn man sich wohlfühlt.
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